den Eltern *die Ehre geben*

Jake,

"nehmen" hat schon wieder "in den Arm nehmen" bei mir in der Assoziation - das mag vielleicht nicht jeder.
Jemanden akzeptieren hat etwas Neutraleres für mich.

Aber ok, ich denke, es hat nichts mit falscher Liebe zu tun, es ist zu akzeptieren, dass das Leben so ist wie es ist, mit den Menschen, die so sind wie sie sind - DENN ES GIBT KEINE ANDEREN.

Denke, habe es verstanden.

Danke Jake, bist ein Genie!!!

Wünsche euch ein schönes Wochenende, ich hau jetzt auf Land ab!
 
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"den Eltern die Ehre geben" ist in meinen Augen ja wirklich eine eher unglücklich gewählte Formulierung, ich weiß auch gar nicht, aus welcher Ecke der Aufstellerei das wirklich kommen sollte.
Das ist auch ein sprachliches Problem.

Mich spricht zB. das Englisch der Dramen von Shakespeare sehr an. Es gibt eine Form eines erhabenen, archaisch-würdevollen Englisch, das keine Spur altmodisch klingt. Das Deutsche hat diese Tradition (zumindest für die meisten) nicht. Da klingen Formulierungen schnell mal verzopft und alt-vaterisch - und nicht würdevoll (auch wenn es so gemeint ist). (Das hängt sicher auch damit zusammen, dass die deutsche Sprache in der Kunst lange verachtet wurde - und hier italienisch und französisch dominierten.)

Noch dazu wurden viele Begriffe durch ihre missbräuchliche Verwendung in der Nazi-Zeit obolet. (ZB.: "Unsere Ehre sei Treue" war der Wahlspruch der SS - wenn ich mich richtig erinnere.)

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Jetzt habe ich gerade ein schönes Beispiel erlebt, was es heißt "jemanden die Ehre geben". In der Nachkriegszeit erlebte im ländlichen Bereich eine Frau an der Seite ihres Mannes einen einzigen Alptraum. Verrücktheit, Unberechenbarkeit, Gewalt ... alles, was man nicht erleben möchte. Sie hielt durch, bis ALLE Kinder erwachsen und aus dem Haus waren. Dann tötete sie sich. Selbstmord in einer katholisch-ländlichen Gegend. Man kann sich vorstellen, wie diese Frau gesehen wurde. Kein kirchliches Begräbnis etc.

Jetzt haben sich ihre Kinder an DER Stelle versammelt, wo sie ihrem Leben ein Ende bereitet hat. Sie haben ihr gedankt, dass sie solange durchgehalten hat und die Gewalt abgefangen hat mit ihrem eigenen Körper - und sich schützend vor die Kinder gestellt hat. (Wenn es nur um sie gegangen wäre, hätte sie viel früher ihr Leben beendet - da Scheidung defacto nicht möglich war.) Sie haben an der Stelle des Selbstmordes eine Ehrentafel für ihre Mutter angebracht. Und mit einem Mal fiel von allen eine große Schwere ab und wandelte sich in eine gelöste Erleichterung.

Dieser Mutter wurde ihre Ehre (wieder)gegeben ...

LG, Reinhard
 
Hallo Reinhard,

eine sehr berührende Geschichte. Da hätte ich auch kein Problem, so eine Mutter zu ehren.

Es gibt bei Eltern, die sich den Kindern gegenüber nicht ehrenhaft verhalten, das Problem mit der Ehrerweisung.
 
Dieser Mutter wurde ihre Ehre (wieder)gegeben ...

LG, Reinhard

Wow. Das kriecht unter die Haut, das Beispiel. :liebe1:

Du schreibst, danach waren die Kinder gelöst - hatten sie vorher eine andere Sichtweise über ihre Mutter? Verurteilten sie ihren Selbstmord vorher?

Liebe Grüße
Reinfriede
 
Lieber Reinhard!

Ein schönes Beispiel, stimmt. Weißt Du auch, wie die Kinder den Vater "genommen" haben?

Alles Liebe,
Jake
 
.. das ist stimmig für mich,
hat aber auch nix mit "ehre zu geben" zu tun.
Hab da noch ne Frage dazu - was ist für dich *ehre zu geben*?

Weils wenns mein Beispiel nicht ist, was ist es dann - speziell für dich?

Oder auch für Indigomädchen

Oder auch für alle Anderen, die mit den bisherigen Erklärungen nicht unbedingt viel anfangen konnten

Was verbindet ihr mit dem Begriff *den Eltern die Ehre geben*?

Was stellt ihr euch vor, dass damit gemeint sein könnte?
 
Du schreibst, danach waren die Kinder gelöst - hatten sie vorher eine andere Sichtweise über ihre Mutter? Verurteilten sie ihren Selbstmord vorher?
Nicht verurteilen - eher ausblenden und nicht darüber reden. Vor allem wurde die Sichtweise geändert : es wurde gesehen, wie lange sie sich NICHT getötet hat und das Leid ertragen hat. Und auch, WIEVIEL Leid sie ausgehalten hat.

Auch das war wichtig : den Ort des Selbstmordes nicht mehr zu meiden und ihm auszuweichen, sondern bewusst hinzugehen und ihn zu kennzeichnen.

@Jake - bezüglich des Vaters, nein - bis jetzt nichts. Das hat für mich auch seine Stimmigkeit : er stand immer im Mittelpunkt und wurde gesehen, wie er war. Es war anscheinend gut, einmal dezidiert und ausschließlich die Aufmerksamkeit auf die Mutter zu richten.

LG, Reinhard
 
Nicht verurteilen - eher ausblenden und nicht darüber reden. Vor allem wurde die Sichtweise geändert : es wurde gesehen, wie lange sie sich NICHT getötet hat und das Leid ertragen hat. Und auch, WIEVIEL Leid sie ausgehalten hat.

Ist jetzt vielleicht ein wenig off-topic, aber bei Deiner Schilderung fiel mir der Film "Die Brücken am Fluss" mit Clint Eastwood und Meryl Streep wieder ein. Da gings auch darum, dass die Kinder nach dem Tod der Mutter erst durch Recherchen begannen, ihr Schicksal würdigen zu können, obwohl sie sie anfangs teilweise verurteilten. War ein Klasse Film...

http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Brücken_am_Fluss

Wieder on-topic: Danke für die Erklärung,

liebe Grüße
Reinfriede
 
Ja. Anschließend an die Frage von Jake ist mir noch Folgendes eingefallen :

Man könnte zB. sagen : Man hätte sich auch die Unmöglichkeit des Vaters empören können. Wäre der übliche Weg. Und damit wäre wieder die Mutter in den Hintergrund geschoben worden - und das Destruktive hätte die Aufmerksamkeit bekommen. Wohin die Aufmerksamkeit geht, geht die Kraft.

Die Würdigung des Opfers schließt eine Klarstellung bezüglich des leidverursachenden Verhaltens mit ein - entzieht ihm aber gleichzeitig die Aufmerksamkeit.

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Das ist ein Punkt, der bei der Familienaufstellung oft missverstanden wird. Wenn man Täter nicht verurteilt, bagatellisiert man sein Verhalten damit nicht - ganz im Gegenteil.

Man kennt das aus der Werbebranche : "Aufmerksamkeit ist alles". Wurscht ob negativ oder positiv. Hauptsache : bekannt.

Das Verhalten eines Täters nicht zu verurteilen, sich nicht darüber aufzuregen : das ist paradoxerweise sozusagen das "vernichtendste Urteil". Man entzieht dem Destruktiven die Aufmerksamkeit und die Kraft - lässt es quasi "vertrocknen".

Das ist ja auch im Forum immer wieder schön zu beobachten : wenn ein Standpunkt Empörung und Widerspruch auslöst, blüht er so richtig auf und bindet Aufmerksamkeit. Wenn man nicht reagiert, fällt er kraftlos in sich zusammen.

LG, Reinhard
 
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Man entzieht dem Destruktiven die Aufmerksamkeit und die Kraft - lässt es quasi "vertrocknen".

Das ist ja auch im Forum immer wieder schön zu beobachten : wenn ein Standpunkt Empörung und Widerspruch auslöst, blüht er so richtig auf und bindet Aufmerksamkeit. Wenn man nicht reagiert, fällt er kraftlos in sich zusammen.

Das gilt allerdings für die Gegenbewegung auch. Ein guter und konstruktiver Geist tut hier im Forum sicherlich nicht vertrocknen, aber er bekommt vielleicht Ohrenschmerzen beim Lesen und zieht sich immer mehr zurück.
Was bleibt lässt sich ausmalen.

Pholus
 
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