"den Eltern die Ehre geben" ist in meinen Augen ja wirklich eine eher unglücklich gewählte Formulierung, ich weiß auch gar nicht, aus welcher Ecke der Aufstellerei das wirklich kommen sollte.
Das ist auch ein sprachliches Problem.
Mich spricht zB. das Englisch der Dramen von Shakespeare sehr an. Es gibt eine Form eines erhabenen, archaisch-würdevollen Englisch, das keine Spur altmodisch klingt. Das Deutsche hat diese Tradition (zumindest für die meisten) nicht. Da klingen Formulierungen schnell mal verzopft und alt-vaterisch - und nicht würdevoll (auch wenn es so gemeint ist). (Das hängt sicher auch damit zusammen, dass die deutsche Sprache in der Kunst lange verachtet wurde - und hier italienisch und französisch dominierten.)
Noch dazu wurden viele Begriffe durch ihre missbräuchliche Verwendung in der Nazi-Zeit obolet. (ZB.: "Unsere Ehre sei Treue" war der Wahlspruch der SS - wenn ich mich richtig erinnere.)
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Jetzt habe ich gerade ein schönes Beispiel erlebt, was es heißt "jemanden die Ehre geben". In der Nachkriegszeit erlebte im ländlichen Bereich eine Frau an der Seite ihres Mannes einen einzigen Alptraum. Verrücktheit, Unberechenbarkeit, Gewalt ... alles, was man nicht erleben möchte. Sie hielt durch, bis ALLE Kinder erwachsen und aus dem Haus waren. Dann tötete sie sich. Selbstmord in einer katholisch-ländlichen Gegend. Man kann sich vorstellen, wie diese Frau gesehen wurde. Kein kirchliches Begräbnis etc.
Jetzt haben sich ihre Kinder an DER Stelle versammelt, wo sie ihrem Leben ein Ende bereitet hat. Sie haben ihr gedankt, dass sie solange durchgehalten hat und die Gewalt abgefangen hat mit ihrem eigenen Körper - und sich schützend vor die Kinder gestellt hat. (Wenn es nur um sie gegangen wäre, hätte sie viel früher ihr Leben beendet - da Scheidung defacto nicht möglich war.) Sie haben an der Stelle des Selbstmordes eine Ehrentafel für ihre Mutter angebracht. Und mit einem Mal fiel von allen eine große Schwere ab und wandelte sich in eine gelöste Erleichterung.
Dieser Mutter wurde ihre Ehre (wieder)gegeben ...
LG, Reinhard