Liebe Daisy
du beschreibst in deinem Beitrag ist rein hypothetisch und entspricht einem Idealzustand.
Quintessenz: einfach alles lieben, wie es ist.
Aber wir sind nun mal Menschen.
Pragmatisch wie ich (auch) bin, halte ich deine Beschreibung für recht
unrealistisch.
Es ist nur dann unrealistisch, wenn man es für unrealistisch hält. Das ist nicht zwingend.
Schau, wenn ich sage, alles, was uns widerfährt, haben wir frei gewählt (ohne uns dessen immer bewußt zu sein), dann gibt es in der Regel großes Geschrei. "Das kleine Mädchen hat sich doch seinen Vergewaltiger nicht ausgesucht", "die Mutter von 3 Kinder nicht den betrunkenen Autofahrer, der ihr das Leben ninmt" usw. usw.
Bei der Aussage, das alles, was uns passiert, das ist, was wir wollen, können die freundlichsten Menschen plötzlich zu geifernden Beißern werden.
Und wenn ich dann einen Weg anbiete, dieses scheinbare Elend zu beenden, dann heißt es immer, das sei doch unrealistisch, schließlich sind wir ja nur Menschen.
Ja, worüber beklagen wir uns denn dann? Wenn wir nichts verändern wollen (unter dem Vorwand, das sei unrealistisch), dann ändert sich halt auch nichts.
Wenn ich einen großen Starken (ungeachtet seines mir unbekannten Inneren)
sehe wie er einprügelt auf einen kleinen Schwachen, dann bewerte ich
automatisch die Gewalt schlecht und den Verursacher (also den Starken)
ebenso. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, in so einer
Situation wertfreie und liebevolle Gedanken zu hegen.
Okay, ein Beispiel, welches ich heute schon einmal an anderer Stelle brachte. Vielleicht macht es deutlich, was ich meine. Stell`Dir vor, Du hast einen megaschlechten Tag, die Nerven liegen blank, Dein Kind nervt. Es kommt der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, die Wut kommt in Dir hoch und Du hebst die Hand, um Deinem Kind eine zu donnern oder es wegzuschubsen oder irgendso etwas in der Richtung. Dein Mann steht daneben und reagiert geistsgegenwärtig.
Version A: er springt dazwischen, hält Dich fest und schreit Dich an, ob Du noch ganz dicht bist.
Version B : er geht dazwischen, hält Deinen Arm fest und sieht Dich liebevoll an. Er hat Deinen verzweifelten und völlig überforderten Zustand völlig erfasst und es gibt nichtmal etwas zu sagen.
Was wäre Dir lieber?
Übrigens, die Antwort, die ich darauf heute woanders bekommen habe, war: Variante A!!!!!!!!!!!!!!!
Sollte ich Gewalt-Potential in mir haben, dann lasse ich es zumindest
bewusst nicht wirksam werden. Und wenn ich dadurch innerlich etwas
"abmurkse", selbst wenn es Bestandteil meines inneren Kindes sein sollte,
dann war's nicht schade drum.
Oh jesses, liebe Daisy, warum bist Du denn so hart mit Dir? Es ist doch völlig normal, auch sog. "böse" Anwandlungen in sich zu haben. Wut und Hass gehören zu unserem Menschsein dazu. Wenn ein kleines Kind unfair und gemein behandelt wird, dann darf es nicht wütend und auch nicht gewaltätig werden? Es soll brav alles schlucken und das Gift in sich hineinfressen? Tja, das ist das, was ich das "innere Kind abmurksen" nenne. Hinter der verdrängten Wut steckt tiefster Schmerz und Einsamkeit. Die will getröstet sein. Aber man kommt da nicht heran solange die Wut und die sog. "bösen" Seiten verdrängt werden. Ach, fühle Dich mal ganz fest von mir in den Arm genommen.
Katarina