Das Tolle am *Opfer-Sein*

Astarte schrieb:
Das ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die wirklich tief in der Scheiße stecken und eben trotz vielfältiger Bemühungen nicht oder nur schwer herauskommen!
Nichts desto trotz ist es ein Fakt, dass es genau so ist - und es ist echten Opfern auch egal, wenn man ihnen das genau so sagt - dass es nichts nutzt, wenn sie andere vollraunzen, wie schlecht es ihnen geht - sondern sie endlich selbst was tun müssen - das wird einfach ignoriert und/oder negativ halluzioniert.
 
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Grüss Euch,

naja das tolle am Opfer sein ist sicher das, das man Aufmerksamkeit erreicht. Man steht ständig im Mittelpunkt, weil man ja ständig am meckern und am jammern ist und so sich die Menschen um einen kümmern.
 
Hi,

ich denke, es gibt 2 Arten von "Opfern"....

Zum einen diejenigen, die etwas Schlimmes durchgemacht haben (Gewalt, Missbrauch,...). Und dann entweder in der Opferrolle bleiben weil der Mut oder die Kraft oder Hilfe fehlt oder sich das irgendwann nicht mehr gefallen lassen (und in dem Moment keine Opfer mehr sind).
Also die, die wirklich Grund zum Jammern hätten aufgrund dessen, was sie schon mitgemacht haben.

Und dann die armen Opfer, denen nichts wirklich schlimmes passiert ist, die aber die Verantwortung für ihr Leben auf andere übertragen und sooo arm sind, weil ja die Umwelt, die Gesellschaft, das Schulsystem, die Familie soooo furchtbar schlimm ist und sie überhaupt nichts dagegen tun können.
Die Jammer-Opfer sozusagen, die eine Ausrede für die eigene Passivität suchen. Denen IST dann allerdings nicht zu helfen, denn die wollen ja kein "Nicht-Opfer" sein - da müsste man ja Verantwortung übernehmen und das eigene Verhalten reflektieren. Netterweise hab ich 2 solcher Exemplare in der Familie und bin froh, wenn ich sie nicht sehe oder höre.
 
So, jetzt muss ich auch noch auf dieses Posting zurück kommen, dass ich gestern nur mehr überflogen habe
Joseph schrieb:
Es ihm einfach nur aufzuzeigen genügt eben nicht.
Oder daß es sich damit beschäftigt.
Es muß diese neuen Rollen oder Optionen lernen, vorgelebt bekommen, nachleben, ausprobieren.
Also ich hab einen konkreten Fall, dass ich seit 3 Monaten in einer AMS-Maßnahme stecke - und hier natürlich unterschiedlichste Positionen besetzt sind. Wir arbeiten auch schon seit 3 Monaten speziell an der Thematik, dass sich die Teilnehmer selbst *am Riemen reissen sollten* um wirklich einen neuen Job zu bekommen, bzw. irgend etwas an der momentanen Situation verändern zu können.

Ich persönlich bin jetzt nicht (mehr) der Typ, der in Problemen und deren Bewältigung feststecken bleiben will - sondern nach Lösungsmöglichkeiten sucht. Und es gibt einige, die unsere Tipps gerne annehmen. Aber dann gibts eben die resistenten Opfer, die mich jetzt nicht wirklich *fertig machen*, aber die mich über die Maßnahme hinaus beschäftigen, weil ich es einfach nicht nachvollziehen kann, wie man sich so massiv dagegen wehrt, etwas zu verändern.

Joseph schrieb:
Und es kann auch ein sehr langer, wenn nicht sogar zu langer Lern-Prozess sein (kann, nicht muß).

Und das kann auch ganz schön frustierend für den "Helfer" sein, wenn der ersehnte Erfolg so lange ausbleibt...
Also mich persönlich frustrierts nicht, wenn ein Opfer nicht von dort weg will, ich beschliesse nur nach einiger Zeit, keine weitere Energien in diese Thematik zu stecken, biete allerdings an, wenn sie mal wirklich was verändern wollen können wir uns gerne wieder weiter unterhalten.

Aus meiner bisherigen Erfahrung habe ich die Überzeugung gewonnen, dass ein Opfer nur dann etwas bewirken - und sich verändern kann - wenn es selbst - aus sich heraus - den Entschluss fasst, dass es reicht - und solange es dem Opfer nicht wirklich dreckig genug geht, kannst als Coach sowieso auch gleich den eigenen Kopf an die Wand klatschen, bis er blutet, nutzt nix.

Joseph schrieb:
Und dann gibt's da natürlich noch den Gedanken, daß das Vorhaben, einem Opfer zu helfen bedeutet, daß man es entmündigt, die Führung übernimmt und ist es nicht genau das, was man eben bekämpfen wollte ?
Dies ist für mich der Unterschied zwischen Retter und Mentor, der Retter entmündigt das Opfer und übernimmt die Verantwortung für das Leben und Sein des Opfers - geht statt ihm zu Behörden, nimmt es an der Hand und führt es über die Strasse - manchmal unabhängig davon, ob das Opfer das will oder nicht.

Der Mentor oder Coach zeigt Wege auf, welche das Opfer selbt gehen kann, wenn es bereit dazu ist.

Joseph schrieb:
Daß ein Opfer auch einmal in die Täterrolle zu schlüpft ?
Ganz klares Nein.
Verkehrter geht's gar nicht.
Aber es passiert sehr oft. Gerne auch heimlich, im kleinen, im versteckten, im unsichtbaren.

Opfer und Täter sind zwei Seiten der gleichen Methode und die Methode an sich ist schlecht, nicht nur die Seite, auf der man dabei steht.
Für mich gibt es nicht nur Opfer und Täter - würde es nur die beiden geben, würde ich dir wahrscheinlich zustimmen.

In meinem WeltBild gibts eben auch noch - neben den zusätzlichen Rettern - die entsprechenden transformierten Positionen von Macher und Muse und Mentor - also die drei problembehafteten Positionen in lösungsfokkusierter Form - und noch einige Zwischenstufen.
 
Shanna1 schrieb:
Hi,

ich denke, es gibt 2 Arten von "Opfern"....

Zum einen diejenigen, die etwas Schlimmes durchgemacht haben (Gewalt, Missbrauch,...). Und dann entweder in der Opferrolle bleiben weil der Mut oder die Kraft oder Hilfe fehlt oder sich das irgendwann nicht mehr gefallen lassen (und in dem Moment keine Opfer mehr sind).
Also die, die wirklich Grund zum Jammern hätten aufgrund dessen, was sie schon mitgemacht haben.

Und dann die armen Opfer, denen nichts wirklich schlimmes passiert ist, die aber die Verantwortung für ihr Leben auf andere übertragen und sooo arm sind, weil ja die Umwelt, die Gesellschaft, das Schulsystem, die Familie soooo furchtbar schlimm ist und sie überhaupt nichts dagegen tun können.
Die Jammer-Opfer sozusagen, die eine Ausrede für die eigene Passivität suchen. Denen IST dann allerdings nicht zu helfen, denn die wollen ja kein "Nicht-Opfer" sein - da müsste man ja Verantwortung übernehmen und das eigene Verhalten reflektieren. Netterweise hab ich 2 solcher Exemplare in der Familie und bin froh, wenn ich sie nicht sehe oder höre.

Hallo Shanna, hallo ChrisTina,

danke Shanna, die Unterscheidung hat hier wirklich gefehlt. Denn unter Opfer versteht jeder etwas anderes. Das was Du, ChrisTina, meinst, sind für mich keine Opfer. Klar, sie jammern, wie schlecht es ihnen geht, hat aber mit dem Begriff Opfer ansich meines Erachtens nichts zu tun. Sie wollen einfach ihre Situation nicht ändern. Und das ist ihr gutes Recht. Man kann ihnen Hilfe anbieten und wenn sie sie nicht annehmen, ihr Problem.

Übrigens, sie können nur solange jammern und Aufmerksamkeit/Fürsorge verlangen, wie jemand da ist, der sie ihnen gibt. Wenn sich jemand von einem Menschen ausnutzen läßt, sich "gezwungen" fühlt, ihm zu helfen, obwohl er weiß, daß nur mit ihm "gespielt" wird, dann hat das sehrwohl auch mit ihm zu tun.

ChrisTina, ich nehme an, Du stehst da ein wenig unter "Erfolgszwang", oder ? Natürlich bist Du bemüht, den Menschen zu helfen. Aber Hilfe ist etwas Uneigennütziges. Das heißt, der Helfer verlangt nichts, nicht mal, daß der derjenige die Hilfe annimmt und schon gar nicht, daß er dankbar dafür ist, daß man ihm helfen will.

Liebe Grüße
Gabi
 
Hallo Astarte,

Astarte schrieb:
Aber manche von diesen "Zu-100-Prozent-Eigenverantwortung"-Leute würden sicher von ihrem hohen Roß heruntersteigen, wenn sie wüßten, wie man sich in einer ausweglosen Situation fühlt.

Es mag selbstgerecht und hart klingen, wenn gesagt wird, dass ein *Opfer* allein verantwortlich ist für die *auswegslose* Situation. Aber meiner Erfahrung nach ist es das nur auf den ersten (entsetzten) Blick. Es ist mir klar, dass ein Mensch in der Opferrolle es als Beleidigung auffasst, wenn er plötzlich der Täter ist und damit *schuldig*... Doch wenn man bereit ist die Sache mit der *absoluten Eigenverantwortung* zu untersuchen, dann stellt man fest, dass sie nichts mit *Schuld*, aber eine Menge mit Freiheit zu tun hat. Freiheit z.B. von Wut, Streit und nachtragenden Verhalten. Denn man muß *den anderen* nicht mehr ändern, besiegen oder sich an ihm rächen. Er ist dann ein *Mitspieler*, der schlicht reagiert und offensichtlich selbst gefangen ist im *Opfer-Täter* Denken. Mir geht es mittlerweile so: irgendjemand *tut mir etwas an* und ich als Gewohnheitsmensch werde sauer, dann fällt mir nach ein paar Sekunden ein, dass ich diese Situation angezogen habe und kann plötzlich grinsen und mir entspannt überlegen, was genau passiert ist. Mir gefällt das besser, denn ich bin nicht mehr den ganzen Tag schlecht gelaunt. Es ist mir egal, ob die Sache mit der Eigenverantwortung *wahr* ist, ich fühle mich damit besser, also ist es für mich wahr.
Dieses *Denken* einen verzweifelten Menschen an den Kopf zu werfen, der damit nichts anfangen kann, ist m.M.n. unhöflich, vielleicht sogar grausam.

Liebe Grüße,

Syndra
 
Zitat ChrisTina
Konkrete Frage an dich - gibt es einen Grund, warum du Menschen, die von der Eigenverantwortung überzeugt sind, als *auf-dem-hohen-Roß sitzend* bewertest?
Ja. Weil ich selbst lange auf diesem hohen Roß saß und meinen armen, MS-kranken Vater damit traktierte, er möge doch bitte - im Sinne der Eigenverantwortung - sich um die "seelischen Ursachen" seiner Krankheit kümmern, eine Familienaufstellung machen und was-weiß-ich. Er hat sich - zu meinem damaligen völligen Unverständnis - "geweigert", all diese Dinge zu tun, aus der "Rolle" des bedürftigen Schwerkranken herauszukommen (mit der er uns wahnsinnig nervte, weil er gleichzeitig so eine tyrannische Art hatte). Heute weiß ich: er hat es einfach nicht gekonnt, weil es unendlich schwer ist, sich gegen die eigene Hirnchemie zu stellen.
Ich glaube schon, daß wir in gesundem Zustand und im Vollbesitz unserer körperlichen und vor allem geistig-seelischen Kräfte eine Menge reißen können und auch Dinge in unserem Leben verändern. Insofern haben wir natürlich Eigenverantwortung. Aber ich glaube nicht, daß wir für alles verantwortlich sind, was uns zustößt. Und ich werde nie wieder mich hinstellen und einem physisch oder psychisch Angeschlagenen sagen, er sei für seinen Zustand selbst verantwortlich.

Grüße, Astarte
 
Gabi schrieb:
ChrisTina, ich nehme an, Du stehst da ein wenig unter "Erfolgszwang", oder ? Natürlich bist Du bemüht, den Menschen zu helfen. Aber Hilfe ist etwas Uneigennütziges. Das heißt, der Helfer verlangt nichts, nicht mal, daß der derjenige die Hilfe annimmt und schon gar nicht, daß er dankbar dafür ist, daß man ihm helfen will.
Ich steh weder unter Erfolgszwang noch erwarte ich Dankbarkeit für etwas - ich versuche mit diesem Thread hier etwas besser verstehen zu lernen, was Menschen dazu bringt, sich selbst davon ab zu halten, etwas an ihrer momentan gegebenen Situation verändern zu können.
 
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ChrisTina schrieb:
Ich steh weder unter Erfolgszwang noch erwarte ich Dankbarkeit für etwas - ich versuche mit diesem Thread hier etwas besser verstehen zu lernen, was Menschen dazu bringt, sich selbst davon ab zu halten, etwas an ihrer momentan gegebenen Situation verändern zu können.

Hallo ChrisTina,

die meisten Dinge, weil seelisch bedingt, können wir mit dem Verstand nun mal nicht begreifen. Du weißt ja von diesen Menschen weder ihre früheren Leben, noch ihre daraus resultierenden Emotionen und Glaubenssätze. Es ist sicher nicht so, daß sie aus Freude nicht weiter gehen wollen, sondern es hindert sie innerlich etwas daran. Erst wenn sie erkannt haben, was das ist, können sie weiter gehen. Ob wir das verstehen oder nicht, spielt keine Rolle. Es kommt darauf an, den Menschen so sein zu lassen, wie er es will. Nicht gleichgültig zu sein, aber wenn er keine Hilfe annehmen will, dann ist das seine Entscheidung. Und warum er keine Hilfe annimmt, kann durchaus auch dazu dienen, eine Erfahrung den Beteiligten zu vermitteln. ;)

Liebe Grüße
Gabi
 
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