Hallo Jake,
Gewissen ist das Bewusstwerden von Ordnung. Wir haben ein "gutes" Gewissen, wenn die Dinge in Ordnung sind - bzw. genauer: wenn wir mit den Dingen in "guter" Ordnung sind, und ein "schlechtes" Gewissen, wenn es nicht so ist. Wenn wir selbst wissend schuldig geworden sind, wissen wir in der Regel auch ganz gut, an wem wir wodurch schuldig geworden sind - dann plagt uns ein schlechtes Gewissen, bis die Schuld ausgeglichen ist.
Es gibt auch ein systemisches Gewissen, es gibt Übernahme fremder Schuld(en) im System, dann drückt das Gewissen, ohne dass wir spüren, worum es eigentlich geht - da kann die systemische Arbeit sowohl Einsicht als auch Angebote bringen, wie solche übernommene Schuld mit Achtung und Eintreten in die eigene Verantwortung zurückgegeben bzw. ausgeglichen werden kann.
Dem kann ich aus ganzem Herzen zustimmen.
Ich denke, hier geht es den meisten um das Gefühl der Schuld, ohne tatsächlich schuldig zu sein. Da bin ich eben auch am sortieren. Musste ich mich meinen Eltern gegenüber schuldig fühlen, weil ich andere Dinge für mich anstrebte als sie für mich für gut befanden? Heute denke ich "nein", aber damals haben sie mir vorgemacht, wie sie unter meinem "schlechten Benehmen" leiden, wie undankbar mein selbstsüchtiges Verhalten sei etc. - ich fühlte mich schuldig. Ich habe gemacht, wonach mir war und hatte dabei ein schlechtes Gewissen, weil ich wusste, dass meine Eltern es nicht gutheißen würden. Das hat auch mir wieder die Freude genommen. Ein Teufelskreis und ein Verhaltensmuster, das schwer abzulegen ist.
Ich kann mich auch ehrlich schuldig fühlen, wenn ich durch mein Verhalten etwas bewirkt habe, was ich nicht hätte tun sollen. Es ist aber meine Entscheidung und ich kann damit umgehen. Dann kann ich auch um Verzeihung bitten und sagen, dass mir etwas wirklich leid tut. Früher habe ich gesagt, es tut mir leid, weil es zu dem Spiel dazu gehörte und ich dadurch wieder meine Ruhe hatte. Es war aber in mir selbst noch lange nicht in Ordnung.
Das habe ich jetzt aufgearbeitet. Ich weiß, dass meine Schuldgefühle von damals Gründe hatten und dass ich nicht schuldig war.
Mein Psychologe meint, ich könnte mich schlecht an Regeln halten, weil es keine Konkreten Vorgaben gab. Strenge Erziehung heißt nicht gleich klare Regeln. Ich hatte immer Probleme mit Ordnung. Regeln übertrete ich bis heute ganz bewusst, wenn es möglich ist. Ich schnalle mich im Auto nicht an, verzögere Rechnungen, komme zu spät, kleide mich manchmal unpassend, ziehe Schlumperluck oder Gala an, ganz wie mir ist. Ich lasse meine Haustür unverschlossen und da gäbe es noch vieles. Ich weiß nicht wirklich warum, ich mache es einfach, weil ich es will. Aber auch hier schaffe ich noch Ordnung.
Je mehr ich in meinem Leben sortiert kriege, an Lebensbereichen, desto mehr Ordnung ich schaffe, in meinem Denken und in meinem Tun, desto selbstsicherer werde ich gegenüber den Forderungen anderer, die ich nicht erfüllen will. Es ist toll.
Viele Grüße
Andrea