Das Leib-Seele-Problem

Mit der Religiösität ist es fast wie mit der Musikalität.
Es ist eine innere Gestimmtheit.
Dort, wo der musikalische Mensch eine wunderschöne Melodie hört, vernimmt der amusikalische nur Geräusche.
Dort nun, wo der amusikalische den musikalischen überzeugen will, daß die Schönheit dieser Musik völliger Blödsinn ist, weil sie nur in seiner Einbildung existiert, dort wird jeder Dialog albern.

Die Balance wieder zu finden, zwischen der Scylla eines blauen Dunstes von Mystik und der Charybdis eines sterilen Rationalismus ist die große Herausforderung unserer Zeit.

MIt dem ersten Schluck aus dem Becher der Wissenschaft
wird man Atheist.
Am Grunde des Bechers aber...wartet Gott.
(Werner Heisenberg)
 
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@Joey:
Ich hab mit deinem Modell ein paar Probleme.
1. Du setzt voraus, dass es irgendwelche, wenn auch schwachen Wechselwirkungen zwischen Seele und Körper gibt. Dann wäre das Immaterielle gar nicht so immateriell - und ließe sich sicher auch irgendwie entdecken (außer vielleicht man verschiebt es in das Reich der Quarks und Co).
2. Wenn die Seele gezielt in Zufallsprozesse im Gehirn eingreift, müsste sie ja besser sein als ein noch nicht erfundener Quantencomputer, oder?

(vl. lässt sich das Problem ja wirklich auf der Quantenebene lösen... und interessanterweise könnte man dann sagen, dass Menschen, die Geister sehen (o.ä.) dies aufgrund von Systemsteuerungen ihrer Seele tun...)

3. Nach diesem Modell ist jedes Lebewesen nur eine Marionette, eine Figur in einem Computerspiel, von der Seele gesteuert - demnach sind wir sehr unreal, noch unrealer als das Ich im Buddhismus.

Wenn es so wäre, könnte man es nicht ändern. Aber ich finde, mit diesem Modell erkauft man sich ein ewiges Leben, indem man die ganze Welt auf ein göttliches Computerspiel reduziert. Kommt mir ein wenig vor wie der Gegenpool zum wissenschaftlichen Reduktionismus.

Aber immerhin: Unwahrscheinlicher als dieser erscheint es mir ad hoc nicht.

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Reisender schrieb:
Die Balance wieder zu finden, zwischen der Scylla eines blauen Dunstes von Mystik und der Charybdis eines sterilen Rationalismus ist die große Herausforderung unserer Zeit.
Ich dachte in letzter Zeit häufiger, dass wir auf der von Nietzsche prophezeiten Schwelle zwischen Nihilismus und Übermensch stehen (wobei ich Übermensch durch "spirituell weiterentwickelter Mensch" ersetzen möchte).
Die alte Religiosität lässt sich durch die Wissenschaft nicht mehr halten, es entsteht ein Vakuum, aus dem eine weiterentwickelte Spiritualität entsteht. (Gilt natürlich nur für den Westen)

Die Analogie mit der Musik gefällt mir auch.

LG von Sansara
 
Noch ein Wort zu den Wissenslücken, die angeblich immer kleiner werden.
Wissenslücken sind nicht an sich, sie sind kein Haufen den wir abarbeiten und irgendwann geschafft haben.
Wissenslücken entstehen erst durch Fragen, die wir stellen, und nie gab es so viele Fragen wie in unsrer dynamischen Zeit, und jede Antwort enthält bereits die nächsten Fragen. Zu glauben, daß wir irgendwann keine Fragen mehr hätten, hieße, an die Grenzen des Denkens gekommen zu sein.
Was für eine absurde Idee.
 
1. Du setzt voraus, dass es irgendwelche, wenn auch schwachen Wechselwirkungen zwischen Seele und Körper gibt. Dann wäre das Immaterielle gar nicht so immateriell - und ließe sich sicher auch irgendwie entdecken (außer vielleicht man verschiebt es in das Reich der Quarks und Co).

Guter Punkt. Fragt sich, in wieweit das "Immaterielle" entdeckt werden will... das ist aber nur ein naives Ausweichargument.

LeBaron hat ja schon angemerkt, dass mein Modell ein "Lückenbüßergott" ist, und damit hat er Recht. Wissenslücken neigen dazu, sich zu schließen, und die Messapperaturen werden auch immer besser.

Es gibt jetzt einige Möglichkeiten:
  • Das "Immaterielle" kann auch stark eingreifen, tut es im Normalfall aber einfach nicht... aus welchen Gründen auch immer
  • Es hat gar nicht nötig, stark einzugreifen, weil es alles durch das schwache Eingreifen jenseits aller Messmöglichkeiten alles erreicht, was es "will".
  • Die gesammte Materie ist irgendwie "beseelt". Bei z.B. einem Stein, der zu Boden fällt, können wir er nur prinzipiel nicht merken, weil die "Willensentscheidung des Immateriellen" höchstens ein paar Nanometer ausmachen... wenn kein Wunder passiert. Das würde dem Modell, welches ich vor kurzem lange mit okidoki diskutiert habe, nahe kommen.

Ganz ausgereift sind meine Vorstellungen da aber wirklich nicht. Dennoch will ich mich nicht davon lösen.

2. Wenn die Seele gezielt in Zufallsprozesse im Gehirn eingreift, müsste sie ja besser sein als ein noch nicht erfundener Quantencomputer, oder?

Yup. Ich glaube aber, das passiert automatisch; sie muss da nicht lernen, damit umzugehen.

(vl. lässt sich das Problem ja wirklich auf der Quantenebene lösen... und interessanterweise könnte man dann sagen, dass Menschen, die Geister sehen (o.ä.) dies aufgrund von Systemsteuerungen ihrer Seele tun...)

Ja, vielleicht.

Ich tue mich aber sehr schwer daran, die QM in meine Vorstellung mit einzubeziehen. Sie wird so oft falsch zitiert und missbraucht als "Beweis" für solche Modelle, was sie nicht ist. Ich will von mir behaupten, dass ich die QM wesentlich besser verstanden habe, als die meisten anderen User hier. Und gerade deswegen weiß ich, dass ich sie im Prinzip auch nicht richtig durchdrungen habe. Darum behandel ich sie in dem Punkt eher mit größter Vorsicht... oder am besten gar nicht ;)

3. Nach diesem Modell ist jedes Lebewesen nur eine Marionette, eine Figur in einem Computerspiel, von der Seele gesteuert - demnach sind wir sehr unreal, noch unrealer als das Ich im Buddhismus.

Es kommt drauf an, wieviel Du der Seele überträgst und wieviel von unserem Bewusstsein, Handeln und Fühlen den Ursprung doch in unserem Gehirn hat. Ich glaube zwar, dass der größte Teil unseres Bewusstseins in unserem Gehirn stattfindet. Aber dennoch sehe ich die Seele und den Menschen als eine einzige Person; nicht als Spieler und Marionette, sondern als Spieler in einem "VR-Anzug". Und solange das Spiel läuft, merkt der Spieler den Unterschied nicht und weiß nichts vom Spiel.

Die Realität, wie wir sie erleben, wäre damit eingebettet in eine übergeordnete Realität. Es spricht aber nichts dagegen, sie weiter "Realität" zu nennen. Es erinnert mich ein wenig an das Hölengleichnis von Platon. Wir erkennen nur die Schatten und leben mit und in ihnen. Es spricht nichts dagegen, das auch weiter zu tun, selbst, wenn man sich wie ich zusammenspinnt, wie es "außerhalb" aussehen könnte.

Wenn es so wäre, könnte man es nicht ändern. Aber ich finde, mit diesem Modell erkauft man sich ein ewiges Leben, indem man die ganze Welt auf ein göttliches Computerspiel reduziert.

Ich kann hier meine wirklichen Motive nur schwer einschätzen... aber möglicherweise habe ich genau deswegen dieses Modell entwickelt, um die Möglichkeit eines "ewigen Lebens" zu erkaufen.

Kommt mir ein wenig vor wie der Gegenpool zum wissenschaftlichen Reduktionismus.

Den Vergleich verstehe ich nicht.

Aber immerhin: Unwahrscheinlicher als dieser erscheint es mir ad hoc nicht.

Ich hoffe, es ist zumindest ein interessanter Gedankenansatz.

Viele Grüße
Joey
 
@Joey:
Ich hab mit deinem Modell ein paar Probleme.
1. Du setzt voraus, dass es irgendwelche, wenn auch schwachen Wechselwirkungen zwischen Seele und Körper gibt. Dann wäre das Immaterielle gar nicht so immateriell - und ließe sich sicher auch irgendwie entdecken (außer vielleicht man verschiebt es in das Reich der Quarks und Co).
2.

Aber die schöpferische Befähigung, die das Immaterielle sucht, ist doch das Immaterielle. Wenn Du das Immaterielle suchst, dann suchst du Dich selbst in Deinem Wesenskern. WORT-LOGOS-GOTT, das bist DU.
Tat twam asi.
Dich selbst zu suchen, oder Dich selbst mit Geräten messen zu wollen, ist das gleiche, als wolltest Du Dich in Deiner Körperlichkeit an den Haaren aus dem Wasser ziehen.

Die Wirkung geht nach meiner jetzigen Sichtweise nur in eine Richtung.
Die Bewußtheit durchströmt im Menschen das organische Leben, wirkt dabei prägend und umgestaltend, und gibt dem Leben eine neue, eine schöpferische Qualität.
 
Danke für eure weiteren Antworten. Waren einige Anregungen dabei.

Ich stehe leider sehr unter Stress, aber ich möchte auf einige Aspekte noch mal genauer eingehen.

Für mich ist das Thema noch nicht durch.

Ein Kernproblem für mich ist auf jeden Fall die Diskrepanz zwischen Erfahungen und Intellekt:
ich kann Gott erfahren, aber wie er (nur ein Allgemeinplatz, hier könnte auch Weltgeist/Seele oder was auch immer stehen) beschaffen ist und wie er mit der Physe interagiert - das scheint mir schwierig zu verstehen.

@Joey:
Mir ist noch eingefallen, dass es ja so Untersuchungen gibt, nach denen wir erst zum Glas Wasser greifen und danach erst Reaktionen im Hirn nachweisbar sind, die auf den Wunsch hindeuten.

Das passt zu deiner Theorie, oder?

LG von Sansara
 
@Joey:
Mir ist noch eingefallen, dass es ja so Untersuchungen gibt, nach denen wir erst zum Glas Wasser greifen und danach erst Reaktionen im Hirn nachweisbar sind, die auf den Wunsch hindeuten.

Das passt zu deiner Theorie, oder?

Naja, was heißt "passen"? Von "Theorie" würde ich bei meinem Modell auch nicht reden, sondern nur von grober Vorstellung. Insofern... man kann dieses Ergebnis passend dazu machen. Man kann vieles oder vielleicht gar alles, wenn es mal weiter ausgereift wäre, im Rahmen dieses Modells beschreiben. Das sagt leider herzlich wenig über den Wahrheitsgehalt aus.

Viele Grüße
Joey
 
Naja, was heißt "passen"? Von "Theorie" würde ich bei meinem Modell auch nicht reden, sondern nur von grober Vorstellung. Insofern... man kann dieses Ergebnis passend dazu machen. Man kann vieles oder vielleicht gar alles, wenn es mal weiter ausgereift wäre, im Rahmen dieses Modells beschreiben. Das sagt leider herzlich wenig über den Wahrheitsgehalt aus.

Viele Grüße
Joey

Ach, Joey.

Soviel ich weiß, ist auch die Schwerkraft nur ein Modell. Trotzdem sah ich nie einen Apfel nach oben fliegen. Unsere Erfahrung ist in diesem Fall aber so allgegenwärtig, dass wir das Modell als wahr empfinden (ich weiß, es ist mittlerweile QM etwas angepasst).

Dein wissenschaftliches Modell und die spirituellen Erfahrungen vieler User hier und überhaupt Menschen weltweit bilden genau so eine Erfahrung-Modell-Einheit.

Nur dass wir öfter Äpfel von Bäumen fallen sehen als Engel durch die Gegend laufen...
LG von Sansara
 
sansara
Nur dass wir öfter Äpfel von Bäumen fallen sehen als Engel durch die Gegend laufen...
das hängt davon ab was für Fähigkeiten wir entwickeln und wo wir unsere Aufmerksamkeit hinlenken.
Mir ist noch eingefallen, dass es ja so Untersuchungen gibt, nach denen wir erst zum Glas Wasser greifen und danach erst Reaktionen im Hirn nachweisbar sind, die auf den Wunsch hindeuten.
ja immer wieder gern zitiert - die Untersuchungen von Libet - allerdings waren die andersrum - die Aktion einer Tat ist im Hirn messbar bevor wir bewusst den Entschluss dazu fassen.
Ein Kernproblem für mich ist auf jeden Fall die Diskrepanz zwischen Erfahungen und Intellekt:
ganz genau - Erfahrung ist das Hier und Jetzt - der Intellekt betrachtet Vergangenes. Erfahrung ist Verbundenheit, Intellekt ist Trennung.

LGInti
 
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Dieses Thema wollte ich gerade als neues starten und sehe, dass es diese Diskussion hier bereits auch schon gab.


Hier einmal kurz für alle, die sich einlesen möchten eine Zusammenfassung aus Wiki:


Die Diskussion ist praktisch so alt wie die Menscheit selbst.

Ich kam zu der Frage auf Grund der Überlegungen, ob Gedanken nun Materie wären oder nicht.

Mich würde einmal interessieren, wie sich derartige Erörterungen und Erkenntnisse in euch entwickelt haben. Seht ihr in der Frage Geist-Materie einiges/vieles/alles anders als zu Beginn "der Suche"? Welche Erkenntnisse haben sich verfestigt, vertieft oder auch ggf. widerlegt und wieso?

Den Faden habe ich noch nicht ganz gelesen, werde ich aber bei Gelegenheit tun.
 
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