Hallo,
es ist bei mir zwar schon längere Zeit her (ca. 8-9 Jahre), dass ich mit dem inneren Kind gearbeitet habe, aber noch nicht "zu" lange.
Zunächst zur Literatur:
Das Buch von
John Bradshaw (Das Kind in uns - 380 S.) fand ich zum "Lesen" ganz interessant. Und auch die Tests für die 6 Phasen der Kindheit, um zu testen, wie tief das Kind verletzt ist, fand ich erhellend. Aber die "Praxis-Schritte" in diesem Buch empfand ich als zu schematisch und kurz. Die Praxis wirkte auf mich ein wenig "amerikanisch" und auch traditionel-christlich: ein paar Regeln, Stichpunkte, kurze Texte und einen christlichen Epilog etc..
Das Buch "Hand in Hand mit dem inneren Kind" (180 S.) von
G. Bunz-Schlösser ist sehr verschieden. Hier geht es vor allem um Praxis und zwar um das Erlernen einer Dialog-Praxis. Mir hat hier nicht gefallen, dass lediglich "eine" Methode vorgestellt wird. Aber wem diese Methode liegt, der wird sicherlich Gewinn aus diesem Buch ziehen.
Die Methode:
Zunächst Entspannung, dann Imagination von positiven Kindheitserfahrungen und schließlich Einübung des Rollentausches zwischen dem Erwachsenen und dem Kind in diesen Imaginationen. Übungszeit: täglich 10-30 Minuten.
Am besten hat mir damals das Buch sowie das Arbeitsbuch von
Chopich und Paul gefallen. Das Arbeitsbuch baut auf dem Buch auf und beinhaltet sowohl eigenständige Übungen als auch allmählichen Aufbau einer tiefen "Inner-Bonding"-Methode. Das Buch stellt mit vielen Schautafeln und Hilfekapiteln die Arbeit und Theorie mit dem inneren Kind vor.
Problematisch kann im Arbeitsbuch sein, dass die Autorinnen immer wieder neben dem "Höheren Selbst" auch auf eine "Höhere Macht" referieren. Für Atheisten kann dies wohl zunächst ein Problem darstellen - man muss dann zumindest eine Entsprechung finden oder die Übung auslassen.
Zu meinen Erfahrungen und meiner Sichtweise der Praxis:
Meine Erfahrungen mit der Praxis sind vielfältig. Als positiv habe ich die "Erfahrungen" und den "Kontakt" mit dem inneren Kind empfunden.
Schade fand ich, dass die Bücher vor allem auf das "Kind" eingehen. da meiner Meinung nach das Problem nicht alleine die Kindeserfahrung ausmacht, sondern das "gegenwärtige Verhältnis" zwischen Kind und Erwachsenem.
Die Autoren berichten natürlich alle über das "Problem" des Beginns, aber letztlich wird vor allem eine Methode dargestellt, die man anwendet, nachdem man sie erlernt hat. Es wird also "methodisch" nicht auf das Anfangsproblem eingegangen.
Mir persönlich ist dieses Anfangsproblem nicht zum Verhängnis geworden, aber ich kenne doch einige Personen, die hier scheiterten. Sie haben sich das Buch durchgelesen, haben 1-2 Tage viel geweint, wahren gerührt, bekundeten, wie tief sie dies berührt hat und anschließend haben sie das Buch zur Seite gelegt und haben weiter gelebt wie zuvor. Manche haben sich zumindest unter anderem aufgrund dieser Erfahrung in psychotherapeutische Behandlung begeben; insofern hat ihnen das Buch zumindest diese Erkenntnis und diesen Schritt nahe gelegt, wenn es auch nicht zur langfristigen Anwengund kam.
Das Buch hat für diese Personen kurzzeitig den "Erwachsenen" ersetzt/kompensiert, indem es (das Buch) mit dem Kind Kontakt aufgenommen hatte. Anschließend war der "wirkliche Erwachsene" jedoch nicht fähig und bereit dazu, diese "therapeutische" Aufgabe selbst zu übernehmen.
Das Phänomen ist in etwa folgendes: zumeist taucht innerlich eine Stimme auf, die einerseits aus der Kindheit verletzt ist und weint. Andererseits auch auf den Erwachsenen wütend ist, weil er sich nicht um dieses gekümmert hat und das nun an den Erwachsenen seine unterdrückten Bedürfnisse heranträgt.
Was macht ein Mensch, der mit der Alltagsbewältigung viele Probleme hat, der sich und andere Menschen nicht regulieren kann und von anderen bemutternden Menschen abhängig ist ? Für ihn ist diese Aufgabe meist viel zu groß. Der Erwachsene hat das Kind so sehr verdrängt und alleine gelassen, hat nur noch an das Arbeiten und die Erwachsenenwelt gedacht und seine Einsamkeit, Schmerzen aus der Kindheit und inneren Probleme etc. durch Süchte (Fernsehen, Rauchen, Sex, etc. ) verdrängt.
Es ist also nicht nur das Kind, das hier therapiert wird, sondern es ist ebenso der Erwachsene, der lernen muss, sich selbst (das Kind als ein eigener Persönlichkeitsanteil) gegenüber liebevoll (4. Chakra) zu handeln, liebevoll zu sprechen und auch zu manchen Bedürfnissen des Kindes "Nein" zu sagen und dieses "Nein" begründen zu können (5. Chakra) und auch viele kindliche Bedürfnisse, die ihm zunächst "unnütz" erscheinen, zuzulassen, damit das Kind sich entwickelt und diese Bedürfnisse irgendwann von selbst loslässt.
Was mich persönlich zu Beginn an der Methode gestört hat, das war, dass ich mich selbst in - je nach Methode - 2,3,4,5,6 Personen aufspaltete (im Extremfall: inneres Kind, erwachsenes Kind, liebevoller Erwachsener, liebloser Erwachsener, höheres Selbst, höhere Macht).
Einerseits ist dies spannend, weil es die Perspektivenübernahmefähigkeit schult, andererseits ist es auch nicht immer leicht, da es doch eine Dissoziation darstellt. Letztlich, so jedenfalls meine These, sind dies alles (mehr oder weniger verdrängte) Ich-Anteile, die durch den Dialog wieder integriert werden (sollten). Die Frage ist dann, ob man dies zunächst positiv als "Integration" erlebt oder störend als "Dissoziation" und wohin es schließlich führt.
Meditation auf den Atem (inneres Kind) sowie Chakra-Arbeit (untere 1-3 Chakren für das Kind, obere Chakren 4-7) können diese Praxis auf eine wertvolle Art und Weise stützen - vor allem das Arbeitsbuch von Chopich und Paul bezieht die Chakren mit in die Arbeit ein.
Aus meiner Sicht ist dies ein fruchtbarer, aber anspruchsvoller auto-psychotherapeutischer Weg und zugleich eine wundervolle und wertvolle Vorbereitung für einen spirituellen Weg, den man dann, wenn man diese Kindheits-Probleme gelöst hat, weitaus unproblematischer und konzentrierter verfolgen kann.
Liebe Grüße
Energeia