Hallo Fiona
Schön, dass du das noch einmal aufgreifst und zusammenfasst. Vielleicht wird "Anhaftung" bisserl falsch verstanden, ich habe ewig gebraucht, ehe ich kapierte, worum es bei der Anhaftung (wird meist im buddhistischen Kontext genannt) geht. Anhaften meint nicht, dass man nicht liebt, nicht fühlt, nicht trauert. Es geht vielmehr darum, dass man nicht an diesen Emotionen klebt. Es bedeutet nicht, sie wegzumachen oder ähnliches, sondern darum, weder das eine noch das andere zu "kultivieren".
Was das Reizwort "Selbstmitleid" als Synonym für Trauer betrifft, so ist es nicht völlig abwegig. Das stimmt schon bis zu einem gewissen Grade, zumindest für mich. Trauer ist durchaus nicht nur "liebevoll". Ich war damals sehr erschrocken und verwirrt, als ich merkte, dass ich eine Stinkwut auf den Verstorbenen habe. Wütend war ich, weil der sich aus dem Staub gemacht hatte und ich da saß und völlig durcheinander und untröstlich war. Dann wieder weinte ich, weil ich wusste, ich kann ihn nie wieder streicheln, im Arm halten, ihn nie wieder lächeln sehen. Im Grunde genommen - so blöde das klingt - ich bedauerte mich. Ihn weniger, weil ich davon ausging, dass es ihm gut geht, da, wo er ist. Sozusagen vor Schreck über meine eigenen Emotionen habe ich die Trauer dann niemandem mehr gezeigt; ich traute mich kaum, jemanden zu erzählen, dass ich wütend bin und getröstet werden wollte ich auch nicht.
Erst viele Jahre später merkte ich, dass es auch eine andere Möglichkeit gegeben hätte, mit mir und dem Verlustschmerz umzugehen, nämlich nicht mitleidig, sondern mitfühlend und liebevoll. Den Verlust würdigend und nicht abwertend gegenüber meinen Emotionen. Sie bleiben sowieso nicht die immer gleichen, wozu also drüberfahren oder sie "eliminieren"?
Alles Erkennen nützt dir gar nichts, wenn etwas geschieht, dass dir erst mal die Sprache verschlägt, den Unterkiefer nach unten fallen lässt. Das ist der "Lackmustest" dessen, was auf der mentalen Ebene verstanden wurde. Erst das tatsächliche Erleben, das begleitende Empfinden zeigt, wie es um das Verstehen im Sinne von Erkenntnis bestellt ist.
Komisch, mit um die dreißig war ich viel schlauer.
Liebe Grüße
Rita