Ich möchte darauf hinweisen, dass der Schöpfungsmythos, gemäss welchem alles aus irgendeinem Zentrum entstanden ist, nicht von allen Kulturen geteilt wird. Beispielsweise im Vajrayana ("tibetischer Buddhismus") Atiyoga, ist der Usprung keineswegs auf irgendeine Weise mit einem Zentrum gleichzusetzen. Ganz im Gegenteil ist er gerade ohne solche Qualitäten.
Das Postulieren von Zentren ist insofern problematisch, als wo ein Zentrum ist, somit auch immer etwas ist, was nicht im Zentrum steht, sondern an der Peripherie. Üblicherweise ergiesst sich aus diesem Zentrum dann eine Intelligenz, welche sich in sämtliche Atome immaniert. Diese Atome müssen dann in einem langwierigen Evolutionsprozess zurück zum Zentrum gelangen. Ein Zyklus ist dann vollendet.
In diesem Denken ist bereits der Same einer Dualität angesetzt, und es ist nicht mehr länger möglich, alle Dinge als wirklich gleichwertig zu betrachten. Wir haben uns extrem daran gewöhnt, eine Astrologie zu praktizieren, welcher immer eine subjektive Perspektive zugrundeliegt - normalerweise die eines Zeitpunkts und eines Ortes auf der Erde. Dieser Bezugsrahmen ist jedoch beliebig gewählt. Wir können genausogut eine Sonnenzentrierte Astrologie herbeinehmen, eine Uranus-basierte und so weiter. Dass wir das in der Regel nicht tun, zeigt deutlich auf, wie sehr wir mit unserer eigenen subjektiven Sichtweise auf die Welt identifiziert sind. Wo ein Subjekt ist, da sind notwendigerweise auch Objekte. Und diese sind immer "Andere".
Im genannten Atiyoga ist aber gerade diese Sichtweise der Ursprung des Sündenfalls, wenn man das so überhaupt benennen will. Der Vergleich ist mit der Sonne, die auch scheint, wenn sie von Wolken verdeckt ist. Es ist nicht nötig, zum Sonnenschein zurückzukehren, indem wir uns anstrengen (etwa Raketen bauen), sondern einfach nur zu erkennen, dass die Sonne eben auch dann scheint, wenn sie von Wolken verschleiert ist. Der Vergleich hinkt insofern, als dass die Sonne hier ebenfalls als "Zentrum des Lichts" verstanden werden könnte, aber das ist eben nicht gemeint. Ein anderer Vergleich mit dem Himmel ist klarer: So wie der Himmel durch die vorbeiziehenden Wolken nicht gestört wird, so wird auch die All-Basis nicht gestört durch die darin erscheinenden Phänomene. Ein Zentrum gibt es hier nirgednwo.
Darin besteht ein bedeutender Unterschied zwischen den meisten westlichen esoterischen Strömungen (einschliesslich vieler griechischer Philosophen wie z.B. Plotin) und den wirklich non-dualen Schulen des Ostens.