Chymische Hochzeit: Christiani Rosenkreutz. Anno 1459

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hier ein Ausschnitt aus der chymischen Hochzeit:

Die Jungfrau fängt an zu sprechen: "Liebe Herren, ich habe einen großen Zank mit meiner Schwester; In unserem Gemach haben wir einen Adler, den wir mit großem Fleiß nähren, da jede ihm die Liebste sein will, und deswegen haben wir machen Zank. Diese Tage beschlossen wir, miteinander zu ihm zu gehen, und gegen welche von uns er sich am freundlichsten erzeigen würde, der sollte er gehören. Dies geschah, und ich trug wie gewöhnlich in meiner Hand einen Lorbeerzweig, meine Schwester aber hatte keinen. Wie er uns nun beide sieht, gibt er von Stund an meiner Schwester einen Zweig, den er im Schnabel hat und begehrt stattdessen den meinen, welchen ich ihm auch gebe. Nun meint jede, er habe sie am liebsten. Wie habe ich mich nun zu verhalten?"

Die Art wie die Jungfrau ihr Anliegen so züchtig vorbrachte, gefiel uns allen wohl, und jeder hätte auch gerne die Lösung gehört; weil aber alle auf mich blickten und erwarteten, daß ich den Anfang mache, war mein Gemüt dermaßen verwirrt, daß ich nichts anderes zu tun wußte, als eine Gegenfrage an diese Stelle zu setzen. Desahalb sprach ich:"Gnädiges Fräulein, Euer Gnaden Frage wäre leicht zu beantworten, wenn mich nicht eines bekümmerte. Ich hatte zwei Gesellen, die mich beide über alle Maßen liebten; weil sie nun zweifelten, welcher mir am liebsten wäre, beschlossen sie, unversehens zu mir zu laufen, und welchen von beiden ich alsdann auffangen würde, der wäre der Rechte. Das taten sie nun, doch vermochte der eine dem anderen nicht zu folgen, blieb deswegen zurück und weinte, den anderen empfing ich mit Verwunderung. als sie mir nun danach den Handel aufdeckten, wußte ich keine Lösung, habe dies also bis jetzt anstehen lassen, um vielleicht hier einen guten Rat zu finden." Die Jungfrau wunderte sich hierüber und merkte wohl, worum es mir zu tun wäre, antwortete deswegen:"Wohlan, so läßt uns beide quitt sein", und sie begehrte hierauf von einem der anderen die Lösung. Ich hätte sie ganz schön gewitzt gemacht, fing deswegen dieser auch an."In meiner Stadt wurde neulich eine Jungfrau zum Tode verurteilt. Weil sie aber dem Richter leid tat, ließ er ausrufen, wenn es jemand gäbe der die Jungfrau zu erfechten begehrte, so stünde ihm das frei. Nun hatte sie zwei Liebhaber, der eine machte sich gleich bereit und kam auf den Platz, um seien Widerpart zu erwarten. Dann präsentierte sich der andere auch. Obwohl er aber zu spät gekommen war, gedachte er dennoch zu kämpfen und sich willentlich besiegen zu lassen, damit die Jungfrau am Leben bliebe, was dann auch geschah. Daraufhin wollte sie ein jeder haben. Nun lehrt mich, Ihr Herren, wem gebührt sie?"

Die Jungfrau konnte sich nicht mehr zurückhalten und sprach:"Ich meinte, viel zu erfahren, und nun komm ich selbst ins Netz, ich möchte hören, ob noch einer etwas vorzubringen hat." "Jawohl", antwortete der dritte:"Ein größeres Abenteuer ist noch nie erzählt worden, als es mir selbst begegnet ist: In meiner Jugend liebte ich eine ehrbare Jungfrau, und damit nun diese meine Liebe zum erwünschten Ziel kommen konnte, mußte ich mich eines alten Mütterleins bedienen, das mich schließlich zu ihr brachte. Nun begab es sich, daß eben, als wir drei alleine beisammensaßen, die Brüder der Jungfrau auftauchten. Sie erzürnten so sehr, daß sie mir das Leben nehmen wollten. Weil ich aber so inständig flehte, mußte ich endlich schwören, jede ein Jahr lang als mein ehelich Weib zu halten. Nun sagt mir, Ihr Herren, sollte ich die Alte oder die Junge als erste nehmen?" Über dieses Rätsel lachten wir alle sehr, und wiewohl etliche miteinander darüber flüsterten, so wollte doch keiner den Ausschlag geben.

Darauf fing der vierte an: »In einer Stadt wohnte eine ehrbare Frau von Adel, die von manchem lieb gehabt, besonders aber von einem jungen Edelmann, der ihr arg zusetzte. Sie gab ihm schließlich folgenden Bescheid: Wenn er sie im kalten Winter in einen schönen grünen Rosengarten führen würde, so wolle sie ihm zu Willen sein, wenn nicht, solle er sich nicht mehr blicken lassen. Der Edelmann zog hin in alle Lande, um einen Mann zu finden, der dies bewerkstelligen könnte, bis er endlich ein altes Männlein traf, das ihm dies zu tun versprach, wenn er ihm die Hälfte seiner Güter verspreche. Dieser willigte ein, und das Männlein führte es aus. Dann rief der Edelmann die besagte Frau zu sich in seinen Garten, worin sie wider Erwarten alles grün, anmutig und warm vorfand. Dabei erinnerte sie sich ihres Versprechens und wünschte, nur einmal noch zu ihrem Herrn zu gehen, dem sie dann ihr Leid unter Seufzen und Tränen klagte. Weil dieser aber ihre Treue zu tiefst spürte, schickte er sie wieder zu ihrem Liebhaber, der sie so teuer erworben, um ihm Genüge zu tun. Den Edelmann bewegte die Redlichkeit dieses Ehemannes so sehr, daß er sich vor der Sünde fürchtete, ein so ehrenhaftes Weib zu berühren, schickte sie also in Ehren wieder zu ihrem Herrn nach Hause. Wie nun das Männlein von der Treue dieser beiden erfuhr, wollte es, wie arm es sonst war, auch nicht der Geringste sein, stellte dem Edelmann alle seine Güter wieder zu und zog davon. Nun weiß ich nicht, liebe Herren, wer von diesen Personen die größte Treue bewiesen hat. «

Hierauf wußten wir wirklich nichts zu sagen. Auch die Jungfrau wollte nichts anderes antworten, als: »Fahre nun ein anderer Herr fort.« Daher säumte auch der Fünfte nicht und begann: »Liebe Herren, ich will es nicht zu lang machen. Wer hat größere Freude, der, der das, was er liebt, anschaut oder der, der sich nur daran erinnert?« »Der, der es sieht«, sprach die Jungfrau. »Nein«, antwortete ich; hierdurch erhob sich ein Streit. Daher rief der Sechste: »Liebe Herren, ich soll ein Weib nehmen. Nun habe ich vor mir eine Jungfrau, eine Verheiratete und eine Witwe. Helft mir, diesen Zweifel loszuwerden, so will ich nachher auch euren schlichten.«

»Da geht es noch gut.« antwortete der Siebente, wo man noch die Wahl hat. Bei mir ist es anders.

In meiner Jugend liebte ich eine schöne und ehrbare Jungfrau aus Herzensgrund und sie mich auch. Nun konnten wir wegen des Widerstandes ihrer Freunde nicht ehelich zusammenkommen. Daher wurde sie einem anderen, zwar ehrlichen und züchtigen Gesellen vermählt, der sie in Zucht und Liebe hielt. Sie kam in Kindesnöte, die ihr so sauer wurden, daß jeder meinte, sie wäre tot. Sie wurde auch feierlich und mit großer Trauer bestattet. Nun dachte ich, da dir dieser Mensch im Leben nicht gehören durfte, so willst du ihn doch im Tode umfangen und küssen. Ich nahm daher meinen Diener mit mir, der grub sie des Nachts wieder aus. Als ich nun den Sarg geöffnet hatte und sie in meine Arme schloß, auch ihr Herz berührte, spürte ich, daß es sich noch ein wenig regte, was durch meine Wärme mehr und mehr zunahm, bis ich endlich merkte, daß sie eigentlich noch lebte. So trug ich sie daher in aller Heimlichkeit nach Hause. Nachdem ich ihren Leib durch ein köstliches Kräuterbad erwärmt hatte, vertraute ich sie meiner Mutter an, bis sie eines schönen Knaben genas. Den ließ ich auch wie die Mutter getreulich pflegen. Nach zwei Tagen, als sie sich heftig wunderte, entdeckte ich ihr alles, was geschehen war, mit der Bitte, sie wolle nun fürderhin mir ehelich beiwohnen. Das bekümmerte sie aber sehr, weil es ihrem Ehemann, der sie gut 'und redlich gehalten hatte, leid tun würde. Wie die Dinge nun aber lagen, sei sie nun ebenso dem einen wie dem anderen zur Liebe verpflichtet. Nun lud ich nach zwei Monaten - da ich verreisen mußte - ihren Ehemann zu Gast. Als ich ihn unter anderem fragte, ob er auch seine verstorbene Hausfrau wieder annehmen würde, wenn sie wieder zu ihm nach Hause käme, bejahte er es mit Weinen und Tränen. Da brachte ich ihm schließlich sein Weib samt dem Sohn, erzählte ihm alles, was geschehen war, und bat, er möge meine vorgenommene Verehelichung mit seinem Consens ratifizieren. Nach langem Disputieren vermochte er mich nicht von meinen Rechten abbringen, mußte mir das Weib also lassen. Der Streit ging jetzt nur noch um den Sohn.«

Hier fiel ihm die Jungfrau ins Wort und sprach: »Mich wundert, daß ihr das Leid des betrübten Mannes noch verdoppeln mochtet.« »Wieso,« antwortete dieser, »war ich denn nicht dazu berechtigt?« Darüber erhob sich unter uns ein Disputieren. Die Mehrheit meinte, er hätte recht getan. »Nein,« sprach er, »ich habe ihm beides, sein Weib und seinen Sohn geschenkt. Jetzt sagt mir, liebe Herren, war meine Redlichkeit oder die des Mannes größer?

Diese Worte hatten die Jungfrau dermaßen erquickt, daß sie gleich um dieser beiden willen einen Trunk herumgehen ließ. Darauf wurden die Aufgaben der übrigen etwas verwirrter, so daß ich nicht alle behalten konnte. Eine fällt mir noch ein. Da sagte einer, er hätte vor wenigen Jahren einen Medicus gekannt, der habe für den Winter Holz eingekauft und sich den ganzen Winter damit erwärmt. Sobald aber der Frühling gekommen war, habe er dieses Holz wieder verkauft und es also umsonst genossen. »Das muß Kunst sein,« sagte die Jungfrau, »aber jetzt ist die Zeit vorüber.« »Ja«, antwortete mein Geselle, »wer die Rätsel nicht alle aufzulösen weiß, der mag es einen jeden durch einen Boten wissen lassen. Ich meine, es sollte keinem vorenthalten werden.«

Unterdessen begann man, das Dankgebet zu sprechen. Wir erhoben uns alle von der Tafel, gesättigt und fröhlich.
 
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