Ich bin in Lyon. Dort hat es Anfang der 80er mit den organisierten Brandstiftungen in Frankreich durch Jugendliche begonnen. In Frankreich hat jeder, der hier geboren ist, automatisch die franzoesische Staatsangehoerigkeit; diese formale Einbuergerung alleine hat jedoch noch nicht zur Akzeptanz von Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund gefuehrt. Die nordafrikanischen Muslime fuehlten sich in ihren Ghettos ausserhalb der Stadt immernoch unbeliebt. Lyon hat deshalb ein Sozialprogramm eingerichtet, um die allgemeine Situation zu verbessern, beispielsweise hat man (manche) Wohnblocks in den belasteten Aussenvierteln durch kleinere Wohnanlagen ersetzt, moderne Sportstaetten eingerichtet und auch Firmen angelockt, um in den sozial schwachen Stadtteilen fuer Arbeitsplaetze zu sorgen. Ein Unternehmen, das sich in einem unsicheren Viertel niederlaesst, braucht hier z.B. keine Sozialabgaben fuer die Angestellten zu zahlen. Es gibt auch Treffpunkte, um etwa die Hausfrauen und Muetter verschiedener Nationen naeher heranzufuehren. "Die Muetter sind's", um den alten Goethe zu zitieren, die ueber Gedeih und Verderb der Jugend bestimmen, schade nur, dass die meissten Eltern ihren Erziehungsauftrag an die Schulen und Kindergaerten abgegeben haben. Wenn keiner weiss, wie man seine Kinder erzieht, braucht man sich ja auch nicht mehr ueber seine Untaetigkeit lange auszutauschen. Auch das Unterhaltungsprogramm wurde, wie natuerlich auch in anderen Staedten, enorm erweitert. Ein Buergermeister weiss ja, dass man in der Ferienzeit die Einbruchsrate nur dann eindemmen kann, wenn ein attraktives und kostenloses Programm zur Unterhaltung und Zufriedenstellung der Massen vorhanden ist. Keine Zeit zum Klauen, oder zu satt, zuzuschlagen. Wir retten uns hier in Lyon von einer Fête zur naechsten, die beruehmten Fêtes de Lumières im kalten Winter und die Fête de la Musique im Fruehjahr sind nur zwei Grossveranstaltungen, die es dem Normalbuerger erlauben, in der eigenen Stadt mal Urlaub zu machen und diese mit einem ganz anderen Gesicht zu entdecken. So kann sich der Normalo in die Menge der anderen Konsumenten eingliedern und ein Wir-Gefuehl mit ihnen entfalten. Zum einkaufen muss man als Muslim in Lyon auch nicht mehr in die kleinen schmuddeligen Familienbetriebe um die Ecke gehen. Die grossen Supermaerkte haben Kuehltheken mit Hallal-Fleisch eingerichtet, man bekommt hier also in einem normalen Supermarkt auch eine Pizza mit Hallal-Fleisch und kann sich so an den Super-Sonderangeboten der Massenmaerkte miterfreuen. Religioese Feste werden ebenfalls mit in die Werbestrategie integriert, so lernt jedes Kind schon beim Einkauf, ob gerade Ramadan oder sonst etwas veranstaltet wird, damit hier auch keiner uebersehen wird. Diese soziale Begegnung im Supermarkt halte ich fuer die wichtigste Methode, um die Kulturen sich naeher kommen zu lassen. Wenn ich auch ein verbissener Feind von Kommerz und Werbepsychologie bin, muss ich doch die Tatsache beruecksichtigen, dass sich ein zufrieden konsumierender Mensch eher respektiert fuehlt als derjenige, der die Produkte mit den lachenden Gesichtern drauf, nicht kaufen kann. Wer als potentieller Kaeufer ignoriert wird, fuehlt sich nun mal uebergangen; dass dies beim Autokauf besonders auffaellt, wenn nun mal 35% der muslimischen jungen Maenner arbeitslos sind, ist wohl kein Wunder. Neben Autos und Geschaeften wurden auch Schulen attackiert, was uns einen Hinweis fuer weitere Verbesserungsmoeglichkeiten gibt.
Jetzt wollen wir den Augenmerk ja nicht nur auf Frankreich richten. Wenn ich mir die Auseinandersetzungen zwischen Menschen im Allgemeinen anschaue, kann ich Gewalt so zusammenfassen: <Das eindimensionale System begegnet der komplexen Struktur mit Gewalt>. Jede geschlagene Frau, die gar nichts dafuer kann, dass ihr Mann so eifersuechtig ist, kann davon ein Liedchen singen. Auch in der Aussenpolitik klappt es nicht, dass man sich lieb und brav praesentiert; ohne Militaer als Joker im Aermel, ist der Braten schnell gegessen. Wieso sollte es also innenpolitisch ploetzlich besser aussehen; Die Methode, einen Suendenbock fuer sein privates Leid zu finden und an diesem seine Wut auszulassen, ist ja nun wirklich nicht neu. Schon im Alten Testament stehen hierzu lustige Geschichten, was mich persoenlich nur darin bestaetigt, dass die Menschheit eine unverbesserliche Fehlkonstruktion ist. Na ja, sie schlaegt sich durch.
Zurueck zum Thema: Ich kenne genau vier in Deutschland lebende Tuerken, wenn ich mir die Beitraege zum Tuerkenthema anschaue, wuerden das wohl viele gerne von sich behaupten wollen. Ich habe kaum Erfahrungen mit Tuerken in Deutschland gemacht und kann also ueber in Deutschland lebende Tuerken und deren Verhalten keine Aussage treffen. Die anderen Tuerken, die ich kennengelernt habe, sind in Suedafrika, England, Frankreich, Canada und den USA angesiedelt und gehoeren alle zur besser als besser verdienenden Gruppe der Steuerzahler. Die Tuerken, die ich kenne, kennen persoenlich auch keine gewalttaetigen oder sonst irgenwie fehlgeleiteten schwarzen Schafe, hoechstens aus der Zeitung ode dem Fernsehen. Sich als Tuerke im Ausland aufzuhalten, kann also nicht die Ursache des Problems sein. Tuerken, die in der Tuerkei geblieben sind, habe ich noch keine getroffen, da ich dort noch nie war. Ich habe mir aber von Angehoerigen vieler Nationen sagen lassen, und ich komme viel in der Gegend herum, dass die Tuerkei einer der modernsten, demokratischsten und liberalsten Staaten der Welt sei mit einer Ausnahme, Fundamentalismus ist strikt verboten, daher gibt es an tuerkischen Schulen auch keine Kopftuecher. Wie kommt es nun, dass es ausserhalb der Tuerkei immer wieder Diskussionen ueber politische Tragweite dieser Kopftuecher gibt? Man kann sich Deutschland und andere Einwandererlaender nun als eine Art Auffangbecken fuer diejenigen vorstellen, die in ihrem Land durchs politsche Raster der Legitimation gefallen sind und bei der tuerkischstaemmigen Jugend auf grosses Gehoer gestossen sind. Meiner Auffassung nach haben die Einwandererlaender zu spaet auf die Praesenz von rechtsextremen Fundamentalisten reagiert. Das kommt davon, wenn man sich nicht sicher sein kann, ob einer nun ein Nazi ist, oder tatsaechlich eine terroristische Organisation entdeckt hat. Die allgemeine Auslaenderfeindlichkeit gegenueber friedlichen Gastarbeitern und Besatzern hat hier mit Sicherheit das Gegenteil von dem bewirkt, wie man sich seine Heimat vorgestellt hatte. Ich finde es ausgesprochen ironisch, dass Deutschland schon wieder mit rechtsextremen Irrlaeufern zu kaempfen hat, das scheint ja schon ein karmisches Schicksalsproblem zu sein. Wer ist denn nun der Boese? Ob es am Boden liegt? Oder an der Tatsache, dass Hetzerei und Gewalt sich schon immer zwar als stoerend primitiv aber auch als sehr wirksam erwiesen haben, wenn es darum ging, von der eigenen Dummheit abzulenken? Machtkaempfe auf allen Pflastern, in Schule, Familien, Beziehungen; die Gewalt macht sich ja auch in Form von sexuellen Uebergriffen breit. Am Ende ist das ganze Problem auf einen Ueberschuss an maennlichen Hormonen zurueckzufuehren, der wohl weniger durch kulturelle Wurzeln als durch Frust entstanden ist. Wer in der Schule nicht als Superheld auffaellt, holt sich seine Bestaetigung dann halt woanders, und da versuchen die Politiker mit Sportveranstaltungen Einhalt zu gebieten. Wie suess, dabei geht es beim maennlichen Ich-bin-der-Groesste, Leistungsgesellschaft hin oder her, doch gar nicht um Medaillen und den Sieg ueber den Gegner. Nein, das Primaerziel des Maennchens ist, seine Gene zu verbreiten. Die Nazis haben sich ja auch sehr gerne fortgepflanzt, zack zack, schon haben die deutschen Muetter ihre nationale Pflicht getan, und kleine blonde Soldaten herangezuechtet. Vielleicht kann man das Gewaltproblem einfach dadurch loesen, dass die Preise in den Puffs mit Hilfe von Subventionen gesenkt werden. Ich muss mal beim Bundestag den Vorschlag einreichen, eine Geisha-Steuer einzufuehren. Diese Idee ist so genial, dass sie mit Sicherheit erst in 100 Jahren verstanden und umgesetzt wird. Ich war schon immer meiner Zeit voraus.