Seelenwanderer
Aktives Mitglied
Meine Hauptreferenz für die eigentliche Bedeutung des "Auge um Auge, Zahn um Zahn" ist seit Jahren Pinchas Lapide.
http://de.wikipedia.org/wiki/Pinchas_Lapide
In seinem Buch "Ist die Bibel richtig übersetzt?" schreibt er über dieses Thema:
http://quotenqueen.wordpress.com/2011/03/20/ist-die-bibel-richtig-ubersetzt-teil-1/
Für mich ist ohne dieses Wissen jegliche Diskussion über diesen angeblich rachsüchtigen Charakter des AT obsolet.
http://de.wikipedia.org/wiki/Pinchas_Lapide
In seinem Buch "Ist die Bibel richtig übersetzt?" schreibt er über dieses Thema:
http://quotenqueen.wordpress.com/2011/03/20/ist-die-bibel-richtig-ubersetzt-teil-1/
Das Schlimmste von allen: Auge um Auge – Zahn um Zahn.
Kaum eine Woche vergeht, ohne dass in Presse, Rundfunk oder Predigten unter diesem Motto auf die „alttestamentarische Strenge“ oder „Gesetzesstarrheit“ hingewiesen wird. Von dem jüdischen Rachegott ist es dann nur ein gedanklicher Katzensprung zur „grausamen Vergeltungsmoral der Juden“, so dass das sogenannte „Talionsgesetz“ zu einem der Lieblingsklischeè nicht nur für Journalisten geworden ist. Dabei müsste doch schon im Zusammenhang mit dem israelischen „Sklavengesetz“ diesem Missverständnis der Zahn gezogen sein:
Die geringste Beschädigung, bzw. Verletzung des Auges oder auch nur eines Zahnes gewährleistet nämlich den „alttestamentarischen Frontarbeiter“ die sofortige Freilassung (Ex 21, 26f). Und dieser Sinn sollte sich bei einem freien Israeliten nicht bewähren? Auch die sprachliche Gestalt der Wendung in der hebräischen Bibel schließt diese Deutung einer austauschbaren Gleichwertigkeit aus.
Dagegen ist gemeint: Der Schädiger muss dem Beschädigten etwas geben, das an Stelle des Gliedes oder des Organs tritt, das nicht mehr die voll Funktion erfüllen kann, der Richter setzt die Höhe der Wiedergutmachung fest, die der Täter seinem Opfer zu leisten hat, wobei dem Täter die private Vergeltung entzogen wird (Ex 21,1), folglich muss jemand, der seinen Mitmenschen eine Verletzung schlug, nicht selbst eine erhalten, sondern einen Gegenwert, oder eine richterliche Ersatzzahlung leisten, kurzum diese bibelwidrige Verzerrung in ein angebliches „Rachegebot“ fußt auf drei sachlichen Fehlern:
1.)Rache ist wie gesagt in der hebräischen Bibel ausdrücklich verboten: Sei nicht rachsüchtig – sondern liebe Deinen Nächsten wie dich selbst (Lev.19,18) und ist keine Erfindung des Christentums, denn Jesus bezog seine Lehre aus dem Tanach. Dieses Grundgebot wird noch durch das Wort verstärkt: Mein ist die Ahndung (nicht Rache), spricht der Herr (Dt. 32,35) oder auch: Du sollst nicht vergelten. (Lev. 19,18)
2.) Der Urtext lautet: Wenn aber Lebensgefahr droht, so gib Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn (Ex.21,23f) Also nicht vom Geschädigten ist hier die Rede, der Rache oder Vergeltung nehmen soll, sondern vielmehr vom Schädiger, der vor dem Richter Wiedergutmachung leisten muss.
3.)Das Schlüsselwort in der hebräischen Bibelstelle „tachat“ heißt gar nicht „um“ oder „für“, sondern „anstelle von“, daher hat Buber diese Stelle sowohl sinngetreu als auch textgemäss übersetzt: Geschieht also das Ärgste aber, so gib Lebensersatz für Leben, Augenersatz für Auge, Zahnersatz für Zahn.
Mit anderen Worten: die humanitäre Universalregel „Maß für Maß“, die auch Jesus dreimal empfiehlt (Mt 7; Mk 4,24; Lk 6,38 wird zum Rechtsprinzip der Geldentschädigung und des Schmerzengeldes in allen Fällen von Körperverletzung erhoben.
Nur in diesem Sinne der Abgeltung durch Schadensersatz wurde dieser Bibelvers im Judentum lange vor Jesus verstanden und auch angewandt, wie der Talmud (BQ 83b-84a, Ketubot 38a) deutlich beweist.. Indem die hebräische Bibel den Einzelnen an den Richter verweist, hat sie dadurch das Verlangen nach Vergeltung auf das Ausmaß des erlittenen Schadens begrenzt. Dies bezieht sich auf jeden Menschen, mit dem man im Umkreis des Zusammenlebens jeweils unmittelbar zu tun hat, denn darin ist auch der „Fremde“, der „Nächste“ in gleicher Weise einbegriffen (Lev 19,33
Das verpönte Talionsgesetz ist also ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der Wüstenethik der vorbiblischen Zeit (Blutrache ect.) und der erste wesentliche Schritt zu einer allmählichen Verfeinerung der menschlichen Moralität, wie sie später auch bei vielen Propheten zum beredten Ausdruck kommen wird.
Im zweiten Teil wird es um: „Macht Euch die Erde untertan“ gehen, um „Wer dich auf die rechte Wange schlägt“ und „Hassen und Lieben“ und „Perlen vor die Säue werfen“, all diese Aussagen wurde in schlechtes Griechisch übersetzt, um später noch einmal ins Lateinische (Vulgata) übersetzt zu werden und dann durch Luther Eingang in allen reformatorischen Lehren zu finden, heute aber hat man die Möglichkeit, den Sinn in ihrer Originalsprache zurückzuversetzen um endlich längst fällige Missverständnisse aus der Welt zu schaffen.
Für mich ist ohne dieses Wissen jegliche Diskussion über diesen angeblich rachsüchtigen Charakter des AT obsolet.
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