Aufstieg 2012. Verführung oder Bestimmung..? Die 2. Klappe

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21.12.2012 – man weiß nicht ob man darüber lachen oder weinen soll. Getreu dem Motto:

Was ist's, das geschehen ist? Eben das hernach geschehen wird. Was ist's, das man getan hat? Eben das man hernach tun wird; und geschieht nichts Neues unter der Sonne.
Prediger 1, 9

Es geschieht nichts Neues unter der Sonne, alles ist irgendwie schon mal da gewesen. Und man wird auch bald in der jüngeren Geschichte fündig.


1839
Der Farmer und baptistische Laienprediger William Miller (1782-1849) berechnet anhand der Zahlenangaben der Bibel den Tag der Erschaffung der Erde und aufgrund von Jahrwochen den Beginn des göttlichen Sabbats. Ergebnis: Die sichtbare Wiederkunft Jesu am 21.10.1844.
Noch zögert der gute William Miller, aber dann beginnt die Nachricht sich zu verbreiten und Miller macht ein Geschäft mit dem Verkauf weißer Bußgewänder, die die Gläubigen am Wiederkunftstag tragen sollen.

1840 - 1844
Die „Millerbewegung“ erfasst schätzungsweise 100.000 Menschen, die Jesu sichtbare Wiederkunft in allernächster Zukunft erwarten. Bis zu 2000 Pastoren verschiedener Denominationen predigen vom baldigen Advent und den „Zeichen der Zeit“, die dieses Ereignis ankündigen. Auf dem Höhepunkt der Euphorie spalten sich die „Milleriten“ von den traditionellen Kirchen ab und bilden eigene Gemeinden.

Der Tag des 21.10.1844 kommt und geht – ohne dass etwas passiert. Zehntausende „Milleriten“ hatten ihre Häuser verkauft, ihr Eigentum verschenkt, die Arbeitsstellen gekündigt und warteten auf Bergen oder Erhebungen in weißen Gewändern auf die sichtbare Wiederkunft Christi. Nach Sonnenuntergang beginnt die Zeitspanne der „großen Enttäuschung“.

Hiram Edson hat dann die rettende Idee: ist Jesus nicht sichtbar wiedergekommen, dann muss ein anderes Ereignis eingetreten sein. In einer Vision sieht er dann, wie Jesus in den Gewändern des Hohepriesters im Himmel den Priesterdienst aufnimmt. Alles klar – Datum gerettet, Gruppe rehabilitiert und Bedeutung geringfügig geändert.

Nach der „großen Enttäuschung“ zerfällt die Bewegung in mehrere Gruppen, aus denen bald darauf neue Denominationen entstehen. Eine dieser kleinen Gruppierungen entwickelt sich später zur weltweiten Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten .
Andere Abspaltungen sind:
Weltweite Kirche Gottes (WKG) bzw. Vereinte Kirche Gottes: unter anderem auf das Wirken von Herbert W. Armstrong zurückzuführende Kirchen mit zusammen circa 100.000 Mitgliedern, gegründet 1933. Die Weltweite Kirche Gottes hat Mitte der 1990er-Jahre die meisten ihrer typischen Sonderlehren wie Sabbat, jüdische Feste, Zehntpflicht aufgegeben.
Gemeinde Gottes des siebenten Tages: nichttrinitarische Gemeinschaft; sie akzeptierten Ellen G. White nicht als Prophetin und spalteten sich deshalb von den Siebenten-Tags-Adventisten ab.
Second Adventists, die die ganze 1844-Geschichte mit einem neuen Datum versahen: 1874 – aber dann ließ Jesus sich nicht blicken. Enttäuscht verlässt Charles Taze Russel die Second Adventists und begründet die
Bibelforscherbewegung, die den Weltuntergang dann noch mal um 40 Jahre auf 1914 festlegten. Nach Tode Russels 1916 dann aus der Bibelforscherbewegung die Jehovas Zeugen (früherer Name Ernste Bibelforscher).
Ebenfalls eine Abspaltung der Siebententags Adventisten ist die kleine Gemeinschaft der Branch Davidians gewesen. Anführer war David Koresh, der am 19.04.1993 in Waco/Texas das Ende seiner Gruppe selbst herbei führte.

ab 1848
James White, Joseph Bates, Hiram Edson – die späteren Gründer der Siebenten-Tags-Adventisten – und andere formieren sich zu einer neuen Gemeinschaft, deren auffälligstes Kennzeichen die Feier des siebenten Wochentags („Sabbat“) ist. In ihrer Mitte wirkt die prophetisch begabte Ellen G. White (1827-1915), die zur einflussreichsten Person des Adventismus wird.

1849
William Miller stirbt und hinterlässt seiner Familie ein Vermögen durch den Verkauf weißer Bußgewänder.

Es ist also die gleiche Geschichte wie 170 Jahre zuvor – vage Kalenderangaben werden mit Glaubenssätzen überlagert und Erwartungen auf eine strahlende Zukunft überfrachtet und führen deshalb scheinbar logisch zu einem Ergebnis: der Weltuntergang/Transformation in ein besseres Zeitalter.

Vor einigen Jahren wurde noch der Weltuntergang für 2012 vorausgesagt. Heute wird diese Möglichkeit verneint und eine Transformation zum Guten prophezeit. Und was soll da nicht alles geschehen: das Wetter wird besser und die Politiker ehrlicher, Frieden und Wohlstand brechen an allen Ecken und Enden aus, aber Krankheiten nicht. Unsere Kinder werden plötzlich Indigo-Kinder und werden 200 Jahre alt – den Gegenbeweis können wir ja nicht mehr erleben. Das stört dann aber keinen großen Geist, weil man ja stets eine neue Erkenntnis gegen alte Erwartungen aufbringen kann.

Ähnlich war es ja auch zur Jahrtausendwende und bei dem Kometen Hale-Bopp. Der Guru einer Sekte in San Diego war überzeugt davon, dass sie nach einem gemeinschaftlichen Massenselbstmord in einem Raumschiff, welches hinter dem Kometen lauerte, wiedergeboren würden. In den letzten Monaten kursierte sogar ein gefälschtes Foto, welches ein Riesenobjekt zeigt, das dem Kometen Hale-Bopp folge. Dieses Objekt wurde mancherorts mit dem geheimnisvollen 12. Planeten, von dem Sitchin in seinem bekannten Buch "Der zwölfte Planet" schreibt, gleichgesetzt. Der Guru Marshall Applewhite war jedoch davon überzeugt, dass hinter dem Kometen kein Planet, sondern ein Raumschiff wartete. Der Selbstmord war sorgfältig vorbereitet, und mittels Wodka und Beruhigungsmittel bereitete man sich auf dem Tod und die anschließende Wiedergeburt vor. Die Sekte hatte eine eigene Internet-Seite, und dort wurde verkündet, dass der Komet Hale-Bopp das Zeichen für die Ankunft des Raumschiffes von der übermenschlichen Ebene sei. Zurück in den Himmel sollte es gehen! Das Schlimme an der Sache war eben das, dass man nur nach dem Verlassen der "irdischen Behältnisse" in dieses Raumschiff gelangen konnte. Und so kam es wieder einmal zu einem Massen-Selbstmord einer Sekte. In einem Abschiedsvideo machten die Sektenanhänger einen entspannten Eindruck.

Die meisten „Milleriten“ waren wahrscheinlich nicht so entspannt, als sie am 22.10.1844 feststellen mussten, dass man den Verkauf eines Hauses nicht einfach rückgängig machen konnte und der neue Mitarbeiter am ehemaligen Arbeitsplatz nicht bereit war die Stellung wieder aufzugeben. Im festen Vertrauen auf Jesu Wiederkunft hatten viele „Milleriten“ die Ersparnisse eines Lebens ihren Gemeinden als Spende gegeben, um damit möglichst viele Seelen vor der Wiederkunft zu retten. Und ihre Gemeinden sahen keine Notwendigkeit irgendwie Schadenersatz zu zahlen – der Fromme ist immer der Dumme. Tausende von Existenzen waren wirtschaftlich vernichtet und endeten tatsächlich in der Gosse, während andere an der Entwicklung gut profitierten, zu Macht, Einfluss und Einkommen kamen und sich neue Religionsgemeinschaften entwickelten. Ich bin jedenfalls gespannt, was nach dem 21.12.2012 kommt – wieder eine „große Enttäuschung“ und Bildung von neuen Religionsgemeinschaften? Eines ist jedoch sicher: 2012 und die diversen Lehren sorgen heute schon für sprudelnden Umsatz.

Jeder soll sich vom 21.12.2012 erhoffen was er/sie sich sehnlichst wünscht - aber bitte mit wirtschaftlicher Vorsicht und möglichst ohne Selbstmord.
 
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