schön wäre es, wenn dieser Film die Verantwortlichen aufrütteln würde-das ist doch das Entscheidende.
Althea
Die Verantwortlichen sitzen von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr vielleicht in einer Sitzung und sind, während die Fernseh-Bevölkerung Angst gemacht bekommt, in mühsamen Gesprächen zwischen Fachleuten, den Diskussionsprozess führenden Politikern, Vertreterinnen und Gesellschaft und Wirtschaft und natürlich auch der Alten damit beschäftigt, diese schon lange erkannten Probleme zu lösen. Anfang der 90er ging die Erste Skandal-Welle los und seit da ist ständig etwas in Bewegung. Man muss nur selber in Bewegung sein, um das zu erkennen. Angst lähmt ja bekanntlich Bewegung. Andere haben die Angst nicht und arbeiten längst an dem Problem. Aber wie gesagt: das wird nicht berichtet. Wenn man sieht, wie sehr sich der Beruf der Pflegerin im Altenheim und auch die der Altenschwester in den letzten 10 Jahren gewandelt hat, dann ist das eigentlich kaum zu verkraften für die Menschen, die noch das Arbeiten von "Früher" gewohnt sind und es schwer haben, sich umzustellen. Früher war man gut und gerne die doppelte Anzahl an Menschen im Dienst. Aber es war weder mehr Arbeit da, nachweislich im Gegenteil weniger und die Versorgung der Menschen war gelinde gesagt unter aller Sau. Es wurde nicht kontrolliert, ob man trank, die BewohnerInnen wurden immobil und wer nicht essen konnte, magerte ab, während gemeinsam in Ruhe Frühstückspause gemacht wurde. Schon alleine den Leuten klar zu machen, dass obwohl Pause ist auf die Klingel gegangen werden muss, ist eine Herausforderung, das kann man sich gar nicht vorstellen. Das sollte doch eigentlich selbstverständlich sein- war es damals aber nicht. Es hiess dann, wenn es klingelte und klingelt: "die wissen doch, dass wir jetzt Pause machen." Das Resultat ist dann die "Blöde Frau Müller", die "nix mehr gechecked kriegt" und "schon wieder gefallen ist", weil sie sich alleine auf den Weg zur Toilette machen musste.
Du, da kann ich Dir Tausenderlei Geschichten erzählen, wirklich unglaubliche Geschichten. Aber weisst Du, ich habe es auch verglichen mit dem Ausland. Und zwar habe ich in Belgien gearbeitet. Das war Pflege wie in Deutschland in den Siebzigern. Und da bin ich doch froh, dass man in Deutschland nicht so träge ist. Weil hier in Belgien ist das "Nicht-Zuständig-Sein" ein hohes Gut.
Das Problem ist ja auch ein ganz umfassendes gesellschaftliches Generationenproblem. Ein Blick in die Pflege reicht da nicht aus, um sich ein eigenes Bild zu machen. Was aber mit Sicherheit Quatsch ist, das ist die Sache mit den Medikamenten. Man muss bitte verstehen: diese Medikamente gibt es nicht, damit die Menschen gesund werden. Es gibt sie, damit die Menschen sie einnehmen und das möglichst lange, denn es sind einfach nur Produkte, die auf einem Markt an den Konsumenten verkauft werden. Die Mittelsmänner ist der Arzt, der Apotheker und das Internet und der Schwarzmarkt. Die wollen Geld machen. Die Lobby der Pharmaindustrie wird das System der Verteilung über Kassen auf keinen Fall aufgeben, das wäre doch wirtschaftlicher Unsinn. Ich verstehe diese angst, aber die Vorstellung ist absurd. Wir leben in einer Konsumgesellschaft und Tabletten sind das, was die Leute gegen die Symptome der Angst einwerfen. Und das Ganze ist auch noch ein Kreislauf, wie man weiss: man beginnt mit Tablette A, wegen Symptom "Herzschmerz". Der Schmerz ist weg, der Mensch kann sein sein Leben, das seinem Herzen nicht gut tut ohne sich zu reflektieren weiter leben. Die Tablette macht alles gut. 4 Jahre später tritt eine zweite Symptomatik auf: Herzrhythmusstörungen. übrigens eine bekannte Nebenwirkung von Medikament A- man nimmt das in Kauf, denn der Patient hatte ja damals so Herzschmerzen und man wollte ihm ja helfen. Wie es auch sei, es kommt nun natürlich gegen die Rhythmusstörungen ein weiteres Medikament hinzu. Wieder drei Jahre später ist wieder ein weiterer Symptomkomlex aufgetreten: eine Herzmuskelschwäche. Medikament C. Dem Herzen wie dem Menschen ist mittlerweile jeder Antrieb, sein Leben in positive Bahnen zu lenken, genommen. Er kann ja durch die Symptomatik-Spirale, die er durch die Medikamente erlebt, auch seine eigentliche Erkrankung, mit der er mal vor 10 Jahren begonnen hatte, gar nicht mehr erkennen. Schliesslich bricht der Blutdruck zusammen und wir nehmen ein paar Medikamente für den Kreislauf hinzu. Diese wirken auf den Hormonhaushalt. Nun ist es mal sehr heiss im Sommer und der Patient trinkt wenig und es entwickelt sich ein Blutgerinsel und zappt in den Kopf und wir haben einen schönen Schlaganfall.
So, und diese "Maschine", die wird auf keinen Fall aufgegeben, denn sie ist einer der grössten Märkte, die es weltweit gibt. Ich bin jetzt z.B. 35. Wenn ich zum Betriebsarzt muss und der mich fragt: "nehmen sie Medikamente" und ich sage Nein, dann guckt der mich bereits verwundert an. Weil der grösste Teil meiner KollegInnen sich das Zeug reinzieht. Sie haben alle Rückenschmerzen, tja aber warum? Weil sie sich falsch bewegen, so wie die gesamte Bevölkerung auch. Sie haben die Muskeln nicht da, wo sie sein sollten, stattdessen tragen manche ein Gewicht mit sich herum, das mir genauso die Luft zum Atmen nehmen würde wie ihnen. Und dann kommt jede Menge an Gedanken über das Altwerden, wenn man abends zuhause sitzt und fühlt, dass man selber genauso krank wird, wie die alten Menschen. Dabei übersieht man, dass nur ein kleiner Teil der betagten Bevölkerung im Altenheim lebt. Der überwiegende Teil kommt zuhause ganz gut zurecht, aber darüber zu berichten bringt wieder keine Quote. Wenn man alleine bedenkt, wie sich in den letzten 10 Jahren die ambulanten Pflegedienste mengenmässig entwickelt haben, dann kann man schon erkennen, dass der Startschuss, die Leute aus den Altenheimen raus zu halten, schon längst gemacht ist. Früher gingst Du ins Altenheim, wenn Du dachtest: "och, bevor ich krank werde, ziehe ich mal dahin. Jetzt bin ich noch fit und kann mich eingewöhnen". so etwas gibt es ja heute gar nicht mehr. Man soll heute bitte fit bleiben, sich selber um Gesundheit bemühen und sich um aktuelle Informationen selber bemühen. Und die aktuelle Information ist heuer nie dem Fernseher zu entnehmen. Da muss man immer selber verfolgen, was in den politischen Fachbereichen so geschieht. In dem bisschen "Grosse Politik", die über den Bildschirm flimmert, kommt immer nur die Aussage "Wir können nicht". Weil das ein Skandal ist, dass wir nicht können. Nur bemerkt es kaum einer. Wir tun nämlich ja schon die ganze Zeit, was wir nicht können, es ändert sich also über die Jahre in der Fernseher-Politik überhaupt nichts, in der gesellschaftlichen Realität aber ggf. sehr viel.