Allerdings hat die klassische Psychologie ein anderes Ziel, nämlich den einzelnen Menschen zum Funktionieren zu bringen, ihn gesellschaftstauglich zu machen, sozusagen. Obwohl es auch da welche gibt, die tiefere Möglichkeiten entdecken, siehe C.G. Jung.
Was ist "klassische Psychologie"? Psychologie hat in keiner Weise das Ziel, Menschen zum Funktionieren zu bringen, wie Astrologie übrigens auch nicht. Menschen funktionieren von selber, das heißt Leben. Und der Prozess der Gesellschaftstauglichkeit heißt Sozialisation, gesellschaftliche Zusammenhänge untersucht die Soziologie - und in einem Grenzbereich der Interaktion zwischen Individuum und relevanten sozialen Agglomeraten spielt die Sozialpsychologie hinein.
Psychologie beschreibt das Wirken der Psyche, wobei innerhalb der Psychologie recht unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, was mit Psyche genau gemeint ist. Also Beobachten und Beschreiben von Prozessen, Theoriebildung...
Solche psychologischen Theorien werden dann in praktischen Bereichen angewendet, um in Bereichen, in denen psychische Prozesse eine Rolle spielen, Vorgänge besser zu verstehen und sie so zu gestalten, dass die Prozesse störungsfreier laufen können - wobei es dann eben drauf ankommt, was jeweils als "störungsfrei" verstanden wird. Auf dieser praktischen Ebene kann es dann vorkommen, dass psychologische Theorien auch zu manipulativen Zwecken eingesetzt werden, um ein bestimmtes Verhalten zu erreichen ... etwa in der Mitarbeiterführung eines Unternehmens oder in Versuchen, in der Werbung psychologische Mechanismen einzusetzen. In diesem Teilbereich praktisch angewandter Psychologie kann man vielleicht davon sprechen, Menschen "zu einem gewollten Funktionieren" zu bringen ... was auch nie sicher passiert.
Etwas anderes ist die therapeutische Anwendung von Psychologie - die Psychotherapie. Die geht davon aus, dass mit ihrer Hilfe Menschen Störungen in den Prozessen ihrer Psyche bearbeiten und Besserungen ihrer Befindlichkeit erreichen können (um das abgelutschte und in der Regel zu viel versprechende Wort "heilen" einmal außen vor zu lassen...). Auch da gibt es wieder eine große Zahl von Ansätzen, zu denen auch C. G. Jung gehört, von dem aus am ehesten eine Brücke zur Astrologie zu schlagen wäre, und er hat ja auch selbst astrologisch gearbeitet. Da sind die Schulen der Psychoanalytiker nach Freud oder Adler (Alfred), da sind die Verhaltenstherapeuten, die Gestalttherapeuten, die Transaktionsanalytiker, die von Arnold erwähnte Psychosynthese, die systemischen Therapeuten, die lösungsorientierten Kurzzeittherapeuten und viele mehr. Und wenn sich ein gemeinsames Ziel für alle diese Schulen formulieren lässt, dann wohl dieses: Es geht darum, den Menschen Wege zu größeren Freiheitsgraden in ihren Einstellungen und ihrem Verhalten zu zeigen.
Astrologie hat das Ziel, den Menschen zu befreien.
Lässt sich das einfach so sagen? Es gibt ebensoviele astrologische wie psychologische Schulen, Traditionen, ganz unterschiedliche Methoden, völlig divergente erkenntnistheoretische Ansätze... was ist "die Astrologie"? Vielleicht lässt sich übergreifend sagen, es ginge der Astrologie darum, Zusammenhänge zwischen kosmischen Ordnungen und den jeweiligen Ebenen zu beschreiben, die gerade astrologisch betrachtet werden. Astrologie betrachtet ja nicht nur individuelle Dynamik, sondern auch das Geschehen in größeren Zusammenhängen - etwa in Politik, Wirtschaft, Geologie, Kosmologie, und dort liegen auch die älteren Wurzeln der Astrologie. Individual-Astrologie mit psychologischem Kontext ist ja eine vergleichsweise sehr junge Disziplin. Insofern wäre es also ein Verkürzung, Psychologie einfach mit Astrologie gleichzusetzen.
Die "psychologische Astrologie" halte ich eher für einen Modebegriff, der vor allem in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts von einigen Autoren geprägt wurde, um die Astrologie vom Geruch des "Sternedeutens" zu befreien. Selbstverständlich ist es so, dass - auf der Grundannahme, dass es etwas wie eine kosmische Ordnung gibt - auch die Psyche im Kontext solcher kosmischer Ordnung ihren Platz hat. Astrologie kann also auch (!) Rahmenbedingungen psychischer Prozesse beschreiben und damit Sichtweisen anbieten, die eine rein psychologisch fundierte Betrachtung ergänzen und bereichern können. Ebenso kann Astrologie aber auch soziologische oder medizinische oder esoterische und und und... Sichtweisen bereichern - und vor allem eines sein, mit, wie ich meine, berechtigtem Selbstbewusstsein: Astrologie.
Wo es freilich darum geht, Menschen mit astrologischen Deutungen zu begleiten (ich mag das hierarchische Verhältnisse andeutende Wort "beraten" immer weniger), ist Psychologie in meinen Augen sehr wichtig. Das beginnt beim Erkennen bzw. Erarbeiten des "eigentlichen Themas", das mit einer primären Fragestellung in der Regel verbunden ist ("Kommt er wieder zurück!?" ist zB häufig eher "Ich fühle mich verletzt und kann das nicht akzeptieren..." oder "Ich kann und will nicht loslassen!") und das sich im Blick auf ein Horoskop eigentlich immer deutlich zeigt, das erstreckt sich auf die Gesprächsführung (lasse ich mich von der Problemtrance des Klienten einlullen und dazu verführen, Problemdiskussionen zu führen, oder vermag ich durch kluge Interviewtechnik, den Klienten zu seinen (!) Lösungsschritten zu begleiten), das umfasst vor allem auch das Abschätzen des Risikopotenzials, das meine Antworten mit sich bringen (speziell in der Prognostik, wenn immer wieder mal die haarsträubendsten Deutungen und Vorhersagen abgegeben werden, anscheinend ohne eine Ahnung davon, was dadurch (und nicht durch die "Sterne") ausgelöst werden kann...). Psychologische Schulung erscheint mir für Astrologen, die mit Klienten arbeiten, äußerst wichtig. Laufende Selbstkritik und vor allem Supervision ebenso. Und ich weiß auch, wie selten das wirklich anzutreffen ist.
Schön, Sanny, wenn Du wirklich Astrologie und Psychologie studieren willst... ich wünsch Dir eine gelungene Kombination
Alles Liebe,
Jake