Animals

...gestern erst, als Mutter im Aufenthaltsraum saß und recht lebendig wirkte, fragte ich noch eine Pflegerin, was ich denn tun sollte, wie ich mich verhalten sollte, wenn sie nach dem WC verlangt. Ich kenn sie ja, mir braucht man Mutter nicht erklären. Vielleicht ergibt es sich nochmal, dass ich mit ihr runter fahr, ins Kaffeehaus, dann fragt sie mich nach spätestens 20 Minuten, wo denn das Klo ist.

Aber ich bekam keine richtige Antwort. Mein Deutsch ist nicht so kompliziert, aber die Pflegerin verstand mich trotzdem irgendwie nicht richtig, glaube ich. Sie begriff nicht, worum es mir ging.

Das ist ein unappetitliches Thema, klar, das weiß ich schon. Aber wichtig. Scheißen ist wichtig. Nicht nur für Mama. Jeder Mensch noch den ich traf, der ging, wenn er musste. Soll mir keiner sagen, das wäre nicht wichtig.

Ich wollte wissen, was jetzt Programm ist, denn wenn es ein Ziel der Pflege ist, sie zur Windel hin zu erziehen und ich setz sie zwischendurch immer wieder auf die Muschel - sofern sie mobil und ansprechbar ist - dann wird das doch nie was, dann störe ich doch das Programm, könnt ich mir denken!? Das will ich aber nicht, will mich da nicht mehr einmischen. Abgegeben ist abgegeben. Und ich versteh auch nichts davon, mir muss man das erklären, wie ich da damit umgehen soll.
 
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Ich denke, es ist ein anspruchsvoller Prozess - sich selbst aus der Verantwortung zu entlassen.


Ich finde du darfst.
(Und dein Schreibstil ist ungebrochen wunderbar.)
 
Weiß nicht, ob du da gut beraten bist.
Fühl mich eher wie kurz vor der Auflösung meiner Existenz :rolleyes:

Ein Gefühl, dass ich nur zu gut kenne. Ich denke oft an dich und deine Situation. Wenn es mir nicht so gut geht, dann sehe ich meinen Schei** nicht mehr so dramatisch. Schwacher Trost, ich weiß! Wirklich erklären kann ich dir nicht, wie ich das meine. Sieht man mal von deinen zwischenzeitlichen Aussetzern ab, bewundere ich die Demut, die du an den Tag legen kannst. Das kann ich nicht. Ich weiß noch nichtmal, was eigentlich besser ist, bzw. womit man besser lebt. Bewundernswert find ich es allemal. Ich bin dafür aber wahrscheinlich nicht geschaffen :tomate:
:kiss4:
 
Ich denke, es ist ein anspruchsvoller Prozess - sich selbst aus der Verantwortung zu entlassen.


Ich finde du darfst.

Ja, glaub ich mittlerweile auch und es war einfach unumgänglich. Wir haben ein Stadium erreicht, wo es hier einfach nicht mehr weiterging und ich nur noch davon rennen wollte. Und trotz dieses traurigen Bildes von heute Abend bin ich noch immer froh und dankbar, dass sich so schnell ein Platz aufgetan hat.
 
Willi, weißte, was ich vorhin gedacht habe, als ich deinen Bericht von heute gelesen habe? Du hast deine Mutter ja nicht umsonst ins Heim geben wollen. Du hast gemerkt, dass du keine Kraft mehr hast. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere: deiner Mum ging es zunehmend schlechter. Das Alter und ihr gesundheitlicher Zustand unterliegen in keinem Fall mehr irgendeiner Form von Rekonvaleszenz. Da würdest du dir was vormachen, wenn du das noch glauben solltest. Sie wird keinen Tag mehr fitter werden. Wenn nicht gestern, so doch in zwei, drei Wochen, hätte sie auch zuhause Windeln gebraucht. Da haste ja sogar schonmal dran gedacht. Daran kann ich mich jedenfalls erinnen. Die Bediensteten in den Heimen sind das gewöhnt. Dass da natürlich nur das "Rumkommen" zählt und nicht die persönliche Rund um die Uhr - Betreuung ist klar. Weder von denen, noch von dir kann das jemand verlangen, weil es schlicht nicht geht.
Schlimm ist es schon, zuzuschauen, wie ein Mensch (in dem Fall aus Altersgründen abbaut und auch verfällt). Deswegen hoffe ich ja nachwievor, dass mich mal der Blitz trifft. Aber es gehört zum Leben. Und es gibt durchaus schlimmeres, als Schei**e irgendwo kleben zu haben. Das hatten wir alle schon :rolleyes:
 
Dafür lege ich bei meinen Aussetzern das exakte Gegenteil der Demut an den Tag :D

Ist doch klar: Licht und Schatten, Yin und Yang, Gut und Böse, Doof und Schlau.......... Oh Mann, das hat so einen ellenlangen Bart und doch isses so. Und wenn was die Tendenz hat, ins Extreme auszuschlagen, dann tut es das auch nach beiden Seiten. Wie bei einer Schaukel. Du kannst nicht nur in einer Richtung schaukeln. :) Abspringen kannste. Aber die Energie musste trotzdem irgendwie abpuffern. Wenn du Pech hast, macht es beim Absprung "Aua!" :D
 
...hätte sie auch zuhause Windeln gebraucht.

Zwiefellos, ich hab das ja gesehen, wie sich das entwickelt, wie sie immer schwächer wird und ich möcht dem Personal da auch keinen Vorwurf machen oder abverlangen, rund um die Uhr bei ihr am Bett zu hocken und sie steril und völlig clean zu halten. Drum hab ich ja auch heute keinen Radau gemacht, sie muss sich irgendwie an diese Windel gewöhnen. Da führt wohl nichts dran vorbei. Bin froh, dass ich so schnell einen Platz bekommen hab und das nicht zu Hause erleben muss. Der Anblick aber, der bleibt ein Elend, egal wie ichs dreh und wende. Da muss man eben leben damit, wenn man konfrontiert ist.
 
Ein Elend isses vorallem deswegen, weil das manchmal alles ist, was von einem stolzen oder weniger stolzen Leben bleibt. Es ist ja nicht so, dass das nur die Alten betrifft. Wir werden auch alt und sterben irgendwann...Das Wissen darum berührt einen schmerzlich, ob man das will oder nicht.
 
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Zusätzlich zur Scheiße erlebten wir bei meinem Vater das Rausreißen des Blasenkatheders.
Wo sind seine Hände?
Diese Frage stand uns auf der Stirn geschrieben.
Nach 8 Jahren haben wir ihn an dran gewöhnt, in jeder Hand ein Kuscheltier zu halten.
Über der Bettdecke!!!

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