@hellequin
Es ist nicht der gewöhnliche Egoismus, der im Wege steht. Es ist der extreme, invasive, skrupellose Egoismus, konkret: der mit der Überzeugung, mehr als das eigene Interesse zu vertreten, verbundene Anspruch, die Welt zu retten, der für all das Elend verantwortlich zeichnet.
So wie ich dich verstehe, glaubst du, dass die Ideologien, die sich Weltverbesserung auf die Fahnen geschrieben haben schuld sind für das Elend in der Welt? Weil sie in Wiklichkeit nur Eigeninteressen vertreten und versuchen diese diktatorisch durchzusetzen?
Ich sehe auch Unterschiede beim Egoismus, aber ich würde nicht die Unterscheidung "gewöhnlich" und "ungewöhnlich" benutzen.
Ein "gesunder" Egoismus ist einer, wo der Mensch eine Verantwortung für sein eigenes Leben übernimmt und sich dafür einsetzt, so dass die Grundbedürfnisse (Essen, trinken, wohnen, Soziales) befriedigt sind. Dazu gehört natürlich auch Eigentum. Aber da gibt es Auswüchse, die von anarchischen Ideen nicht geduldet werden würden. Wenn wir uns anschauen, wie Firmen ihr Geld in Landkauf stecken in Afrika oder auch Südamerika um dann die Menschen die dort leben zu vertreiben und dann entweder nach Rohstoffen zu buddeln oder Monokulturen für den Westen anzulegen. Da wird klar, was die anarchische Aussage: "Eigentum ist Diebstahl" bedeuten könnte.
@schattenelf
Eine kommunistische Gesellschaftsform ohne Herrschaft?
Ich glaube es herrschen da einige Missverständnisse vor. "Ohne Herrschaft" heißt ja nicht ohne Strukturen, oder unorganisiert. Sondern es heißt nur, dass es keinen obersten Chef gibt, der das letzte Wort hat. Bei den Aktiengesellschaften ist das in einem gewissen Rahmen so. Hier sind alle "Chefsessel" Angestelltensessel - diejenigen, die bestimmen wie der Hase läuft, sind die Aktieninhaber, die Aktionäre. Ganz oft sitzen da die Banken an den Hebeln der Macht. Hier ist das System auf eine gewisse Weise anarchisch, nur dass in meinen Augen die falschen Menschen das Steuer in der Hand haben, denn die Aktionäre sind weder an der Firma, noch an den Menschen, die dort arbeiten interessiert, sondern nur an Gewinnen, deshalb müsste die Macht von den Arbeitern und Angestellten ausgehen. Und solche Konstrukte gibt es weltweit inzwischen einige. Es sind Cooperativen oder genossenschaftlich organisierte Gemeinschaften. Hier bestimmen die Nutzer der Produktions- und Betriebsmittel auch die Firmengeschicke.
Traditionell gibt es so etwas unter dem Begriff der Allmende - Gemeineigentum. Auch in unseren Breiten hat sich das lange gehalten (Schweiz), wurde aber immer weiter ausgehöhlt. Soweit, dass (politische) Gemeinden nicht mehr nur die Verwalter von Land waren, sondern deren Besitzer.
In Südamerika hat sich das bis in die heutige Zeit in abgelegenen Dörfern auf dem Altiplano gehalten. Dort sind die Gemeinden der Quechua- und Aymara-Indios oft noch so organisiert. Das Land gehört allen und wird immer wieder gemeinsam verteilt, je nach dem wie viel jemand (Familie) braucht. Alte und Behinderte werden gemeinsam versorgt. Viele Arbeiten werden gemeinsam erledigt.
Dazu müssten 100% der Gesellschaftsmitglieder in diesem funktionierendem Anarchokommunismus ihr Ego völlig aufgeben haben.
überhaupt nicht - es geht darum, das gemeinsam entschieden wird. Je größer eine Einheit ist desto schwieriger wird das natürlich, das heißt es müssen Strukturen geschaffen werden, die das ausgleichen. Gut durchzuführen ist das in kleinen Gruppen. Aber es funktioniert ja oft nicht mal in den gesellschaftlich kleinsten Gruppen, den Familien, wie soll es dann in größeren Gruppen laufen? Es geht einfach darum, die Wünsche und Bedürfnisse des Einzelnen zu berücksichtigen und trotzdem gemeinsame Entscheidungen zu treffen.
Denn wenn das nicht der Fall wäre (das 100% ihr Ego aufgeben) braucht es eine Herrschaft die verhindert das Menschen Land für sich bestellen,und wenn es nur das Gemüsebeet im Schrebergarten ist,oder sich ein Häuschen für sich selbst bauen.
Da hab ich oben Beispiele genannt, wie es funktionierte und noch funktioniert.
Ich arbeite in einer GbR, die ich selber mitgegründet habe, es gibt 14 Produzenten, die alle gleichberechtigte Gesellschafter sind, dazu kommen 6 Angestellte, die Gesellschafter werden könnten aber sich alle für ein Angestelltenverhältnis entschieden haben. Trotzdem haben die Angestellten, genau wie die Gesellschafter eine Stimme bei den Entscheidungen. Die Entscheidungen werden im Konsens getroffen. Dafür treffen sich alle zweimal im Jahr für 3 Tage, um alle Themen anzusprechen, die jeder einbringen kann. Dazwischen sind dann Arbeits- und Koordinierungsgruppen aktiv, die einen gewissen Entscheidungsrahmen haben (für die Erledigung der Alltagsgeschäfte). Das halte ich für ein Modell, was schon sehr nah an anarchische Vostellungen (herrschaftslose Strukturen) herankommt.
LGInti