An meine Kinder

*Eva*

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31. März 2018
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Ort
Niederösterreich
Oliver
Heute ist wieder einmal dein Sterbetag.
Ich war schon zeitig auf dem Friedhof, dort empfinde ich in der letzten Zeit nichts. Das Grab soll nett aussehen.
Aber wie jedes Jahr um diese Zeit herum geht es bei mir innerlich rund. Leere, Verzweiflung, Wut, Trauer und dazwischen der verzweifelte Versuch, noch irgendeinen Sinn in meinem Leben zu finden.
Du warst ein absolutes Wunschkind, ein Jahr zuvor hatte ich einen Abortus.
Du hast dir Zeit gelassen mit deiner Ankunft. Die Geburt musste künstlich eingeleitet werden.
Und dann waren wir eine kleine Familie. Du, dein Vater und ich.
Vier Jahre später kam dein Bruder zur Welt. Du warst ein bisschen eifersüchtig, nicht mehr die Nummer eins, und manchmal habe ich dir die Vernunft des Größeren abverlangt.
Als uns dein Vater plötzlich verlassen hat, war das der Beginn der vielen Katastrophen, die mein Leben begleitet haben bis jetzt. Er wollte nicht mehr viel mit uns zu tun haben und ist bald in die Schweiz gezogen. Alimente gabs lange keine, ich wusste oft nicht, wie ich unsere einfachsten Bedürfnisse stillen sollte.
Als du gestorben bist, konnte ich nicht auf deine Beerdigung gehen, ich lag halb hinüber im Spital und wollte mit dir gehen.
Ich habe überlebt. Dein Bruder hätte sonst keine Mutter mehr gehabt.
Heute denke ich immer wieder: wärst du nicht geboren worden, wieviel Kummer und Elend durch deinen Tod hätte ich mir erspart.
Und dann bin ich wieder voller Dankbarkeit für die 7 gemeinsamen Jahre.
Ich weiß nicht, wo du jetzt bist. Du hast dich nie gemeldet bei mir. Dabei warte ich heute noch drauf.
Vielleicht bist du auch nirgends und ich schreibe einer schmerzvollen Erinnerung.
Machs gut und bis demnächst. Deine Mutti
 
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Oliver
Heute ist wieder einmal dein Sterbetag.
Ich war schon zeitig auf dem Friedhof, dort empfinde ich in der letzten Zeit nichts. Das Grab soll nett aussehen.
Aber wie jedes Jahr um diese Zeit herum geht es bei mir innerlich rund. Leere, Verzweiflung, Wut, Trauer und dazwischen der verzweifelte Versuch, noch irgendeinen Sinn in meinem Leben zu finden.
Du warst ein absolutes Wunschkind, ein Jahr zuvor hatte ich einen Abortus.
Du hast dir Zeit gelassen mit deiner Ankunft. Die Geburt musste künstlich eingeleitet werden.
Und dann waren wir eine kleine Familie. Du, dein Vater und ich.
Vier Jahre später kam dein Bruder zur Welt. Du warst ein bisschen eifersüchtig, nicht mehr die Nummer eins, und manchmal habe ich dir die Vernunft des Größeren abverlangt.
Als uns dein Vater plötzlich verlassen hat, war das der Beginn der vielen Katastrophen, die mein Leben begleitet haben bis jetzt. Er wollte nicht mehr viel mit uns zu tun haben und ist bald in die Schweiz gezogen. Alimente gabs lange keine, ich wusste oft nicht, wie ich unsere einfachsten Bedürfnisse stillen sollte.
Als du gestorben bist, konnte ich nicht auf deine Beerdigung gehen, ich lag halb hinüber im Spital und wollte mit dir gehen.
Ich habe überlebt. Dein Bruder hätte sonst keine Mutter mehr gehabt.
Heute denke ich immer wieder: wärst du nicht geboren worden, wieviel Kummer und Elend durch deinen Tod hätte ich mir erspart.
Und dann bin ich wieder voller Dankbarkeit für die 7 gemeinsamen Jahre.
Ich weiß nicht, wo du jetzt bist. Du hast dich nie gemeldet bei mir. Dabei warte ich heute noch drauf.
Vielleicht bist du auch nirgends und ich schreibe einer schmerzvollen Erinnerung.
Machs gut und bis demnächst. Deine Mutti
:umarmen: ich fühle mit dir - so etwas vergisst man sein Leben lang nicht.
Als du gestorben bist, konnte ich nicht auf deine Beerdigung gehen, ich lag halb hinüber im Spital und wollte mit dir gehen.
auch das kann ich so gut verstehen und nachvollziehen

Aber schön dass du noch da bist und es dich noch gibt :kiss3:
 
Thomas
Gerade jetzt fehst du mir wieder einmal ganz besonders.
In der Früh mein erster Gedanke und abends der letzte. Bis heute habe ich keine Antwort und keinen Sinn in eurem Tod gefunden.
Aber ich habe schon lange kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich die meiste Zeit des Tages ganz gut drauf bin.
Ich habe vor kurzem deine Kellerwohnung räumen lassen, vorher habe ich mich noch von deinem Zimmer verabschiedet. Es war furchtbar, aber ich habe gewusst, jetzt ist die Zeit dafür.
Nach deinem Tod habe deine Freunde bei dir aufgeräumt, du Chaot konntest selten Ordnung halten.
Sebastian hat ein paar Sachen mitgenommen, vor allem die Fotos.
Er hat deinen Tod bis heute nicht wirklich überwunden. Und Marc ist überhaupt in eine Psychose gekippt. Beide Freunde haben sich lange Zeit Vorwürfe gemacht, nichts von deiner Verzweiflung mitgekriegt zu haben.
Ich sowieso. Bis heute habe ich keine Antwort gefunden. Ich frage mich auch gar nicht mehr.
Ich war etliche Jahre stinkwütend auf dich. Wie konntest du mich allein lassen?
Wie verzweifelt musst du gewesen sein und hast nichts gesagt.
Dabei war ich so stolz, dass wir alles besprochen haben, wenns Probleme gab.
Das Haus ist inzwischen voll mit Tieren, du hättest deine Freude.
In deine Wohnung ziehen bald 2 afghanische Flüchtlinge, Burschen in deinem Alter, das du damals hattest. Ich weiß, du klopfst mir jetzt auf die Schulter deswegen.
Hattest immer schon den gleichen Sozialtick wie deine Mutter.
Ich sitze hier verheult und hoffe, der Tag geht irgendwie vorüber.
Auch du hast nie ein Zeichen gegeben, dass du irgendwo bist, wie dein Bruder.
Bei andern fällt wenigstens ein Bild zu Boden oder sonst tut sich irgendwas Mystisches.
Nur ich warte immer noch.
Ich umarme dich und bis bald. Mutti
 
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