Alle Menschen ein wenig schizophren?

Ok, dein Exkurs zeigt, dass man das Wort "schizophren" etwas vorsichtiger gebrauchen sollte. Letztlich fällt mir aber auch kein passenderes Adjektiv für diesen Zustand ein. Egal, es ist psychologisch gesehen jedenfalls sehr interressant.

Ich glaube, "gespalten" ist ein ganz gutes Bild dafür, was du ausdrücken willst.
 
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Von Natur aus sind wir eins. Kinder sind immer eins.

Ich möchte das noch einmal etwas genauer darstellen.
Es gibt meiner Ansicht nach unterschiedliche "Grade" des Phänomens, das wir hier ansprechen, begonnen bei einem "innern Konflikt zwischen zwei Perspektiven", über eine Abspaltung, hin zur Spaltung.

1. Ungefähr ab dem 14-24 Monat ist ein Kind fähig, sich selbst im Spiegel zu erkennen. Ab diesem Zeitpunkt kann es die Ich und die Du-Perspektive koordinieren. Es kann also "denken" und dann auch in den nächsten Jahren "sagen", dass "ICH" dies möchte, aber auch sagen, dass der andere, "Du", etwas anderes möchte.
Sobald ein Mensch fähig ist, diesen "Konflikt" zwischen ICH und DU in sich aufrecht zu erhalten, gibt es schon eine Art "innere Spaltung". Ich kann z.B. dadurch, dass ich als Kind weiß, dass meine Eltern dies und das nicht möchten und das besonders möchten, versuchen, bestimmte Impulse von mir zu unterdrücken, die eigentlich meine eigensten wären, und ein anderes Verhalten zu spielen, weil ich weiß, dass die Eltern dies mögen und mich dafür belohnen. Dadurch spiele ich im Außen eine "Rolle", mit der ich mich vielleicht irgendwan auch identifiziere, und im Innen bleibt ein Rest zurück, der immer wieder Impulse sendet.
Aus meiner Sicht ist dies der Beginn des "Egos". Das Ego drückt immer schon eine solche Art von "innerem Widerspruch" aus, weil es Anerkennung für etwas möchte, mit dem es sich identifiziert, weil es in sich etwas Tieferes unterdrückt, das nicht geliebt wurde - weder durch die Eltern noch durch das Kind.
Derartige innere Konflikte kommen also dadurch zustande, dass ein Mensch fähig ist, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen. Der Psychologe Selman unterscheidet hier z.B. 5 Stufen http://everything2.com/index.pl?node_id=1275038 (Leider habe ich keinen deutschen Link gefunden.)

Davon unterscheiden muss man jedoch so etwas wie eine "Spaltung" oder eine "Abspaltung" des ICH.
Im ersten, beschriebenen Fall, findet ein Konflikt "IM" ICH statt. Aber das Ich wird nicht aufgespalten. Wenn das Ich nicht stark genug ist - man spricht in der Psychologie auch von "Ich-Stärke" - dann kann es auch sein, dass ein Mensch anhand dieser unterschiedlichen Perspektiven und sozialen Rollen viele "Identitäten" ausbildet. Z.B. beim Chef ist er so, bei der Frau so, bei dem Kind wieder so, und er schafft es nicht, eine einzige Identität durchzuhalten.
Das ist ein Phänomen das recht verbreitet ist. Das hat aber noch nichts mit "Spaltung" im eigentlichen Sinne zu tun. Es gibt immer noch EIN zentrales ICH, das dies alles beobachten kann, auch wenn es vielleicht die Konflikte verdrängt.

2. Im Gegensatz dazu führt eine wirkliche Spaltung dazu, dass mehrere ICHs in einer Person vorhanden sind. Dies nennt man dann multiple Persönlichkeit. Meinen Informationen zufolge liegt im Falle einer Multiplen Persönlichkeit in mehr als 80 Prozent der Fälle starker sexueller Mißbrauche - meist durch die eigene Familie - vor. Das Kind erlebt ein solch extremes Ereignis, dass es nicht fähig ist, eine "andere Rolle" zu spielen, sondern es spaltet das ICH auf, in einen Teil, der den Mißbrauch erlebt, und in einen anderen Teil, der sich zurückzieht und schützt. Bei weiteren Ereigenissen kann dann immer wieder eine neue Spaltung erfolgen, wenn sich dieser Mechanismus erst einmal etabliert hat.

3. Eine etwas weniger starke Variante ist die "Ab-SPaltung". Hier spaltet sich das ICh nicht in zwei unabhängige IChs auf, sondern lediglich ein ICh-Teil ab. Z.B. gibt es Menschen, die ihre Aggressionen abspalten und die ganze Zeit nur Helfen. Irgendwann kann es dann sein, dass alle Aggressionen hochkommen und sich gegen den richten, dem bisher geholfen wurde - Menschen mit einer einer Borderline-Persönlichkeitsstruktur zeigen beispielsweise derartiges Verhalten.
Dieses Verhalten kann allerdings nicht nur durch Abspaltung erfolgen, sondern auch durch eine Ego-Form, z.B. wenn ein Mensch immer eine "Helfer"-Rolle spielt, weil er dafür geliebt werden möchte und dann ausrastet, wenn er keinen Dank erhält - oben hate ich ja gesagt, dass das Ego sich mit Rollen identifiziert, weil es dadurch Anerkennung möchte, da es nicht geliebt wurde.


4. Ein ganz anderer Fall ist nun die "Schizophrenie". Meist tritt die Schizophrenie erst im Erwachsenenalter auf - bei Kindern ist es sehr selten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einem Menschen ausbricht, liegt bei EINEM Prozent - was ich persönlich recht hoch finde: jeder 100ste erlebt in seinem Leben Schizophrenie. Wenn man dies auf die User-Anzahl des Forums bezieht, dann kann man sich ausrechnen, wieviele Menschen diese Erfahrung also z.B. auch hier schon machen durften. Die Ursachen sind sehr unterschiedlich: es ist zunächst eine eindeutige genetische Komponente zu erkennen - da sie z.B. bei eineiigen Zwillingen häufiger auftritt als bei zweieiigen. Daneben ist auch die soziale Situation ausschlaggebend. Oft ereignet sich der Ausbruch in einer Umbruchsphase im Leben, die auch von starkem Stress begleitet ist.
Die häufigste Form der Schizophrenie ist die paranoide Form, die durch Halluzinationen und Wahnvorstellungen gekennzeichnet ist. Der Film "A beautiful Mind" schildert z.B. eine solche Geschichte.
Von einer "Spaltung" kann hier aber nicht die Rede sein.

Liebe Grüße,
Energeia
 
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