Mit den kleineren Brötchen bin ich sehr einverstanden. Was die Falsifizierbarkeit anlangt, ginge es allerdings genau andersrum. Es müssten prinzipiell falsifizierbare Thesen formuliert werden, die dann so lange als gültig erachtet werden, bis sie widerlegt sind. Wenn ich eine nicht falsifizierbare These aufstelle, entspreche ich eben genau nicht dem Kritischen Rationalismus von SKP.Astrologen sollten lieber kleinere und nicht falsifizierbare Brötchen backen und so Stück für Stück wissenschaftlich herleiten.
Popper hat vor allem eines geleistet: Beihilfe zum Primat dogmatischer Wissenschaftskirchen, vor allem der Naturwissenschaften, die den Kritischen Rationalismus gern als Killer-Argument verwenden, um alles als nicht-wissenschaftlich zu branden, was nicht in eine falsifizierbare Form gegossen werden kann.
In dem Zusammenhang halte ich Thomas S. Kuhn für lesenswert - hier auszugsweise zitiert:
Quelle: Hier
Jede Gruppe verwendet ihr eigenes Paradigma zur Verteidigung eben dieses Paradigmas. Wie bei politischen Revolutionen gibt es auch bei der Wahl eines Paradigmas keine höhere Norm als die Billigung durch die maßgebliche Gemeinschaft.
Gäbe es nur einen Satz wissenschaftlicher Probleme, nur eine Welt, in der man daran arbeitete, und nur einen Satz Normen für ihre Lösung, dann könnte der Wettstreit der Paradigmata mehr oder weniger routinemäßig durch irgendeine Prozedur, zum Beispiel das Auszählen der von jedem gelösten Probleme, erledigt werden. Aber in Wirklichkeit sind diese Bedingungen niemals voll gegeben. Die Befürworter konkurrierender Paradigmata stehen immer, sei's auch nur geringfügig, in Widerspruch zueinander. Keine Seite will all die nichtempirischen Voraussetzungen, welche die andere für die Vertretung ihres Standpunkts braucht, zubilligen. Wie Proust und Berthollet bei ihrem Streit über die Zusammen- setzung chemischer Verbindungen, müssen sie teilweise aneinander vorbeireden. Wenn auch jeder hoffen mag, den anderen dazu zu bringen, mit seinen Augen zu sehen, so kann doch keiner hoffen, seinen Standpunkt als den richtigen zu beweisen. Der Wettstreit zwischen Paradigmata kann nicht durch Beweise entschieden werden.
Und vor allem auch die Radikalen Konstruktivisten, von denen Du ja gern H. v. Förster nennst, funken ganz grundsätzlich auf einer anderen Wellenlänge als Popper, unter ihnen etwa auch Maturana als Biologe. Wenn ich auch Wissenschaftstheorien als Konstrukte begreife, Popper inklusive, dann kann ich auch para-wissenschaftliche Theorien wie etwa verschiedene Schulen der Psychotherapie, der systemischen Soziologie, der Bionik, der Physik (auch da gibt's einiges jenseits von Poppers Postulaten) und auch der Astrologie nach Kriterien der Viabilität einschätzen und zum Beispiel mit Christopher Weidner fragen, was es bringen kann, Astrologie als "nützliches Konstrukt" zu betrachten. Ich räume da gern ein, dass Vieles in astrologischen Theoriegebäuden hinsichtlich Viabilität den Charme einer Sackgasse hat, von der Praxis ganz zu schweigen. Über Abgrenzungen zwischen kausalen und systemischen Konstrukten wäre da auch noch einiges zu sagen ... aber nicht alles auf einmal ;-)
Apropos Praxis: Einmal dabei bleibend, dass Radices gegenüber den verschiedenen divinatorischen Verfahren einen besonderen Stellenwert hätten, dann sind ja zumindest die Ereignis-Radices all der mundanen und privaten Katastrophen dieses Jahres (also nicht die Betrachtung als Transit über irgendwas) von halbwegs markanten gemeinsamen Faktoren geprägt, was dann sinnvolle Überlegungen zu einer Mundanastrologie doch wieder nahelegt.
Ich meine auch, dass diese Transititis "oh Gott, Pluto geht durch mein 1. Haus" eher daneben ist. Es überlagern sich nach meiner Sicht da (mindestens) zwei komplexe Systeme, wenn ich Transite betrachten will: die Schicht des betrachteten Nativen-Radix und die Schicht der Transite als ebenfalls volles Horoskop, als Radix des Hier & Jetzt, in dem das Nativen-Radix gerade unterwegs ist. Transite machen für mich nur Sinn, wenn sie als umfassende Synastrie zum Geburtshoroskop eingesetzt werden. Freilich ist das komplizierter als im Traumbuch nachzulesen, was Jupiter in 5 bedeuten mag ... hat ja auch keiner versprochen, dass es leicht sein würde.
Schönen Sonntag,
Jake