Geheimnisse
Bud McIntosh hatte alle Angelegenheiten seines verstorbenen Freundes Alexander Solomon geregelt. Er hatte sich für ein paar Tage auf seinen kleinen Landsitz im südlichen Kalifornien zurückgezogen, als ihn die Nachricht des Nachlassverwalters erreichte. Am nächsten Tag war die Testamentseröffnung gewesen und Bud McIntosh war aus allen Wolken gefallen. Al war sein bester Freund und das schon lange. Er hatte auch sicher damit gerechnet, von ihm bei der Verteilung seiner Erbes bedacht zu werden, aber dass er das komplette Vermögen seines Freundes erben würde, dass holte ihn fast von den Socken.
Er wusste, dass Al keine Familie gehabt hatte, dennoch hatte er damit gerechnet, dass er an gewisse Organisationen spenden würde oder etwas Ähnliches - doch nichts dergleichen - alles ging an ihn. Das Einzige, worum Al ihn in einem persönlichen Brief ganz eindringlich gebeten hatte, war sich der Sache in Ägypten voll und ganz zu widmen. Er weihte ihn in seine Geheimnisse ein. Dinge, die Bud bislang als Spinnereien abgetan hätte, aber die Erklärungen und Beweise in Al's Aufzeichnungen waren so eindeutig und erdrückend, dass er sich der Sache annehmen wollte undzwar mit ganzer Kraft und vollem Einsatz, ja mit Allem was er hatte. Das war er seinem Freund schuldig.
Er setzte die Maschinerie in Bewegung. Bald würde er wieder am Gizeh-Plateau sein. Alles war gut vorbereitet. Bald würde er sie in seinen Händen halten. Die Ringe. Die Kristalle. Die ganze Kraft und diese grosse Macht. Er würde Geschichte schreiben und die Welt neu ordnen, mit ihm an der Spitze! Es würde gigantisch werden, doch zunächst musste er nach Ägypten, sich die Ringe und Kristalle holen und in Sicherheit bringen. Danach hatte ihm Al das Prozedere genau aufgeschrieben, wie er mit den Ringen und den Kristallen verfahren sollte. Morgen in aller Frühe ging der Flieger nach Kairo.
Bud nahm sich noch einmal den Brief von Al vor. Brief? Naja, eigentlich war es eher ein Roman. Zweimal las er das gesamte Werk an diesem Tag noch durch, bis er am Abend müde ins Bett fiel. Sofort schlief er ein. Der Traum kam schnell...
Bud McIntosh sah sich im Wüstensand stehen. Er sah an sich herunter und bemerkte die altägyptische Kleidung, Sandalen die an den Waden geschnürt waren, die typische ägyptische Kopfbedeckung. Von Ferne blickte er auf die Pyramide. Die Sonne stand hoch am Himmel und er konnte den Blick auf die Spitze nicht lange halten, weil er stark geblendet wurde. Sie sah anders aus. Die Wände waren glatt und die Spitze. Sie war aus Gold...
Das Pyramidion!
Es war also tatsächlich einmal da. Die goldene Spitze. Weithin war ihr Glanz zu sehen. Er wusste, dass das Pyramidion abtransportiert werden sollte. Zuerst wusste er nicht warum, aber er wusste es. Dann wechselte die Szene im Traum.
Er war nahe an der Pyramide. Es war Nacht. Langsam schwebte das Pyramidion zu Boden. Der Pharao persönlich lenkte mit erhobenen Händen den schweren Block auf einen bereit stehenden Wagen. Zehn Pferde waren angespannt, um das wertvolle Stück abzutransportieren. Es sollte an einen geheimen Ort in der Wüste gebracht werden. Tief unter der Erde sollte es versteckt werden. Wadi xu-lah. Die alte Oase war dazu ausersehen worden und er, Notha-Ramh, sollte sie dorthin führen. Der Transport war in seine Hände gegeben worden. Er galt als verschwiegener Vertrauter des Hofes und war vom Hohepriester mit dieser wichtigen Aufgabe betraut worden. Nachdem das Pyramidion abgedeckt worden war, trieb er sogleich Pferde und Männer an, um keine Zeit zu verlieren.
Vier Tage hatte der Hin- und Rückweg gedauert. Alles war sicher verstaut. Gleich nach seiner Rückkehr begegnete ihm dann sein Unglück. Ihr Name war Nirfat. Sie hatten sie bei Hofe eingeschleust und auf ihn angesetzt. Mit all' ihren weiblichen Reizen umgarnte sie ihn geschickt und schliesslich erlag er ihr mit Haut und Haaren. Sein Unglück bestand darin, dass eine Wache das Gespräch mithörte, in dem er Nirfat das geheime Versteck des Pyramidions verriet.
Eine halbe Stunde später waren sie beide den Krokodilen zum Frass vorgeworfen worden. Ihre Inkarnation war beendet. Das Versteck blieb geheim. Als sich für Bud die Szene im Traum wiederholte und er auf der Wasseroberfläche des Krokodilbeckens aufschlug, schreckte er hoch. Sein Atem ging heftig und ein Zittern erfüllte ihn. Er sah auf seinen Digitalwecker. Nur noch eine Viertelstunde. Das lohnte sich nicht mehr. Gleich ging sein Flieger und es lohnte sich nicht mehr, sich noch einmal hinzulegen. Er ging unter die Dusche. Als er sie aufdrehte glaubte er zuerst, das brackige Wasser des Krokodilbeckens zu riechen.
Bud McIntosh machte sich fertig und liess sich zum Flughafen fahren. Am Nachmittag des Tages betrat er ägyptischen Boden. Er traf sich mit einigen seiner Vertrauten Männer in einer kleinen Pansion ausserhalb der Stadt und kurz darauf waren sie auf dem Weg zur Pyramide. Bud gefiel es sehr, dass gerade jetzt hier ein grosses Erdbeben stattgefunden hatte. Es passte ihm gut in seine Pläne. Die Menschen waren abgelenkt und hatten mit der Bergung von Verletzten und Aufräumarbeiten reichlich zu tun. Die Aufmerksamkeit war von der Pyramide abgezogen. Dann kamen sie an. Bud sah, dass auch die Pyramide Schaden genommen hatte und besprach mit seinen Männern den Einstieg.
* * * * * * * * * *
Die Fünf sassen alle zusammen am Tisch und hatten gerade ihr Frühstück beendet. Nani half Suchalla beim Abräumen. Anschliessend setzten sie sich alle an den Tisch und Howart begann zu erzählen....
"Wisst ihr, es ist schon erstaunlich, wie sich alles zusammenfügt. Vor ein paar Monaten hat sicher noch keiner von euch daran gedacht, dass wir hier zusammenkommen würden, oder?" Er schaute in die Runde.
Alle schüttelten die Köpfe.
"Obwohl, warf Ahmed ein, irgendwann setzten bei mir diese seltsamen Träume ein und ab da hatte ich das Gefühl, dass sich etwas verändern würde oder etwas Wichtiges geschehen wird."
"So ging es mir auch, warf Elmer ein. Zuerst kamen diese Träume, dann die Geschichte im Aufzug, ja und dann das Museum. Zuerst habe ich wirklich gedacht, ich werde verrückt."
"Mich hat mein Traum von Atlantis sehr fasziniert, sagte Nani. Die Gegend hatte so eine ganz besondere Ausstrahlung, selbst im Traum. Und dann die Zerstörung.... so etwas Gewaltiges. Einfach unvorstellbar."
"Weiss man eigentlich, woher die Kristalle und die Ringe stammen?", wandte sich Elmer an seinen Grossvater.
"Es gibt eine sehr sehr alte Legende darüber, antwortete Howart. In grauer Vorzeit lebten auf der Erde Wesen, die mit enormen geistigen Kräften ausgestattet waren. Sie waren nicht körperlich und erhielten ihre Lebensenergie von der Sonne und nur durch ein leichtes Schimmern hätte man sie wahrnehmen können. Per Gedanke konnten sie sich überall hin bewegen und auch Dinge bewegen. Sie waren also nicht materiell, konnten aber Materie bewegen. Sie nannten sich die Mu. Woher sie genau kamen, weiss man nicht, jedenfalls nicht von dieser Erde. Auch waren sie alterslos und sollen von unglaublicher Schönheit gewesen sein. Es herrschte Frieden unter ihnen und sie verständigten sich nonverbal. Viele Jahrhunderte lebten sie hier - jedenfalls nach unserer Zeitvorstellung. Dann eines Tages zogen sie weiter und verliessen die Erde wieder. Einer von ihnen jedoch blieb zurück. Sein Name soll Urial gelautet haben."
"Es heisst, dass er nach einiger Zeit sehr unter der Einsamkeit gelitten haben soll und seine geistige Hülle sich mehr und mehr verfestigt haben soll. Als er die Erde dann auch verlassen wollte, zerplatzte seine Hülle ausserhalb der Erdathmosphäre und ein Regen von Kristallen fiel zur Erde zurück und glühte zu kleineren Stücken zurück, die dann auf die verschiedenen Kontinente nieder gingen. Viel später fanden andere höher entwickelte Wesen diese Kristalle und entdeckten die Kräfte in ihnen. Man nannte sie die Atlanen. Mit dem Wissen um die Kräfte in den Kristallen sollen sie den ersten Ring geschmiedet haben und grosse Kraft auf ihn übertragen haben. Es heisst, dass der erste Führer der Atlanter ihn getragen hat."
"Aira-Mu wurde erst später gefertigt. Von einem Mann, der den Führer der Atlanter stürzen wollte. Er hat eine völlig andere energetische Schwingung, wie ihr sicher bereits bemerkt habt und man darf sie auf keinen Fall zu nahe zusammenbringen, denn sonst gibt es eine grosse Katastrophe. Sie waren schon immer sehr verschieden, wie die beiden Kontrahenten damals im alten Atlantis und passen absolut nicht zusammen. Ich kann auch nicht sagen, wie nahe man sie zusammen bringen darf, es ist eher eine Sache des Gefühls."
"Sie würden somit also beide aus der atlantischen Zeit stammen. Aber wie bereits gesagt, es ist eine Legende."
"Sowohl den Kristallen als auch den beiden Ringen ist also zweifellos Eines gemeinsam: In ihnen befinden sich unglaublich starke Kräfte. Im Laufe der Zeit haben sich viele Menschen mit Atlantis beschäftigt und manche haben auch etwas Wesentliches herausgefunden. Dies wurde aber immer geheim gehalten. Nichts davon drang an die Öffentlichkeit und die Spuren, Hinweise und Fakten wurden verschwiegen, um diese zum eigenen Vorteil zu missbrauchen. Die Geschichte um Atlantis wurde von manchen Menschen ins Lächerliche gezogen, um davon abzulenken, damit sie ungestört weiter daran foschen konnten. Genau diesen Menschen sollte man mit Vorsicht begegnen, denn sie träumen davon, sich selbst diese Kräfte zunutze machen zu können."
Ein, zwei Minuten lang herrschte Schweigen am Tisch, als Howart geendet hatte. Doch dann brachen sie auf, denn sie hatten noch etwas zu erledigen auf dem Plateau.
Der Gang der Sphinx und die Pyramide warteten auf sie.
Und noch etwas Anderes.....
H.A. - hier genannt Tolkien