Kapitel 16
"Mr. Solomon", ein Anruf für Sie! Möchten Sie ihn gleich hier annehmen, oder darf ich Ihnen das Gespräch an einen anderen Ort legen?", fragte der freundliche Mann an der Rezeption des Hotels. Alexander Solomon hatte die Hotelhalle fast durchschritten und ging auf den nett lächelnden Angestellten zu. "Geben Sie es mir gleich hier auf die Faust", sagte Solomon. Der Mann reichte den Hörer an Solomon und entfernte sich dezent ein Stück. "Ja hallo?, Solomon. Ah, Sie sind es, Herr Direktor! Schön, von Ihnen zu hören." Solomon hörte dem Direktor der ägyptischen Altertumsbehörde am anderen Ende der Leitung eine Weile zu und wer ihn kannte, der wusste anhand seines Gesichtsausdruckes, dass er kurz vor einer Explosion stand. Der Hotelmitarbeiter hatte ein gutes Gespür für solche Dinge. Er zog sich vorsichtshalber noch ein paar Meter nach hinten zurück.
Mit einer abschneidenden Handbewegung und scharfem Tonfall nahm Solomon das Gespräch unmissverständlich wieder an sich. "O.K. Mister Super-Direktor", sprach er ein wenig zischelnd ins Telefon, "ich habe Ihnen ganz deutlich gesagt, was ich will und was ich brauche und wann ich es brauche. Ich habe Ihnen auch dargelegt, was ich tun werde, wenn Sie mir meinen kleinen Wunsch nicht erfüllen können. Da Sie mir nicht helfen wollen, werde ich unverzüglich die richtigen Stellen über Ihre peinlichen Unternehmungen unterrichten. In zehn Minuten ist dann alles in der Welt. Guten Tag". Dann beendete er das Gespräch, legte den Hörer auf die Theke am Empfang und nickte dem netten Mitarbeiter kurz dankend zu.
Zügigen Schrittes ging Alexander Solomon auf den Ausgang des Hotels zu. Kaum ein paar Schritte weiter wurde er abermals vom Mann an der Rezeption angesprochen. "Ach äh, Mr. Solomon, könnten Sie noch einmal kurz?" und winkte Solomon mit dem Hörer zu. Solomon wandte sich um. "Der Herr Direktor noch mal für Sie!" Solomon ging auf die Rezeption zu. Er wusste, dass er gewonnen hatte. Er hörte dem Direktor kurz zu. Ein Lächeln überzog sein Gesicht. "In Ordnung Herr Direktor, sehr schön! Wir werden dann also morgen früh beginnen können, ja? Wie Wunderbar! Ich freue mich immer wieder, wenn ich mit Ihnen zusammenarbeiten darf. Grüssen Sie Ihre Gattin bitte ganz nett von mir, ja? Auf Wiederhören!"
Mit einem spitzmündigen Grinsen gab Solomon den Hörer abermals an den Hotelmitarbeiter zurück.
Auf dem Weg zum Ausgang zog Solomon sein Handy aus der Tasche und wählte Bud Mcintosh an. "Hey Bud, morgen können wir wieder auf das Gelände zurück, ich habe mit dem Direktor gesprochen. Er hat zuerst rumgezickt, aber letztlich wollte er dann doch nicht, dass seine pädophile Neigung öffentlich gemacht wird und hat meinem Vorschlag zugestimmt. Also klemm' Dich hinter die Geschichte mit den Jungs Bud, damit wir nun zügig weiter machen können". "Ich habe auch ne' gute Nachricht für Dich, Al. Hätte Dich eh gleich angerufen. Unsere Jungs sind in einer Stunde in der Luft und landen morgen früh in Kairo. Na, was sagst Du?" "Wenn Du jetzt hier wärest, würde ich Dich küssen Bud, toll! Das sind sehr gute Nachrichten. Können wir uns dann so in zwei Stunden im Hotel treffen? Ich muss jetzt noch mal kurz weg ein paar Dinge für morgen organisieren und bin danach wieder in meinem Zimmer." "O.K. Al, wir treffen uns dann in zwei Stunden bei Dir."
Etwa zweieinhalb Stunden später sassen Al Solomon und Bud McIntosh gemeinsam beim Essen im Zimmer von Al Solomon. Al hatte ihre Leibspeise aufs Zimmer kommen lassen. Rinderfilet mit diversen Beilagen. Heute war ein guter Tag gewesen. Alles hatte sich zu ihrer Zufriedenheit entwickelt. Die beiden Freunde besprachen noch verschiedene Dinge für den nächsten Tag und gingen dann recht früh gegen 22.00 Uhr schlafen. Sie wollten am nächsten Tag früh aus den Federn und es würde ein langer Tag werden, so viel stand schon mal fest.
Um kurz nach 9.00 Uhr passierten Al Solomon und sein Freund Bud McIntosh am nächsten Morgen die Absperrung auf dem Gizeh-Plateau. Es war alles bestens vorbereitet. Als Sichtschutz war aus einem fadenscheinigen Grund über der Vorderpranke der Sphinx ein Zelt aufgestellt worden. Bohrgerät stand bereit. Die Jungs und jede Menge Gerät waren vor Ort. Zunächst war aber erst mal grosses Schulterklopfen angesagt. Seit dem Ende des Irakkrieges hatten sich die meisten von Ihnen nicht mehr gesehen und es gab Einiges zu erzählen. Etwa eine halbe Stunde später sassen Al Solomon und Bud McIntosh im Zelt über der Vorderpranke der Sphinx und schauten auf einen Monitor. Eine Kamera war durch ein frisch gebohrtes Loch in den Innenraum unter der Sphinx herab gelassen worden. Eine Treppe war zu erkennen. Sie führte in die Tiefe. Das Kamerakabel würde nicht ausreichen bis ganz nach unten, so viel war schon mal klar.
"Komm' Bud, lass uns das Ding sofort aufmachen, wir brauchen jetzt nicht mehr zu sehen. Es ist offensichtlich, vergeuden wir keine weitere Zeit mehr." "Hast' Recht Al." Kurz darauf wurde die jahrtausende alte Pranke der Sphinx mit einem Presslufthammer bearbeitet und eine Öffnung geschaffen, die einem erwachsenen Mann Platz zum Einstieg in die Unterwelt bot. "Wir brauchen Lampen, Seile und Kameras. Sam Riley und Walter Simmens werden uns hinunter begleiten," entschied Solomon. Die Männer machten sich bereit zum Einstieg. Fünf Minuten später stieg Al Solomon als dritter Mann in die Sphinx ein und ging eine Treppe hinab, die er sehr lange Zeit nicht gesehen hatte. Bud McIntosh bildete den Schluss. Jeder von ihnen hatte eine Stablampe in der Hand. An ihrer Stirn hatten sie alle eine weitere kleine Lampe mit einem Stirnband befestigt. Mit jedem Schritt in die Tiefe zitterten die kleinen Lichter und sorgten für eine gespenstische Beleuchtung. Es war kühl hier unten. Die Treppenanlage war erstaunlich gut erhalten. Staub und Sand hatten sich dort abgelagert, aber ansonsten sah alles aus wie gerade erst erbaut.
Es waren einige Minuten vergangen, als sie unten ankamen und jeder von den vier Männern hätte sich eine Jacke gegen die Kühle hier unten gewünscht. Etwa dreissig Meter unter dem Sand der Sahara bewegten sich vier Männer durch einen unterirdischen Gang in Richtung der grossen Pyramide, in der Hoffnung auf einen Sensationsfund in der Halle der Erkenntnis. Al Solomon wollte den Ring finden und er wollte ihn für sich. Bud McIntosh, sein bester Freund, war hier weil sein Freund hier war und weil er ihn unterstützen wollte. Ihn interessierte das Abenteuer, der Reiz, das Ungewisse und die Gefahr. Riley und Simmens, die beiden Männer welche die Vorhut bildeten, machten es des Geldes wegen. Solomon zahlte viel. Er zahlte schnell und war grosszügig. Wenn man keine Fragen stellte, kam man gut mit ihm klar.
Nachdem sie das Ende der Treppe erreicht hatten, taten sich zwei Gänge auf. Einer ging nach links ab und einer führte zur rechten Seite weiter. Solomon zögerte kurz. "Rechts!", sagte er nur kurz und wies mit seiner rechten Hand in die Richtung. Bud wunderte sich gerade ein wenig über seinen alten Freund und dachte: Zielsicher, als wäre er schon mal hier gewesen. Sie waren etwa zwanzig Meter in den Gang vorgedrungen, als Solomon ein seltsames Gefühl erfasste. Er wurde unruhig. Etwas stimmte nicht. "Seid nun ganz vorsichtig da vorne", wies er Riley und Simmens an, "es könnten Fallen eingebaut sein. Die alten Ägypter waren Meister in solchen Dingen." Riley und Simmens hielten kurz inne und sahen zu Solomon und McIntosh zurück. Mit einer nach vorne deutenden Handbewegung trieb Solomon sie aber wieder weiter an. "Los doch, weiter. Aber vorsichtig! Geht langsam und schaut euch um nach ungewöhnlichen Dingen - Steine, die eine andere Farbe haben oder so etwas. Leuchtet alles genau aus, bevor ihr drauf tretet."
Die beiden Männer drehten sich wieder nach vorne und gingen vorsichtig weiter. Solomon hatte das Gefühl, dass der Lichtstrahl der Taschenlampen der beiden Männer nun ein leichtes Zittern aufwies. Der Gang machte eine kaum wahrnehmbare Biegung zur rechten Seite. "Stop", schrie Solomon die Männer plötzlich aus Leibeskräften an. Riley erschrak so sehr, dass er die Stablampe fallen lies. Solomon konnte sich erinnern. Hier war etwas. Nicht einfach weiter gehen! Vorsichtig! Er schloss vorsichtig zu den Männern nach vorne auf und leuchtete mit der Stablampe die Wände links und rechts ab. Dann blieb der Lichtstrahl seiner Lampe an einem Stein hängen, der ein klein wenig hervorzustehen schien - fast nicht zu erkennen. Solomon drängte die Männer zurück und leuchtete den Boden ab. Da! Ein Stein war etwas tiefer als die anderen. Solomon liess sich von Simmens einen Hammer geben, zielte genau und warf ihn auf den Stein, der ihm aufgefallen war. Schnell wich er mit den anderen Männern zurück.
Keine Sekunde zu früh! Als der Hammer den Stein berührte, gab dieser nach und weitere Steine an der Wand und in der Decke lösten sich. Eine übel stinkende Flüssigkeit wurde aus dem Boden, der Decke und den Wänden verspritzt. Die Männer wichen noch weiter zurück. "Salzsäure!", rief Riley. Das ist Salzsäure! So eine Sauerei!" "Verdammt noch mal, da haben Sie aber ein Näschen gehabt, Mr. Solomon. Ohne Sie und ihre Eingebung würden wir jetzt übel aussehen", sagte Riley. "Ja, wenn wir weiter gegangen wären, hätten wir nie mehr zum Frisör gemusst", meint Bud McIntosh. Solomon schmunzelte. Der Gestank hatte sich ein wenig verzogen und die Männer gingen vorsichtig weiter. Die Lichtkegel der beiden vorangehenden Männer zitterten noch mehr als vorher und Bud McIntosh beschlich ein ungutes Gefühl. Er fühlte sich beobachtet.
Und er ahnte nicht, wie richtig er damit lag.....
H.A. - hier genannt Tolkien