Hallo Felice,
ich hab einige Erfahrung mit dem Thema gemacht und möchte dir gerne berichten.
Angefangen hat alles mit meinem Sohn. Schon als Kleinkind sehr schwierig (hat sich ständig derart aufgeregt, dass er alles vollgespien hat, massive Schlafprobleme, Unruhe ohne Ende), wurde es in der Schule richitg deutlich. Sein Lehrer empfahl mir, ihn auf ADHS testen zu lassen. Das war mir zu doof, mir war eh klar, dass er in die Kategorie ADHS hinein passt, da brauchte es kein Austesten.
Mit dem Wissen für den HP für Psychotherapie gerüstet, machte ich mich selbst auf Spurensuche nach Lösungen und wurde fündig.
Was geholfen hat: schon im Kleinkindalter gewöhnte ich mir an, mit ihm zu sprechen, wie mit einem kleinen Erwachsenen. Er wollte für voll und ernst genommen werden. Wichtig war mir, ihm immer wieder zu erkären, was bei ihm geschieht, ihm liebevoll zu spiegeln, welche Muster bei ihm ablaufen (wenn er sich z.B. ärgert). Und ich habe ihn, wenn er sich selbst nicht mehr unter Kontrolle hatte, liebevoll, aber bestimmt festgehalten (später hab ich gelesen, dass es so eine "Festhaltetherapie" tatsächlich gibt). Jedenfalls, das Festhalten war sehr hilfreich. Auf die Art und Weise hat er langsam gelernt, sich selbst einzuschätzen und in entsprechenden Situationen sich selbstsändig zurück zu ziehen, wenn er es brauchte.
Ein anderer, sehr hilfreicher Ansatz, war, Grenzen zu setzen. Diese Grenzen waren klar ausgesprochen, z.T. auch regelrecht miteinander ausgehandelt (wieder das Prinzip des "kleinen Erwachsenen"). Allerdings musste es auf der anderen Seite auch Bereiche geben, wo er (mehr als vielleicht andere Kinder in seinem Alter) selbst bestimmen durfte.
Da er total versessen auf Computerspielen war, führte ich ein Punktesystem ein. Denn die Hausaufgaben musste ich lange Zeit mitbetreuen (seine Aufmerksamkeit immer wieder auf die Übungen lenken
), und zusätzlich musste er Übungen machen, um den Schulstoff zu bewältigen. Die Übungen fand ich in Büchern aus der Bücherei, da gibt es einige Materialsammlungen in Bezug auf Legasthenie, Dyskalkulie usw., die auch gut für ADHS-Kinder sind. Hausaufgaben ohne Ärger machen, Zusatzübungen machen, das gab alles Punkte. Und die Punkte konnte er dann in Computerspielzeit umwandeln. Für was es Punkte gab, haben wir wiederum gemeinsam ausgehandelt (gleichwertiges Stimmrecht von Erwachsenem und Kind).
Klare Regeln, Selbst-Beobachtung bzw. Selbst-Verstehen, seinen Körper spüren (auch hier die (Haut)Grenzen spüren durch Berührung), kleine Fitness-Einheiten als Pause zwischen den Hausaufgaben (und das konnte am Anfang schon nach 10 min. nötig sein), Belohnungen, Ernst-Nehmen und als gleichwerrtigen Verhandlungspartner betrachten, und Freiheit dort, wo ich sie (gerade noch) vertreten kann ... das hat alles gefruchtet.
Der Lehrer war so erstaunt, dass er mich anderen Eltern weiter empfahl, und ich auf diese Weise mit einigen Kindern und Eltern gearbeitet habe.
Übrigens - mein Sohn ist inzwischen 16 Jahre alt, und all das hat sich "verwachsen". Ein großes Glück war, dass er nach jahrelangem Ausprobieren von dieser und jener Sportart endlich "seinen" Sport gefunden hat. Da ist er inzwischen einer der besten in der Region. Er geht in die 10.Klasse, lernt selbstständig, bringt gute Noten heim, ist ein Mathe-Profi und will mal Informatik studieren. Und wenn er sich ans Klavier setzt und spielt ... super talentiert, sehr diszipliniert, absolut selbstständig und zuverlässig. So kanns auch ausgehen
Liebe Grüße
Terrara