unbedingt
@Trixi Maus
Schmerz ist ein, wie Du das nennst, sehr guter Achtsamkeitstrainer. Wie lässt sich Schmerz denn für gewöhnlich steigern? Oder eben das Leid dabei verringern?
Guten Morgähn @alle
Salut Amant,
ich kann nur von mir und meinem Schmerzsyndrom (Brustwirbelsäule) berichten. Bei mir ist es lange so gewesen, daß ich eigentlich nur hinspüren musste und dann war der Schmerz da. Eine Möglichkeit hinzuspüren und schmerzfrei zu sein gab es lange nicht. Trotzdem habe ich, weil ich Autogenes Training mache, immer wieder, also täglich über mehrere Jahre hinweg, die Stelle aufgesucht und mich in sie versenkt. Rein körperlich versenkt, zunächst, mit dem Schmerzsinn und dem Lagesinn, dem Körperbild und dem Körperschema. Das sind alles Sinneskanäle, mit denen man den Raum wahrnehmen üben kann.
Man kann das Körperschema über den Schmerzsinn legen und den Schmerz verschieben. Es lockert sich dann auf Dauer das verkrampfte Gewebe im schmerzenden Raum und die Stelle wird beweglicher.
Man kann das Körperbild nutzen und die schmerzende Stelle in den umliegenden Raum verbreitern. Es wird wie bei einem Berg an manchen Stellen möglich sein, den Berg hinabzuklettern und die Verkrampfung wird sich lösen. An anderen Stellen wird es nicht gelingen und gerade an diesen Stellen sollte man arbeiten. In ihnen steckt sozusagen der Schmerz. Man muß, um im Bild des Berges zu bleiben, klettern lernen. Die Korrektur der Haltung geht dann ruckartig, es springt mal ein Gelenk rein oder es dreht sich mal eine Rippe. Mit vertieftem Ein- und Ausatmen kann man das a) ertragen
und b) den festsitzenden Bereich (Blockade) gezielt lockern und dann knackt es sich frei.
Generell ist Gehen gut. Laufen eher nicht, es sei denn man läuft in laichtathletischer Manier mit aufrechtem Oberkörper. Und setzt die Füsse richtige auf. Das tuen aber Jogger z.B. nie, und die übliche Jogg-Bewegung empfiehlt sich nicht.
Generell muß man begreifen, daß Schmerz nicht dort entsteht, wo man ihn spürt. Sondern dort sind nur Rezeptoren, sog. Nozirezeptoren, die überall im Körper verteilt sind und Schmerz wahrnehmen. Zu allen schmerzenden Stellen führen aber auch andere Sinneskanäle, die man aktivieren und nutzen kann. Ihre Aktivierung und Nutzung kann den Schmerzsinn "neutralisieren", ihn überlagern.
Das Gehirn kann lernen, die Stelle anders wahrzunehmen. Der Körper eher nicht. Daher geht es darum, dem Gehirn etwas beizubringen, im Endeffekt. Durch die Veränderung des Wahrnehmungsverhaltens.
Gute Tips bei Schmerzsyndromen im Bewegungsapparat sind auch das Durchbewegen. Davor muß man ggf. etwas gegen die Schmerzen oder auch zur Lockerung der Muskulatur einnehmen. Und dann sollte man z.B. Yoga-Übungen suchen, die gezielt diesen Bereich ansprechen. Oder ganzheitliche Bewegungen machen wie Chigong oder Taichichuan. Letzteres hat den riesengroßen Vorteil, daß die Wahrnehmung des gesamten Körpers dabei geschult wird und so die Stelle letztlich aufgesucht werden kann und ihr einfach der Chi-Krampf genommen werden kann. Dann hat man punktuell Ruhe sobald man sich das wünscht. Man muß dann nur Taichi beherrschen, einigermassen, als innere Arbeit zum Lenken und Leiten von Chi.
Letztlich gilt auch: ein gutes Mittel ist Ablenkung. Und sogar Verdrängung bewährt sich bei mir immer häufiger. Wichtig ist schließlich nur: der Schmerz muß weg. Ich will ihn nicht. So frei muß man sein, im Willen, daß man das für sich bestimmt und immer wieder ein für alle Male beschliesst: ich will den Schmerz nicht.
Und auf diese Weise der Beschlußfassung entsteht dann möglicherweise ein biographischer Prozeß. Man windet sich aus dem Schmerz des Lebens heraus, eine Art Neugeburt geschieht. Bei den Christen geht sowas z.B. in Mutter Maria, bei den Buddhisten ist der Buddha das Mitgefühls sehr beliebt - irgendeine innere seelische Aufrichtung wird man schon finden mit der Zeit. Und dieser Aufrichtung folgt der Körper, Schritt für Schritt, mit jeder kleinen Erleuchtung. Mit jeder Desillusionierung, jeder Vertiefung des Leids, mit jedem neu gefundenen Glück und jedem schmerzarmen Moment.
lg
(Hand dabei drauf legen und hineinatmen, wenn man es nicht erreichen kann stattdessen vorne und/oder an der Seite die Hand drauflegen)