Ich sehe das alles aus einem anderen Blickwinkel. Ich wurde mit 14 Jahren sexuell missbraucht und habe lange so gedacht wie viele hier. Anfangs habe ich es total verdrängt und vergessen und als ich mit 22 durch einen Schicksalsschlag wieder daran erinnert wurde, war es schrecklich. Ich war total gefangen in der Opferrolle. Alle bemitleideten mich, aber niemand half mir. Es war schrecklich. Ich ging die Schritte die sie alle gehen. Zuerst Selbstmitleid/Opferrolle, danach kommt die Schuldzuweisung, dann kommt der Hass, nach dem Hass folgt das ausgebrannte Gefühl, die Leere und in dieser Leere erkennst du dann, das niemand schuld hat und Hass dich nicht weiter bringt. Du lernst zu verzeihen, zu verstehen und zu akzeptieren. Man spricht darüber und bei jedem Mal erzählen wird es klarer und verständlicher. Man merkt dann auch, dass es ein Teil von einem ist und man es nicht abstreiten darf, weil man sich sonst selbst beschneiden würde.
Sicherlich bleiben manche Dinge haften (Ängste, Verzweiflung, etc.) aber solange sie nicht überhand ergreifen und nur in gewissen Situationen und Stimmungen auftauchen, ist es akzeptabel. Man darf sich nicht gefangen halten von einer vergangenen Situation. Man muss lernen damit zu leben um Leben zu können.
Ich bin meinem Peiniger nicht mal mehr böse, dass er das getan hat. Ich habe auch kein Mitleid mit ihm und auch keine Angst mehr. Ich bin gewachsen durch die Erfahrung und durch die Phasen die ich durchgemacht habe. Deswegen finde ich es wichtig, dass man mit Schuld, Mitleid, Hass usw. vorsichtig umgeht. Es sind nur Situationsmomente die dir kurzzeitig helfen etwas zu überwinden aber am Ende musst du lernen zu verzeihen und zu vergeben. Aber niemals solltest du vergessen!!!