7 Monate nach Papas Tod

strawberryfire

Neues Mitglied
Registriert
15. Februar 2008
Beiträge
9
Ich hab schon ganz oft hier im Forum mitgelesen, aber nie selbst einen Eintrag verfasst. Das letzte Jahr war sehr hart für mich und ich weiß bis zum heutigen Zeitpunkt nicht, wie ich das alles durchstehen konnte und wie sich mein Leben jetzt weiter gestalten soll.

Am 06.07.07 ist mein Papa gestorben. Im Schlaf. Er hat sich schlafen gelegt und ist nie wieder aufgewacht.

Alles nahm im Jänner 2007 seinen Anfang, als unser Hausarzt uns mitteilte, dass Papas Tumormarkerwerte erschreckend hoch sind. Er wusste schon im Dezember davon, wollte uns aber nicht die Feiertage verderben. Laut Arzt deutete alles auf eine Veränderung des Gewebes im Magen-Darm-Bereich hin. Zahllose ergebnislose Untersuchungen waren die Folge. Es gab keine Geschwüre, keine Geschwulst, keinen Tumor im Magen-Darm-Trakt. Alles schien in bester Ordnung zu sein.

Im Februar klagte Papa oft über Rückenschmerzen. Dabei hat sich wohl keiner was gedacht. Dass man mit 63 Jahren ab und zu Rückenschmerzen hat, ist doch normal. Die Schmerzen wurden aber nicht besser. Ein Krankenhausaufenthalt jagte den nächsten. Die Schmerzen wurden unerträglich. Es gab Tage an denen konnte er nicht mal aus dem Bett aufstehen.

Bald stand fest, dass es sich doch um Krebs handelt. Die Metastasen hatten ein Loch in die Wirbelsäule gefressen. Daher die Schmerzen. Den Tumor konnten die Ärzte aber lange Zeit nicht finden. Nach zwei Lungenspiegelungen, gab es noch immer kein Ergebnis, obwohl sich die Ärzte nun sicher waren, dass es Lungenkrebs sein musste. Schließlich war ein Lungenflügel von Metastasen zerfressen. Bei der zweiten Spiegelung kollabierte Papas "gesunder" Lungenflügel. Danach ging es stetig bergab. Er bekam sehr schlecht Luft und konnte nur mehr am Stock gehen.

Drei Wochen vor seinem Tod wurde der Tumor entdeckt. Er hatte die Größe eines Stecknadelkopfes, saß im rechten Lungenflügel und hatte genügend Zeit in der Lunge und den Knochen zu metastasieren.

Trotz allem waren die Ärzte zuversichtlich. Papa war an und für sich in guter Verfassung. Mit einer Chemo sollte der Krebs gestoppt werden.

So viel zu den medizinischen Fakten. Die psychischen Folgen waren verheerend. Papa war verzweifelt, hat einige Male darum gebettelt, man solle ihm einfach eine Spritze geben um sein Leiden zu verkürzen. Er konnte vor lauter Schmerz kaum denken, geschweige denn sich bewegen. An manchen Tagen war er zu schwach um zu sprechen, an anderen war er fröhlich. Besonders in den letzten beiden Wochen seines Lebens ging es ihm gut. Er kam in ein tolles Krankenhaus und bekam Schmerztherapie. Natürlich Morphium. Er hatte riesige Angst vor der Chemo, aber er war zum Ende hin sehr zuversichtlich, dass doch noch alles einen guten Ausgang nehmen könnte.

Ich war wie in Trance. Ich bin so gut wie jeden Tag bei ihm im Krankenhaus gewesen. Wenn er mal nach hause durfte habe ich ihn vom Spital abgeholt und in dann wieder zurück begleitet. In dieser Zeit habe ich alles vernachlässigt. Vor allem mein Studium. Dabei war es sein größter Wunsch meine Promotion mitzuerleben. Das hat er öfters geäußert. Und ich? Ich habe auf voller Länge versagt. Ich habe seinen letzten Wunsch nicht erfüllt. Ich wollte meine Zeit mit ihm verbringen und nicht vor den Büchern. Jetzt schreibe ich zwar an meiner Arbeit und werde auch heuer noch meinen Abschluss machen, aber er wird nicht dabei sein. Ich habe ihn zu Lebzeiten enttäuscht. Das tut mir schrecklich weh.

Ich mache mir auch furchtbare Vorwürfe, dass ich am letzten Tag seines Lebens nicht bei ihm war. Ich war "Verhindert", weil ich Konzertkarten hatte! Da ich in der Nähe des Krankenhauses arbeite, wollte ich am nächsten Tag um 12 Schluss machen um den ganzen Freitag nachmittag und dann noch das ganze Wochenende bei ihm sein zu können. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich Mittwoch bei einer Veranstaltung von meiner Firma war und am Donnerstag auf diesem Konzert und daher schon zwei Tage lang nicht auf Besuch kommen konnte. Ich wollte das ganze Wochenende bei ihm sein, doch dann läutet am Freitag um halb 6 Uhr morgens das Telefon. Ich kann es nicht beschreiben, aber als ich das Läuten wahrnahm, wusste ich dass es eine Todesnachricht sein würde.

Mit diesen Gewissensbissen lebe ich seit 7 Monaten. Nicht nur, dass ich Papa nicht stolz machen konnte, ich habe auf Zeit mit ihm verzichtet, weil ich mich amüsieren wollte. Ich weiß, dass die Vorwürfe nichts bringen, dass man ja nicht wissen konnte, dass er sterben wird. Nicht mal die Ärzte haben damit gerechnet. Als ich dann am Montag auf der Station war seine Sachen holen und den Papierkram erledigen, waren alle total entgeistert. Vor allem die Schwestern, zu denen er ein enges Verhältnis aufgebaut hatte. Niemand hatte damit gerechnet. Sein Herz hat einfach aufgehört zu schlagen.

Wir hatten eine sehr innige Beziehung. Ich war Papas Mädchen und wir haben alles zusammen gemacht. Meine Mutter war oft eifersüchtig auf uns. Als Kind dachte ich immer "die Mama macht nur Spaß". Aber das war kein Spaß. Und ich verstehe ihre Gefühle. Papa war nun mal mein ein und alles. Mit ihm konnte ich über alles reden und auch er hat sich mir anvertraut. Wir hatten die selben Interessen und sind oft bis spät in die Nacht aufgeblieben um über Gott und die Welt zu diskutieren. Mit meiner Mutter konnte ich das nicht. Wahrscheinlich weil wir uns so ähnlich sind. Wahrscheinlich haben wir uns deshalb immer gestritten. Mit Papa gab es nie wirklich Streit.

Nach seinem Tod war ich diejenige, die alles zu erledigen hatte. Meine Mutter konnte einfach nicht. Alles blieb an mir hängen. Und niemand hat sich für mich Zeit genommen. Alle Beileidswünsche an mich waren unweigerlich mit der Frage verbunden: "Und wie geht es deiner Mutter? Die Arme ist ja jetzt ganz alleine. Dein Leben geht ja weiter. Du bist noch jung." Von den Kondolenzschreiben, die in unseren Briefkasten geflattert sind, war kein einziges an mich adressiert. Auch bei der Beerdigung waren alle nur darauf fixiert Mama Halt zu geben. Ich kam mir richtig fehl am Platz vor.

Sie hat es mir auch nicht einfach gemacht. Anstatt mich mal in den Arm zu nehmen oder sich bei mir zu bedanken, habe ich nur ihren Groll abbekommen. Meine Mutter versteht bis heute nicht, dass auch ich zu leiden habe. Wenn ich sage mit geht es schlecht, lacht sie hämisch und fragt mich, wie es mir denn bloß schlecht gehen kann. Ich bin dann wie gelähmt und kann ihr keine Antwort geben.

Ich besuche sie mindestens drei mal die Woche. Ich rufe sie jeden Tag an. Ich weiß, dass sie alleine ist, dass sie ihren Mann und auch ein bisschen ihr einziges Kind verloren hat. Ich bin einige Monate vor Papas Tod ausgezogen. Das ist alles schwer für sie und ich versuche verständnisvoll zu sein. Aber ich habe auch das Gefühl keine Familie mehr zu haben. Familie bedeutet füreinander da sein. Ich bin für sie da. Aber wer ist für mich da?

Auch von meinen "Freunden" kam keine Hilfe. Meine beste Freundin ist lieber auf Urlaub gefahren, als zum Begräbnis zu kommen. Das war ein schwerer Schlag. Sieben Monate sind vergangen und keiner von diesen "Freunden" hat mich auch nur ein einziges Mal gefragt, wie ich die Sache verkrafte oder ob ich mal ins Kino gehen will. Ich weiß, dass viele sich nicht trauen, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen, aber einen Freund im Stich zu lassen ist sicher schlimmer, als sich mal im Wortlaut zu vergreifen. Vielleicht bin ich auch selber schuld daran. Vielleicht hätte ich den Kontakt aufrecht erhalten sollen?

Mein Partner hat Gott sei Dank großes Verständnis für mich. Wenn ich ihn nicht hätte ... keine Ahnung, wo ich da jetzt wäre!

Es tut mir leid, dass der Eintrag so unerträglich lang geworden ist, aber vielleicht kann mir ja jemand von euch ein bisschen helfen. Ich bin am Ende meiner Kräfte, geplagt von Angstzuständen und Depressionen. Ich will einen Weg raus finden, aber ich habe Angst mich jemandem anzuvertrauen. Angst, dass man mich wieder alleine lässt.

Alles Liebe,

strawberryfire
 
Werbung:
Du bist nicht alleine, hier sind viele Menschen die auch alle einen Trauerfall im Umfeld gehabt haben und die "Wissen" wie man sich fühlt und wie die Umwelt darauf reagiert und wenn Du das Bedürfnis hast - etwas mitteilen zu müssen, dann schreibe es Dir einfach von der Seele - das ist hier der richtige Ort und nachher fühlt man sich wie erleichtert, geht nicht jeden so, aber doch vielen!
Eva
 
Liebe Strawberryfire!


laß dich erst mal in den arm nehmen :trost:

ach ich kann dich ja so gut verstehen. das, was du jetzt schilderst, ist sehr typisch. auch ich habe ähnliches erlebt.

aber das allerwichtigste zuerst:

MACH DIR BITTE KEINE VORWÜRFE!!!!!
DAS WÜRDE DEIN PAPA NIEMALS WOLLEN!!

du hast alles richtig gemacht und sei dir gewiß, dass er es mitbekommt, wenn du deinen abschluß machst.

meine mum hat sich auch still und heimlich des nachts verabschiedet, obwohl der arzt noch am nachmittag davor gesagt hat, es ist in nächster zeit nicht mit ihrem ableben zu rechnen und wir könnten sie zu den damals bevorstehenden weihnachtsfeiertagen ein paar tage nach hause holen.
das kommt öfter vor, als man glaubt.

und was deine lage bezügl. deiner mutter betrifft, ja, das ist ein schwieriges thema.
ich kenne die andere seite. mein mann ist auch gestorben, aber ich habe stets versucht, meine kinder nicht zu sehr mit meinen schmerzen zu belasten. sie trauerten ja selbst und mußten ihren weg ohne vater irgendwie finden.
ich war immer ziemlich ratlos, wenn mich freunde und bekannte mit den worten trösten wollten: du hast ja noch deine kinder!
ja sicher hab ich meine kinder, aber die sind ja kein trost und auch kein ersatz für meinen mann.
du siehst, es ist einfach für alle seiten ziemlich schwierig. mit dem tod umzugehen und wenn ein familienmitglied geht, bleibt kein stein mehr auf dem anderen.
sei bitte nicht zu streng mit deiner mutter, sie will dich ganz bestimmt nicht bewußt verletzten, es sind einfach alle überfordert mit der situation und mit den schmerzen.
ich war auch manchesmal ziemlich verbittert, weil freunde und arbeitskollegen so unsensibel reagierten, aber heute weiß ich, dass es wahnsinnig schwer ist, sich in diese situation hineinzuversetzen, es überfordert sie einfach.

ich wünsche dir auf jeden fall ganz viel kraft für die weitere zeit. ich kann dich nur damit trösten, dass der schmerz eines tages erträglicher wird und du mit einem lächeln an die zeit mit deinem papa zurückdenken kannst.

alles liebe
sandy
 
Danke für eure Beiträge. Ich weiß, dass es sicher irgendwann besser wird und dass ich Rücksicht auf alle Betroffenen nehmen muss. Das versuche ich auch. Ich bin sicher nicht streng zu meiner Mutter, im Gegenteil ich ertrage ihre Schmerzen und die daraus resultierenden Wutausbrüche gegenüber meiner Person still schweigend. Ich lasse sie ihre Trauer ausleben. Ich bemühe mich sehr. Mir tut nur weh, dass sie sich nicht um mich bemüht. Vielleicht gehr das ja irgendwann wieder. Im Moment ist es aber so als hätte ich beide Elternteile verloren.

Danke für euer Verständnis. Gut zu wissen, dass man nicht ganz alleine ist.
 
Liebe Strawberryfire,

nein, du bist ganz sicher nicht alleine.
Schau, die Seele deines Vaters, die nun zu Hause sein darf...ohne diesen kranken, schmerzenden Körper, sie lächelt dir zu.
Sie will dir sagen: hey, du bist doch mein Mädchen. Mein Mädchen ist stark, so stark, dass sie ihren Weg gehen wird.
Sei nicht traurig oder wütend über deine Mutter. Vielleicht kann sie außer ihrem Schmerz nicht auch noch den deinen ertragen?
Auch ich habe meinen Vater gehen lassen müssen. Als er starb war meine Mutter bei ihm. Ich hatte sie so inständig gebeten mich nicht zu spät anzurufen......und doch hat sie es genau so gemacht.
War es Egoismus, wollte sie alleine von ihrem Mann Abschied nehmen?
Vielleicht. Damals hab ich es ihr übel genommen.
Aber weißt du......es gibt Sachen, die verlieren irgendwann ihren Stellenwert.
Du hast deinen Vater geliebt, ihr beide hattet so ein inniges Verhältnis, wie es nur bei Vater und Tochter möglich ist. Da können Mütter schon mal eifersüchtig werden.....vergib es ihr.
Und wenn du an deinen Vater denkst, dann tue es in Liebe. Er spürt das.
Auch er wird dich immer lieben und seine Seele ist bei dir.....auch wenn du promovierst.
Hab Vertrauen.....es geht ihm gut und er möchte, dass es dir auch gut geht.

Ich umarme dich
Lexa
 
Ich hab schon ganz oft hier im Forum mitgelesen, aber nie selbst einen Eintrag verfasst. Das letzte Jahr war sehr hart für mich und ich weiß bis zum heutigen Zeitpunkt nicht, wie ich das alles durchstehen konnte und wie sich mein Leben jetzt weiter gestalten soll.

Am 06.07.07 ist mein Papa gestorben. Im Schlaf. Er hat sich schlafen gelegt und ist nie wieder aufgewacht.

Alles nahm im Jänner 2007 seinen Anfang, als unser Hausarzt uns mitteilte, dass Papas Tumormarkerwerte erschreckend hoch sind. Er wusste schon im Dezember davon, wollte uns aber nicht die Feiertage verderben. Laut Arzt deutete alles auf eine Veränderung des Gewebes im Magen-Darm-Bereich hin. Zahllose ergebnislose Untersuchungen waren die Folge. Es gab keine Geschwüre, keine Geschwulst, keinen Tumor im Magen-Darm-Trakt. Alles schien in bester Ordnung zu sein.

Im Februar klagte Papa oft über Rückenschmerzen. Dabei hat sich wohl keiner was gedacht. Dass man mit 63 Jahren ab und zu Rückenschmerzen hat, ist doch normal. Die Schmerzen wurden aber nicht besser. Ein Krankenhausaufenthalt jagte den nächsten. Die Schmerzen wurden unerträglich. Es gab Tage an denen konnte er nicht mal aus dem Bett aufstehen.

Bald stand fest, dass es sich doch um Krebs handelt. Die Metastasen hatten ein Loch in die Wirbelsäule gefressen. Daher die Schmerzen. Den Tumor konnten die Ärzte aber lange Zeit nicht finden. Nach zwei Lungenspiegelungen, gab es noch immer kein Ergebnis, obwohl sich die Ärzte nun sicher waren, dass es Lungenkrebs sein musste. Schließlich war ein Lungenflügel von Metastasen zerfressen. Bei der zweiten Spiegelung kollabierte Papas "gesunder" Lungenflügel. Danach ging es stetig bergab. Er bekam sehr schlecht Luft und konnte nur mehr am Stock gehen.

Drei Wochen vor seinem Tod wurde der Tumor entdeckt. Er hatte die Größe eines Stecknadelkopfes, saß im rechten Lungenflügel und hatte genügend Zeit in der Lunge und den Knochen zu metastasieren.

Trotz allem waren die Ärzte zuversichtlich. Papa war an und für sich in guter Verfassung. Mit einer Chemo sollte der Krebs gestoppt werden.

So viel zu den medizinischen Fakten. Die psychischen Folgen waren verheerend. Papa war verzweifelt, hat einige Male darum gebettelt, man solle ihm einfach eine Spritze geben um sein Leiden zu verkürzen. Er konnte vor lauter Schmerz kaum denken, geschweige denn sich bewegen. An manchen Tagen war er zu schwach um zu sprechen, an anderen war er fröhlich. Besonders in den letzten beiden Wochen seines Lebens ging es ihm gut. Er kam in ein tolles Krankenhaus und bekam Schmerztherapie. Natürlich Morphium. Er hatte riesige Angst vor der Chemo, aber er war zum Ende hin sehr zuversichtlich, dass doch noch alles einen guten Ausgang nehmen könnte.

Ich war wie in Trance. Ich bin so gut wie jeden Tag bei ihm im Krankenhaus gewesen. Wenn er mal nach hause durfte habe ich ihn vom Spital abgeholt und in dann wieder zurück begleitet. In dieser Zeit habe ich alles vernachlässigt. Vor allem mein Studium. Dabei war es sein größter Wunsch meine Promotion mitzuerleben. Das hat er öfters geäußert. Und ich? Ich habe auf voller Länge versagt. Ich habe seinen letzten Wunsch nicht erfüllt. Ich wollte meine Zeit mit ihm verbringen und nicht vor den Büchern. Jetzt schreibe ich zwar an meiner Arbeit und werde auch heuer noch meinen Abschluss machen, aber er wird nicht dabei sein. Ich habe ihn zu Lebzeiten enttäuscht. Das tut mir schrecklich weh.

Ich mache mir auch furchtbare Vorwürfe, dass ich am letzten Tag seines Lebens nicht bei ihm war. Ich war "Verhindert", weil ich Konzertkarten hatte! Da ich in der Nähe des Krankenhauses arbeite, wollte ich am nächsten Tag um 12 Schluss machen um den ganzen Freitag nachmittag und dann noch das ganze Wochenende bei ihm sein zu können. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich Mittwoch bei einer Veranstaltung von meiner Firma war und am Donnerstag auf diesem Konzert und daher schon zwei Tage lang nicht auf Besuch kommen konnte. Ich wollte das ganze Wochenende bei ihm sein, doch dann läutet am Freitag um halb 6 Uhr morgens das Telefon. Ich kann es nicht beschreiben, aber als ich das Läuten wahrnahm, wusste ich dass es eine Todesnachricht sein würde.

Mit diesen Gewissensbissen lebe ich seit 7 Monaten. Nicht nur, dass ich Papa nicht stolz machen konnte, ich habe auf Zeit mit ihm verzichtet, weil ich mich amüsieren wollte. Ich weiß, dass die Vorwürfe nichts bringen, dass man ja nicht wissen konnte, dass er sterben wird. Nicht mal die Ärzte haben damit gerechnet. Als ich dann am Montag auf der Station war seine Sachen holen und den Papierkram erledigen, waren alle total entgeistert. Vor allem die Schwestern, zu denen er ein enges Verhältnis aufgebaut hatte. Niemand hatte damit gerechnet. Sein Herz hat einfach aufgehört zu schlagen.

Wir hatten eine sehr innige Beziehung. Ich war Papas Mädchen und wir haben alles zusammen gemacht. Meine Mutter war oft eifersüchtig auf uns. Als Kind dachte ich immer "die Mama macht nur Spaß". Aber das war kein Spaß. Und ich verstehe ihre Gefühle. Papa war nun mal mein ein und alles. Mit ihm konnte ich über alles reden und auch er hat sich mir anvertraut. Wir hatten die selben Interessen und sind oft bis spät in die Nacht aufgeblieben um über Gott und die Welt zu diskutieren. Mit meiner Mutter konnte ich das nicht. Wahrscheinlich weil wir uns so ähnlich sind. Wahrscheinlich haben wir uns deshalb immer gestritten. Mit Papa gab es nie wirklich Streit.

Nach seinem Tod war ich diejenige, die alles zu erledigen hatte. Meine Mutter konnte einfach nicht. Alles blieb an mir hängen. Und niemand hat sich für mich Zeit genommen. Alle Beileidswünsche an mich waren unweigerlich mit der Frage verbunden: "Und wie geht es deiner Mutter? Die Arme ist ja jetzt ganz alleine. Dein Leben geht ja weiter. Du bist noch jung." Von den Kondolenzschreiben, die in unseren Briefkasten geflattert sind, war kein einziges an mich adressiert. Auch bei der Beerdigung waren alle nur darauf fixiert Mama Halt zu geben. Ich kam mir richtig fehl am Platz vor.

Sie hat es mir auch nicht einfach gemacht. Anstatt mich mal in den Arm zu nehmen oder sich bei mir zu bedanken, habe ich nur ihren Groll abbekommen. Meine Mutter versteht bis heute nicht, dass auch ich zu leiden habe. Wenn ich sage mit geht es schlecht, lacht sie hämisch und fragt mich, wie es mir denn bloß schlecht gehen kann. Ich bin dann wie gelähmt und kann ihr keine Antwort geben.

Ich besuche sie mindestens drei mal die Woche. Ich rufe sie jeden Tag an. Ich weiß, dass sie alleine ist, dass sie ihren Mann und auch ein bisschen ihr einziges Kind verloren hat. Ich bin einige Monate vor Papas Tod ausgezogen. Das ist alles schwer für sie und ich versuche verständnisvoll zu sein. Aber ich habe auch das Gefühl keine Familie mehr zu haben. Familie bedeutet füreinander da sein. Ich bin für sie da. Aber wer ist für mich da?

Auch von meinen "Freunden" kam keine Hilfe. Meine beste Freundin ist lieber auf Urlaub gefahren, als zum Begräbnis zu kommen. Das war ein schwerer Schlag. Sieben Monate sind vergangen und keiner von diesen "Freunden" hat mich auch nur ein einziges Mal gefragt, wie ich die Sache verkrafte oder ob ich mal ins Kino gehen will. Ich weiß, dass viele sich nicht trauen, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen, aber einen Freund im Stich zu lassen ist sicher schlimmer, als sich mal im Wortlaut zu vergreifen. Vielleicht bin ich auch selber schuld daran. Vielleicht hätte ich den Kontakt aufrecht erhalten sollen?

Mein Partner hat Gott sei Dank großes Verständnis für mich. Wenn ich ihn nicht hätte ... keine Ahnung, wo ich da jetzt wäre!

Es tut mir leid, dass der Eintrag so unerträglich lang geworden ist, aber vielleicht kann mir ja jemand von euch ein bisschen helfen. Ich bin am Ende meiner Kräfte, geplagt von Angstzuständen und Depressionen. Ich will einen Weg raus finden, aber ich habe Angst mich jemandem anzuvertrauen. Angst, dass man mich wieder alleine lässt.

Alles Liebe,

strawberryfire




Liebe Strawberryfine,
ich habe deine Geschichte nur "überflogen" - aber sie erinnert mich sehr an meine.
Mein Vater war 57 und war die letzten 2,5 Wochen seines Lebens im KH,
wo er auch starb.
Er hatte Lungenkrebs ( 10 x über 10 cm !) und beide Lungen waren betroffen, Metastasen......

Ich und mein Vater waren eine Seele.
Auch das Verhältnis meiner Mutter würde ich sehr ähnlich beschreiben wie du.

Mach dir BITTE keine Vorwürfe.
Ich war auch nicht dabei, als er den Übergang vollzog.
Aber er wollte es so.

Er wollte alleine gehen.
Lange Zeit fragte ich mich, warum hat er mir nicht gesagt ich solle kommen,
das KH war nur etwa 20 min von mir zuhause entfernt!!!

Aber man sollte versuchen, es so hinzunehmen wie es ist.

Ich weiß, was es heißt, die letzte Zeit bei einem sterbenden Menschen zu sein.
(vor allem ein naher / sehr naher Verwandter).

Denk an die schöne Zeit!

Der Spruch ist zwar irgendwie nicht tröstlich:
aber: es ist wahr - die Zeit heilt / lindert Wunden.


ALLES LIEBE :)
 
Hallo strawberryfire!

Mein Papa starb am 28.7.2007, einen Tag nach meinen Geburtstag. Und auch ich konnte mich nicht verabschieden. Ich wusste nicht mal das er im Krankenhaus war, niemand hat mir was gesagt. Mein Eltern leben nicht mehr zusammen. Mit meiner Mutter rede ich auch nicht über Papa. Und meine "beste Freundin" hat nach ca. 3 Monat gesagt, ich soll mich zusammenreißen und nicht mehr an meinen Papa denken. Die ist auch nicht für mich da. Und in der Firma verlangt, die Stellvertreterin auch die ganze Zeit das ich lachen soll. Ich kann nach 7 Monaten nicht frisch fröhlich durch die Gegend laufen. Und Sandy hat Recht, macht dir wegen deinen Papa keine Vorwürfe. Ich wusste nicht mal das er im Krankenhaus lag. Meine Schwester hat mich dann angerufen und mir es gesagt. Du bist ganz sicher nicht alleine. Jeder hier im Forum ist sicher gerne für dich da.

Alles Liebe wünsch ich dir!

Phoebemaus
 
Hallo!

Ich kann verstehen, wie du dich fühlst. Bei meinem Papa werden es am 05.April zwei Jahre dass er verstorben ist und ich komme grad vom Friedhof.
Du brauchst kein schlechtes Gewissen haben, daß du nicht bei ihm warst, als er verstorben ist. Er weiß doch, daß du immer für ihn da warst, als es ihm so schlecht ging.
Mein Paps ist auch am Morgen nicht mehr aufgewacht. Er hatte ein Blutgerinnsel im Kopf. Die Nacht darauf ist er verstorben.

Über deine "Freunde" könnte ich mich furchtbar aufregen. Aber die werden auch irgendwann mal selber fühlen wie es ist, jemanden zu verlieren, der einem so nahe steht.....

Auch mit den Beileidsschreiben kenne ich nur zu gut. Bei mir war es genauso.

Natürlich ist es für die Mutter schwer, aber auch wir leiden. Und wenn man dann noch sowas wie, "pass bloss auf sie auf" und "es ist so schwer für sie" und "sei für sie da" hört, dann könnte man schon ausrasten.
Wenn man dann garnicht an die Mutter rankommt, weil sie nur mit einem brüllt und sich ständig was antun will, dann hat man`s doppelt schwer. Selber leidet man und trösten soll man auch noch. Dann noch die blöden Sprüche...

Ich hab` irgendwann zu reden aufgehört.

Bin jetzt bei einem Therapeuten.

Der hat mir geholfen, daß ich zwar für sie da war und bin. Dass ich aber auch kein schlechtes Gewissen haben brauche, wenn ich einfach Zeit für mich brauchte und brauche. Mich hat man schlechtes Gewissen damals zerfressen!! Wir wohnen noch dazu in einem Haus. Sie unten, ich oben. Was aber eigentlich ganz gut klappt.

Und ich hasse und hasste diesen verdammten Spruch. Aber er stimmt nunmal. "Zeit heilt Wunden". Auch wenn du`s jetzt anders siehst.

Rede mit deinem Papa. Der weiß auch jetzt, daß du deine Prüfungen abgelegt hast. Reden mit ihm hilft. Ich begrüsse ihn sogar, wenn ich an sein Grab trete. Mein Paps ist immer bei mir. Seit er verstorben ist, noch viel mehr als vorher. Und er hat zu Lebzeiten alles für mich getan.

Tut mir leid, daß ich so viel geschrieben habe. Aber vielleicht hilft dir das.

Alles Liebe und viel, viel Kraft!
 
Werbung:
hallo und mein beileid,,das schlimste was du machen kanst sind dir vorwürfe zu machen,weiß es ist oft leichter gesagt als getann,aber es kommt leider immer wie es kommen muß und ich denke es ist uns allen vorbestimmt,unser leben ist wie ein buch was schon geschrieben ist,ich weiß wie schwer es ist den auch ich habe kinder und mutter verloren,und es brach sehr lange,damit mann das alles verarbeiten kann.und wen du fragen oder reden möchtest so wie so einige vorgänger schrieben,,,schreib alles rein egal wie lange oder wie kurtz wichtig ist das du dir es von der seele schreibst,,,und du wirst auch immer unterstützung finden,es sind immer leute da die dir zuhörren und dir antworten #,,ich drück dich mit freundlichen grüßen silvia
 
Zurück
Oben