Ich finde, wenn man schon die nächste Ebene der Drahtzieher erreicht, dann gebührt denen auch ein eigener thread.
Was dem pacman Recht ist, ist doch dem mafiaman billig...
Und wenn am 3.10.10 (!) die Stuttgarter Zeitung dieses Thema wieder hochholt - nämlich AUS GEGEBENEM ANLASS - dann unterstützen wir doch unsere Schreiberkollegen, honorieren genau dieses Engagement, zu dem sie unter den gegebenen Umständen zu tun nur in der Lage sind, und tragen ihre Fackel weiter in die Welt. Denn die Welt kann nur weise vorgehen, wenn sie auch den Gegner kennt.
Organisiertes Verbrechen in der Region Stuttgart
Unsere Nachbarn von der Mafia
Hariolf Reitmaier und Michael Ohnewald, veröffentlicht am 03.10.2010
()
Die Mafia, dies offenbart nicht nur der Mord an Luigi Ferrara, ist kein aus der Zeit gefallener Folkloreclub, sondern eine ultramoderne Verbrecherorganisation, die längst auch in Baden-Württemberg operiert. Vor allem im Ballungsraum am Neckar, wo 60.000 Italiener leben, hat sie Fuß gefasst und versucht über wirtschaftlichen Einfluss ihre politische Macht zu stärken.
Die Region erweise sich als besonders gutes Pflaster, weil die Mafia hier gefährlich unterschätzt werde, meint die in Venedig lebende Journalistin Petra Reski, die sich seit langem mit dem Verbrechersyndikat beschäftigt. "Stuttgart ist seit Jahrzehnten eine Hochburg der Mafia in Deutschland, speziell zweier Clans der kalabrischen Ndrangheta, die auch die umliegenden Orte wie Waiblingen, Ludwigsburg, Esslingen, Fellbach als ihr ureigenstes Terrain betrachten", sagt sie. "Die Mafia kam im Gefolge der Gastarbeiter und ist bis in höchste Gesellschaftsspitzen vorgedrungen. Heute macht sie in Stuttgart ihre Geschäfte in der Bauindustrie, im Immobilienhandel, in der Gastronomie." Italienische Ermittler bestätigen das. "Im süddeutschen Raum ist die Region Stuttgart in fester Hand kalabrischer Gruppierungen von Ciró, insbesondere des Clans von Farao", sagt Roberto Scarpinato, leitender Oberstaatsanwalt der Abteilung Mafiabekämpfung in Palermo. Einem als vertraulich eingestuften Bericht ("VS nur für den internen Dienstgebrauch") des Bundeskriminalamts zufolge hat sich eben dieser Clan in den vergangenen Jahren "beachtlich verstärkt". In der 236 Seiten umfassenden Analyse, die der Stuttgarter Zeitung vorliegt, ist die Rede von einem deutlichen "Qualitätssprung". Aufgelistet sind deutschlandweit mehr als 750 mutmaßliche Mafiosi, die im Verdacht stehen, für die Ndrangheta zu arbeiten. Auffällig viele von ihnen wohnen rund um Stuttgart.
Die kriminelle Parallelgesellschaft bleibt unbehelligt
Einer der genannten Namen ist den Beamten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität bestens bekannt. Es handelt sich um einen früheren Promiwirt aus Stuttgart-Weilimdorf, der 1993 deutschlandweit in die Schlagzeilen geriet, weil man ihn der Geldwäsche im großen Stil bezichtigte. Der Fall bekam dadurch besondere Brisanz, dass der süditalienische Kneipier häufiger einen Gast hatte, den er gern als "meinen Minister" bezeichnet hat. Gemeint ist der damalige CDU-Fraktionschef im Landtag und heutige EU-Kommissar Günther Oettinger, der gerne und oft seinen Feierabend im Weilimdorfer Restaurant ausklingen ließ.
()
Trotz dieser Erkenntnisse blieb die kriminelle Parallelgesellschaft weitgehend unbehelligt. Zwar wurde der überwachte Gastronom später wegen Steuerhinterziehung zu 21 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und Rückzahlung der Steuerschuld von 1,3 Millionen Mark verurteilt sowie aufgrund einer internationalen Ausschreibung von den italienischen Behörden wegen Mitgliedschaft "in einer kriminellen Vereinigung nach Art der Mafia" in Deutschland festgenommen. In seiner Heimat kam der ausgelieferte Wirt jedoch schon bald wieder frei, was er gebührend im Weilimdorfer Ristorante feierte. Seine landsmannschaftliche Karriere hat dies eher beflügelt. Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass der Kneipier durch seinen Freispruch intern sogar aufgestiegen ist. Er soll eine "gehobene Stellung innerhalb des Clans Greco und auch des Clans Farao" haben und für die "finanziellen Aspekte" verantwortlich sein. Gleich hinter ihm ist in der BKA-Verschlusssache ein mutmaßlicher Vertrauter aufgeführt, der ebenfalls als Gastronom in Stuttgart angesiedelt ist. Es handelt sich dabei um einen bisher kriminalpolizeilich unbescholtenen Mann, der in jüngster Zeit zweimal in Erscheinung trat.
Am 30. Dezember 2009 zeigte ihn die "Bild"-Zeitung groß auf einem Foto neben dem Ministerpräsidenten Günther Oettinger, der vor seinem Wechsel nach Brüssel stand. "Stammkunde Oettinger sagt Ade", titelte das Blatt in dicken Lettern und zitierte den Wirt namentlich mit den Worten: "Schade, ein Freund geht." In der vergangenen Woche hat den im BKA-Bericht erwähnten "Freund" des Exministerpräsidenten ein weiteres Mal das Licht der Öffentlichkeit gestreift und zwar in einer heiklen Angelegenheit. Der Name des Gastwirts tauchte bei einer Verhandlung im Stuttgarter Landgericht auf. Dort befasst sich die Justiz zurzeit mit dem versuchten Mord an dem Stuttgarter Herrenausstatter Felix W. Der Modemacher mit exquisiten Geschäften in Stuttgart, Zürich und München, der auch als Projektentwickler von Immobilien auftritt, war im November vorigen Jahres auf seinem Firmengelände von Maskierten überfallen und brutal mit zwei Schüssen niedergestreckt worden. Der Unternehmer, der sofort das Bewusstsein verlor, überlebte den perfiden Anschlag nur mit Glück. Vier Italiener wurden von der Polizei gefasst. Sie müssen sich nun vor dem Landgericht verantworten. Wie sich bei den Ermittlungen der Stuttgarter Kriminalpolizei herausstellte, waren zwei der Tatverdächtigen in jüngster Zeit ausgerechnet bei jenem italienischen Gastronomen beschäftigt, der sich via Zeitung selbst als "Freund" des scheidenden Ministerpräsidenten bezeichnet hatte.
Über die Mafia will niemand öffentlich reden
Die beschuldigten Männer arbeiteten für ihn am Umbau eines Restaurants. Die polizeiliche Vernehmung des Gastwirts wurde vor Gericht zwar erörtert, allerdings ohne auf mögliche Hintergründe der nächtlichen Tat einzugehen. Das Wort "Mafia" jedenfalls tauchte bei dieser Gelegenheit nicht ein einziges Mal auf. Dabei hatte die Stuttgarter Kriminalpolizei, die den mutmaßlichen Tätern vor allem durch überwachte Handys auf die Spur kam, genau darauf abgehoben. "Die Gesamtumstände deuten darauf hin, dass im Hintergrund mafiöse Strukturen für die Tat mitverantwortlich waren", heißt es im Ermittlungsbericht, der dieser Zeitung vorliegt. Zwei der vier Beschuldigten, so ist dort zu lesen, könnten sogenannte "Pentolante" sein geschultes Personal, das aus Italien anreist, um ein Problem zu lösen, wie einst vor dem Haus von Luigi Ferrara. Weil sich die vier Angeklagten im Fall Felix W. bei den Vernehmungen nach Kräften bemühen, ihre Komplizen nicht zu belasten, geht die Polizei davon aus, "dass sie sich an das Gesetz des Schweigens halten". Aufschlussreicher Lesestoff, könnte man meinen. Doch über die Mafia will niemand öffentlich reden bei der juristischen Aufarbeitung im Landgericht. Für Petra Reski, die gerade ein neues Buch mit dem Titel "Von Kamen nach Corleone Die Mafia in Deutschland" veröffentlicht hat, passt das ins Bild.
Die Journalistin beklagt, dass die gut organisierten Machenschaften italienischer Clans in Deutschland allzu oft verschwiegen oder mindestens fahrlässig unterschätzt werden. Ein ganzes Kapitel ihres neuen Buchs hat sie Stuttgart gewidmet. Wie selbstverständlich sich die kalabrischen Mafiosi dort bewegen, lege nicht zuletzt die Wahlfälschungsaffäre um den römischen Senator Nicola di Girolamo nahe, der zwischenzeitlich als mutmaßlicher Protagonist eines gewaltigen Geldwäscheskandals der Ndrangheta festgenommen wurde. Besonders gute Drähte hatte der Senator nach Stuttgart. Der politisch völlig unbekannte di Girolamo, der meist in Brüssel residierte, hatte im April 2008 bei der Parlamentswahl als Auslandsitaliener kandidiert und auf Anhieb rund 25.000 Stimmen eingefahren.
Die meisten waren nach Ansicht italienischer Fahnder von der Ndrangheta gekauft, besonders viele davon im Raum Stuttgart. Die Sammelstelle für die gefälschten Wählerstimmen befand sich nach Erkenntnissen römischer Staatsanwälte in einem Inter-Mailand-Fanclub bei Stuttgart. Bisher gelang es den deutschen Fahndern meistens nur, einzelnen Mafiosi konkrete Delikte nachzuweisen. An die Organisation dahinter kamen sie nicht heran. "Wenn wir Hinweise oder Hilfeersuchen aus Italien bekommen, reagieren wir sehr schnell", sagt Horst Haug, Sprecher des Landeskriminalamts. Genügt das bei einem Gegner, der Deutschland nicht mehr nur als Rückzugsgebiet, sondern verstärkt als Operationsgebiet nutzt? Nach Meinung italienischer Mafiafahnder sind die Deutschen zu weich bei ihren Ermittlungen. Die bewegliche Ndrangheta werde in ihrem Entfaltungsdrang kaum gestört. Für Manfred Klumpp, den Landesvorsitzenden des Bundes deutscher Kriminalbeamter, ist dies kaum verwunderlich. "Statt Mafia heißt das große polizeiliche Thema derzeit im Land Stuttgart 21", sagt er gallig und ergänzt: "In Sachen Mafia verfügt die baden-württembergische Polizei bisher nur über stumpfe Schwerter!" Anders als in Italien sei die Zugehörigkeit zur Mafia in Deutschland kein strafbares Delikt. "Wer uns den Zugriff auf Telefon- und Internetverbindungsdaten verbietet, wie jüngst das Bundesverfassungsgericht, erstickt erfolgreiche Mafiaermittlungen schon im Keim. Auch bei Geldwäscheverdacht sind wir machtlos, solange es nicht wie in Italien die Beweislastumkehr gibt", sagt Klumpp. "Man muss sich schon die Frage stellen, ob diese stumpfen Schwerter vielleicht nicht doch auch politisch gewollt sind, wenn dazu noch immer mehr Personal bei der Polizei abgebaut wird."
stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2651982_0_9223_-organisiertes-verbrechen-in-der-region-stuttgart-unsere-nachbarn-von-der-mafia.html
Was dem pacman Recht ist, ist doch dem mafiaman billig...
Und wenn am 3.10.10 (!) die Stuttgarter Zeitung dieses Thema wieder hochholt - nämlich AUS GEGEBENEM ANLASS - dann unterstützen wir doch unsere Schreiberkollegen, honorieren genau dieses Engagement, zu dem sie unter den gegebenen Umständen zu tun nur in der Lage sind, und tragen ihre Fackel weiter in die Welt. Denn die Welt kann nur weise vorgehen, wenn sie auch den Gegner kennt.
Organisiertes Verbrechen in der Region Stuttgart
Unsere Nachbarn von der Mafia
Hariolf Reitmaier und Michael Ohnewald, veröffentlicht am 03.10.2010
()
Die Mafia, dies offenbart nicht nur der Mord an Luigi Ferrara, ist kein aus der Zeit gefallener Folkloreclub, sondern eine ultramoderne Verbrecherorganisation, die längst auch in Baden-Württemberg operiert. Vor allem im Ballungsraum am Neckar, wo 60.000 Italiener leben, hat sie Fuß gefasst und versucht über wirtschaftlichen Einfluss ihre politische Macht zu stärken.
Die Region erweise sich als besonders gutes Pflaster, weil die Mafia hier gefährlich unterschätzt werde, meint die in Venedig lebende Journalistin Petra Reski, die sich seit langem mit dem Verbrechersyndikat beschäftigt. "Stuttgart ist seit Jahrzehnten eine Hochburg der Mafia in Deutschland, speziell zweier Clans der kalabrischen Ndrangheta, die auch die umliegenden Orte wie Waiblingen, Ludwigsburg, Esslingen, Fellbach als ihr ureigenstes Terrain betrachten", sagt sie. "Die Mafia kam im Gefolge der Gastarbeiter und ist bis in höchste Gesellschaftsspitzen vorgedrungen. Heute macht sie in Stuttgart ihre Geschäfte in der Bauindustrie, im Immobilienhandel, in der Gastronomie." Italienische Ermittler bestätigen das. "Im süddeutschen Raum ist die Region Stuttgart in fester Hand kalabrischer Gruppierungen von Ciró, insbesondere des Clans von Farao", sagt Roberto Scarpinato, leitender Oberstaatsanwalt der Abteilung Mafiabekämpfung in Palermo. Einem als vertraulich eingestuften Bericht ("VS nur für den internen Dienstgebrauch") des Bundeskriminalamts zufolge hat sich eben dieser Clan in den vergangenen Jahren "beachtlich verstärkt". In der 236 Seiten umfassenden Analyse, die der Stuttgarter Zeitung vorliegt, ist die Rede von einem deutlichen "Qualitätssprung". Aufgelistet sind deutschlandweit mehr als 750 mutmaßliche Mafiosi, die im Verdacht stehen, für die Ndrangheta zu arbeiten. Auffällig viele von ihnen wohnen rund um Stuttgart.
Die kriminelle Parallelgesellschaft bleibt unbehelligt
Einer der genannten Namen ist den Beamten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität bestens bekannt. Es handelt sich um einen früheren Promiwirt aus Stuttgart-Weilimdorf, der 1993 deutschlandweit in die Schlagzeilen geriet, weil man ihn der Geldwäsche im großen Stil bezichtigte. Der Fall bekam dadurch besondere Brisanz, dass der süditalienische Kneipier häufiger einen Gast hatte, den er gern als "meinen Minister" bezeichnet hat. Gemeint ist der damalige CDU-Fraktionschef im Landtag und heutige EU-Kommissar Günther Oettinger, der gerne und oft seinen Feierabend im Weilimdorfer Restaurant ausklingen ließ.
()
Trotz dieser Erkenntnisse blieb die kriminelle Parallelgesellschaft weitgehend unbehelligt. Zwar wurde der überwachte Gastronom später wegen Steuerhinterziehung zu 21 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und Rückzahlung der Steuerschuld von 1,3 Millionen Mark verurteilt sowie aufgrund einer internationalen Ausschreibung von den italienischen Behörden wegen Mitgliedschaft "in einer kriminellen Vereinigung nach Art der Mafia" in Deutschland festgenommen. In seiner Heimat kam der ausgelieferte Wirt jedoch schon bald wieder frei, was er gebührend im Weilimdorfer Ristorante feierte. Seine landsmannschaftliche Karriere hat dies eher beflügelt. Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass der Kneipier durch seinen Freispruch intern sogar aufgestiegen ist. Er soll eine "gehobene Stellung innerhalb des Clans Greco und auch des Clans Farao" haben und für die "finanziellen Aspekte" verantwortlich sein. Gleich hinter ihm ist in der BKA-Verschlusssache ein mutmaßlicher Vertrauter aufgeführt, der ebenfalls als Gastronom in Stuttgart angesiedelt ist. Es handelt sich dabei um einen bisher kriminalpolizeilich unbescholtenen Mann, der in jüngster Zeit zweimal in Erscheinung trat.
Am 30. Dezember 2009 zeigte ihn die "Bild"-Zeitung groß auf einem Foto neben dem Ministerpräsidenten Günther Oettinger, der vor seinem Wechsel nach Brüssel stand. "Stammkunde Oettinger sagt Ade", titelte das Blatt in dicken Lettern und zitierte den Wirt namentlich mit den Worten: "Schade, ein Freund geht." In der vergangenen Woche hat den im BKA-Bericht erwähnten "Freund" des Exministerpräsidenten ein weiteres Mal das Licht der Öffentlichkeit gestreift und zwar in einer heiklen Angelegenheit. Der Name des Gastwirts tauchte bei einer Verhandlung im Stuttgarter Landgericht auf. Dort befasst sich die Justiz zurzeit mit dem versuchten Mord an dem Stuttgarter Herrenausstatter Felix W. Der Modemacher mit exquisiten Geschäften in Stuttgart, Zürich und München, der auch als Projektentwickler von Immobilien auftritt, war im November vorigen Jahres auf seinem Firmengelände von Maskierten überfallen und brutal mit zwei Schüssen niedergestreckt worden. Der Unternehmer, der sofort das Bewusstsein verlor, überlebte den perfiden Anschlag nur mit Glück. Vier Italiener wurden von der Polizei gefasst. Sie müssen sich nun vor dem Landgericht verantworten. Wie sich bei den Ermittlungen der Stuttgarter Kriminalpolizei herausstellte, waren zwei der Tatverdächtigen in jüngster Zeit ausgerechnet bei jenem italienischen Gastronomen beschäftigt, der sich via Zeitung selbst als "Freund" des scheidenden Ministerpräsidenten bezeichnet hatte.
Über die Mafia will niemand öffentlich reden
Die beschuldigten Männer arbeiteten für ihn am Umbau eines Restaurants. Die polizeiliche Vernehmung des Gastwirts wurde vor Gericht zwar erörtert, allerdings ohne auf mögliche Hintergründe der nächtlichen Tat einzugehen. Das Wort "Mafia" jedenfalls tauchte bei dieser Gelegenheit nicht ein einziges Mal auf. Dabei hatte die Stuttgarter Kriminalpolizei, die den mutmaßlichen Tätern vor allem durch überwachte Handys auf die Spur kam, genau darauf abgehoben. "Die Gesamtumstände deuten darauf hin, dass im Hintergrund mafiöse Strukturen für die Tat mitverantwortlich waren", heißt es im Ermittlungsbericht, der dieser Zeitung vorliegt. Zwei der vier Beschuldigten, so ist dort zu lesen, könnten sogenannte "Pentolante" sein geschultes Personal, das aus Italien anreist, um ein Problem zu lösen, wie einst vor dem Haus von Luigi Ferrara. Weil sich die vier Angeklagten im Fall Felix W. bei den Vernehmungen nach Kräften bemühen, ihre Komplizen nicht zu belasten, geht die Polizei davon aus, "dass sie sich an das Gesetz des Schweigens halten". Aufschlussreicher Lesestoff, könnte man meinen. Doch über die Mafia will niemand öffentlich reden bei der juristischen Aufarbeitung im Landgericht. Für Petra Reski, die gerade ein neues Buch mit dem Titel "Von Kamen nach Corleone Die Mafia in Deutschland" veröffentlicht hat, passt das ins Bild.
Die Journalistin beklagt, dass die gut organisierten Machenschaften italienischer Clans in Deutschland allzu oft verschwiegen oder mindestens fahrlässig unterschätzt werden. Ein ganzes Kapitel ihres neuen Buchs hat sie Stuttgart gewidmet. Wie selbstverständlich sich die kalabrischen Mafiosi dort bewegen, lege nicht zuletzt die Wahlfälschungsaffäre um den römischen Senator Nicola di Girolamo nahe, der zwischenzeitlich als mutmaßlicher Protagonist eines gewaltigen Geldwäscheskandals der Ndrangheta festgenommen wurde. Besonders gute Drähte hatte der Senator nach Stuttgart. Der politisch völlig unbekannte di Girolamo, der meist in Brüssel residierte, hatte im April 2008 bei der Parlamentswahl als Auslandsitaliener kandidiert und auf Anhieb rund 25.000 Stimmen eingefahren.
Die meisten waren nach Ansicht italienischer Fahnder von der Ndrangheta gekauft, besonders viele davon im Raum Stuttgart. Die Sammelstelle für die gefälschten Wählerstimmen befand sich nach Erkenntnissen römischer Staatsanwälte in einem Inter-Mailand-Fanclub bei Stuttgart. Bisher gelang es den deutschen Fahndern meistens nur, einzelnen Mafiosi konkrete Delikte nachzuweisen. An die Organisation dahinter kamen sie nicht heran. "Wenn wir Hinweise oder Hilfeersuchen aus Italien bekommen, reagieren wir sehr schnell", sagt Horst Haug, Sprecher des Landeskriminalamts. Genügt das bei einem Gegner, der Deutschland nicht mehr nur als Rückzugsgebiet, sondern verstärkt als Operationsgebiet nutzt? Nach Meinung italienischer Mafiafahnder sind die Deutschen zu weich bei ihren Ermittlungen. Die bewegliche Ndrangheta werde in ihrem Entfaltungsdrang kaum gestört. Für Manfred Klumpp, den Landesvorsitzenden des Bundes deutscher Kriminalbeamter, ist dies kaum verwunderlich. "Statt Mafia heißt das große polizeiliche Thema derzeit im Land Stuttgart 21", sagt er gallig und ergänzt: "In Sachen Mafia verfügt die baden-württembergische Polizei bisher nur über stumpfe Schwerter!" Anders als in Italien sei die Zugehörigkeit zur Mafia in Deutschland kein strafbares Delikt. "Wer uns den Zugriff auf Telefon- und Internetverbindungsdaten verbietet, wie jüngst das Bundesverfassungsgericht, erstickt erfolgreiche Mafiaermittlungen schon im Keim. Auch bei Geldwäscheverdacht sind wir machtlos, solange es nicht wie in Italien die Beweislastumkehr gibt", sagt Klumpp. "Man muss sich schon die Frage stellen, ob diese stumpfen Schwerter vielleicht nicht doch auch politisch gewollt sind, wenn dazu noch immer mehr Personal bei der Polizei abgebaut wird."
stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2651982_0_9223_-organisiertes-verbrechen-in-der-region-stuttgart-unsere-nachbarn-von-der-mafia.html