12 Lichter

Reise nach Shergolah Teil 2


Mit der Morgendämmerung brachen sie auf und am späten Nachmittag sah Mahala zum ersten Mal in ihrem Leben den Zauber der Kristallstadt. Von der kleinen Anhöhe aus hatte sie einen wunderbaren Blick auf die Stadt, von der sie bisher nur aus Erzählungen wusste.

"Es ist wunderschön, nicht wahr?", sagte Alturin zu ihr.

"Ich finde keine Worte," antwortete Mahala staunend.

Sie ritten die Anhöhe hinab, passierten das Tor und kurz darauf standen sie vor dem Eingang in den Bereich, in dem Hatora, die Herrin der Kristallstadt lebte. Mahala hatte von ihr gehört, sie aber noch nie gesehen. Als sie den grossen Saal betraten, staunte Mahala über den Glanz, der sich überall verbreitete und sah sich nach allen Seiten um.

"Welche Freude, ihr seid da!", erklang ein Stimme hinter ihnen. Sie wandten sich um und Hatora kam lächelnd auf sie zu. In ihren langen Gewand schien sie über den Boden zu schweben und Mahala staunte sehr über die glanzvolle und erhabene Erscheinung der Herrin der Kristallstadt. Alturin und Mikkel verneigten sich leicht vor ihr und Mahala tat es ihnen gleich. Hatora ging auf Mikkel zu und belegte ihn mit einem scharfen Blick. Etwas verunsichert sah Mikkel sie an. Von oben herab, da er sie inzwischen an Körpergrösse deutlich überragte.

"Wie kannst Du es nur wagen?", herrschte sie ihn an.

Alle blickten sie erschrocken an. Was war geschehen?

"Mich an Körpergrösse noch zu übertreffen?", fuhr sie fort und lachte ihn an. Dann nahm sie ihn in den Arm und zuerst noch etwas zögerlich ob der scheinbaren Schelte, erwiderte Mikkel lachend ihre Umarmung.

"Was ist nur aus Dir geworden, sah sie ihn an, kaum lässt man Dich mal kurz allein, schiesst Du gleich übers Ziel hinaus." Alle lachten.

"Und wer bist Du, hübsche junge Dame?", wandte sie sich an Mahala.

"Man nennt mich Mahala.....Herrin, antwortete sie etwas zaghaft und Mikkel und ich wir sind, naja... also sozusagen. Fragend zog Hatora die Augenbrauen hoch.

"Wir haben uns gegenseitig versprochen Herrin. Mahala und ich gehören zusammen und werden gemeinsam die Ehe eingehen, wenn die Zeit reif ist."

Mahala erötete leicht und Hatora sah sie lächelnd an. Sie nahm die Hände von Mahala und blickte sie lange an. "Nun, ich denke schon.......dass ihr beide eine gute Wahl getroffen habt und ich beglückwünsche euch zu eurem Entschluss."

Erleichtert entspannte sich Mahala. Dann setzten sie sich um den Tisch und kurz darauf erklärte Hatora ihnen ihren Plan zum Eintritt nach Shergola. Hatora sprach darüber, dass es ein gefährliches Abenteuer wäre und dass sie ganz genau nach ihren Anweisungen vorgehen müssten. Als sie geendet hatte, fragte Mahala, ob sie sie morgen begleiten dürfte.

"Sie würde uns sicherlich......", Mikkel wurde von Hatora unterbrochen.

"Du wirst uns leider nicht begleiten können Mahala. Mikkel muss sich sehr auf die Sache konzentrieren und Du würdest ihn vielleicht ablenken. Das können wir nicht riskieren, dafür ist die Unternehmung zu gefährlich. Du wirst hier in der Kristallstadt bleiben. Ich habe für morgen bereits jemanden angewiesen, der Dir die Geheimnisse der Kristallkammer näher bringen wird."

"Aber sie könnte doch"......wollte Mikkel einwerfen. Doch Hatora unterbrach ihn abermals und hob ihre Hand.

"Dies ist mein letztes Wort in dieser Sache Mikkel. Es ist zu gefährlich! Mahala ist hier gut versorgt und in guten Händen und das was sie morgen erfahren wird, wird ihr auf ihrem weiteren Weg von grossem Nutzen sein, also wollen wir es nun dabei belassen."

Hatora duldete keinen weiteren Widerspruch und so fügten sich Mikkel und Mahala ihren Worten.

"Nun lasst uns gemeinsam Speisen und morgen früh treten wir mit den ersten Sonnenstrahlen unsere Reise an. Alle nötigen Vorkehrungen sind bereits getroffen." Mit diesen Worten ging Hatora voraus an den reich mit Speisen gedeckten Tisch. Danach gingen alle früh zu Bett, um ausgeruht für das Abenteuer des nächsten Tages zu sein.

Früh brachen sie am Morgen auf und nach einigen Stunden teils beschwerlichen Rittes gelangten sie an ein Bergmassiv, das durch seine ungewöhnliche Form auffiel. Zwölf Zacken "krönten" das Bergmassiv. Und Zwölf waren auch sie. Hatora, Alturin und Mikkel und neun ihrer besten Lichtkrieger. Sie hatten zwei weitere Pferde mit sich geführt - für den Fall, dass sie Erfolg hatten. Einige hundert Meter vor dem Berg stiegen sie von ihren Pferden ab und liessen sie zurück. Sechs der Lichtkrieger bewachten sie. Die anderen drei Lichtkrieger begleiteten sie zum Eingang. Hatora führte sie an und blieb dann mitten vor der Felswand stehen.

"Hier soll ein Eingang sein?", fragte Mikkel verwundert.

"Nicht so ungeduldig, junger Mikkel! Manche Dinge sieht unser Auge nicht sogleich. Mit diesen Worten holte Hatora einige Kristalle aus einem Beutel hervor. Wie tags zuvor besprochen, erhielt jeder von ihnen einen davon. Einen jedoch hielt Hatora nun gegen die Felswand und nach kurzer Zeit erschien eine leuchtende Umrandung, die wie eine Tür einen Eingang bedeutete. Hatora führte den Kristall in eine sich öffnende Vertiefung und kurz darauf schwang ein Teil der Felswand nach innen und gab den Weg frei....

Den Weg nach Shergola.....

Hatora ging voraus.

"Nun handelt, wie ich euch geheissen habe und spart mit eueren Worten. Wir werden bereits erwartet.....", sagte Hatora und kurz darauf hatte wabender Nebel sie verschluckt.


H.A. - hier genannt Tolkien
 
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Mahalas Entdeckung



Mahala war früh auf den Beinen. Die Sorge um Mikkel auf seiner Reise hatte sie schlecht schlafen lassen. Direkt nach dem Frühstück war sie von Shenzir abgeholt worden. Hatora hatte ihn beauftragt, Mahala die Kristallkammer zu zeigen und sie in gewisse Dinge einzuweihen. Als Shenzir die Tür zur Kammer geöffnet hatte und Mahala eintrat, war sie überwältigt von den vielen Kristallen und blieb zunächst in der Mitte des Raumes stehen, um die Energie der Kristalle auf sich wirken zu lassen. Bei einigen Kristallen hatte sie den Eindruck, als würden sie Verbindung mit ihr aufnehmen wollen. Shenzir war ein sehr feinfühliger Mensch und bemerkte ihre Verwunderung.

"Sprechen sie mit Dir?", fragte er nach.

"Ja, bei einigen habe ich den Eindruck, sagte Mahala verwundert. Du spürst es?"

"Ja. Ich beschäftige mit schon recht lange mit den Kristallen und ausserdem hat Hatora mir aufgetragen, Dich besonders aufmerksam zu beobachten, wenn Du mit ihnen in Kontakt kommst. Ich glaube, sie vermutet eine besondere Gabe in Dir, welche noch zum Vorschein kommen wird. Schaue Dich einfach um und wenn Dich ein Kristall besonders anspricht, nehme ihn heraus und ich erkläre Dir was ich von ihm weiss."

Langsam, Schritt für Schritt begann Mahala die Reihen der Regale abzugehen, in denen die Kristalle lagen. Ein zu einer Kugel geschliffener Kristall weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie zeigte auf ihn und fragte Shenzir:" Was ist das für ein Kristall?"

"Dies ist Weldur. In ihm ist viel an Wissen gespeichert über die Heilkräfte von Kräutern und Pflanzen."

"Oh, dann wundert es mich nicht, dass er mich anspricht, antwortete Mahala. Ich durfte schon viel über die Kräuter und Pflanzen lernen. Meine Mutter war eine kundige Kräuterfrau und einige Dinge habe ich von Mikkels Mutter lernen dürfen. Sie war eine besondere Frau."

"Du hast sie noch gekannt? Wie schön. Ich hörte von ihrem tragischen Schicksal. Es muss damals ein schwerer Verlust für Mikkel gewesen sein, Mutter und Vater gleichzeitig zu verlieren."

"Ja sicher, antwortete Mahala. Aber er hatte Glück im Unglück, dass sich Alturin und Hatora um ihn gekümmert und sich seiner angenommen haben."

"Gewiss, entgegnete Shenzir. Beide sind sehr weise und gütige Menschen und es ist ein grosses Glück für ihn gewesen."

In einem der Eckregale fiel Mahala ein roher Kristall auf und sie fragte Shenzir nach seinem Namen und seiner Bedeutung.

"Dies ist Aquor. Er besitzt die Kraft, Wasser mit Heilkräften zu versetzen. In unserem Brunnen oben sind Teile von ihm eingearbeitet und uns schon von grossem Nutzen gewesen bei der Behandlung kranker Menschen und Tiere."

Beim Weitergang um die Ecke übersah Mahala eine alte Schriftrolle, die ein wenig aus dem Regal heraus ragte und streifte sie mit ihrem Arm. Die Rolle fiel zu Boden. "Oh", rief sie erschrocken und bückte sich, um die Rolle aufzuheben. Der Kristall, den sie auf der Lichtung gefunden hatte, als sie ihre Eltern dort beerdigte und der seitdem an einer kurzen Kette um ihren Hals hing, baumelte beim Bücken nach der Schriftrolle ein wenig nach vorn. Plötzlich fiel Mahala und Shenzir ein seltsames Leuchten auf, welches von unterhalb des letzten Regalbodens kam. Auch der Kristall um ihren Hals begann plötzlich zu leuchten! Verwundert ging Shenzir auf die Knie und fischte unter dem letzten Regalboden nach dem leuchtenden Etwas. Als er seine Hand wieder hervor brachte, leuchtete ein Kristall in seiner Hand.

"Das ist Ushadran!", entfuhr es Shenzir überrascht. Wir glaubten, er sei verloren gegangen im Laufe der Zeiten und nun taucht er mit Dir plötzlich wieder auf. Ein seltsames Geschehen." Shenzir trat mit dem Kristall näher an Mahala heran, um ihn ihr genauer zu zeigen. Beide Kristalle leuchteten immer noch und als Shenzir näher heran kam, schien sich das Leuchten noch zu verstärken.

"Schau, sie würden perfekt zusammen passen," sagte Shenzir.

"Ja, tatsächlich. Sieht so aus, als wären sie einmal ein einziger Kristall gewesen."

Kaum hatte Mahala dies ausgesprochen, entfuhr beiden Kristallen ein heller Blitz und das Bruchstück in Shenzirs Hand hatte sich mit dem Bruchstück an der Kette um Mahalas Hals verbunden. Zunächst erschrocken und wortlos betrachteten beide den Kristall an Mahalas Kette.

"Wo sagtest Du, hast Du den Kristall gefunden Mahala?", fragte Shenzir nach.

"Auf der Lichtung nahe unserem Dorf. Ich habe dort meine Eltern beigesetzt und beim Ausheben der Gräber fand ich ihn. Seitdem trage ich ihn um den Hals."

"Steht auf dieser Lichtung eine alte Knorreiche mit dem Zeichen der zwölf Lichter auf dem Stamm?", fragte er weiter.

"Ja genau, dort war es! Du kennst den Ort?", fragte Mahala überrascht nach.

"Ja ich kenne ihn. Die Sage geht davon, dass Usha dort in seiner letzten Schlacht den Kristall verlor, genau wie er dort sein Leben verlor. Der Kristall soll mit einem Schwerthieb seiner Feinde durchtrennt worden sein. Wir müssen Hatora sofort nach ihrer Rückkehr davon berichten Mahala. Ich weiss nicht, welche Kräfte dem kompletten Kristall innewohnen und deshalb bitte ich Dich, den Kristall abzulegen und hier in der Kammer zu belassen, bis Hatora wieder hier ist und ihn betrachten und untersuchen kann."

"Gut, wenn Du meinst werde ich ihn ablegen und hier in der Kammer belassen, Shenzir. Wer weiss, was er wirkt."

Das Leuchten des Kristalles war etwas schwächer geworden und als Mahala die Kette abnahm, erstarb das Licht plötzlich. Erneut legte sie die Kette wieder um ihren Hals. Der Kristall begann sofort wieder zu leuchten.

"Seltsam, sagte Shenzir, er scheint einen direkten Bezug zu Dir zu haben, Mahala."

"Ja, so hat es den Anschein. Aber ich habe keine Ahnung, worum es sich hier genau handeln könnte." Mit diesen Worten nahm Mahala die Kette wieder ab. Das Licht erlosch und sie legte die Kette mit dem Kristall auf einen freien Platz im Regal.

"Hatora weiss bestimmt Rat. Wenn sie wieder zurück ist, wird sie sich der Sache annehmen und bestimmt hat sie eine Erklärung," meinte Shenzir.

Sie verliessen die Kammer und Shenzir führte Mahala zum Brunnen mit dem heilenden Wasser, da sie ihn unbedingt einmal sehen wollte. Sie setzten sich auf eine kleine Bank vor dem Brunnen und Mahala hielt ihre Hand in das Becken. Während sie sich unterhielten, spielte Mahala mit den kleinen Wellen, die sich im Brunnen bewegten. Als sie dann ihre Hand wieder heraus nahm, bestaunte sie ihren Handrücken. Die kleine Verletzung, welche sie sich auf dem Ritt in die Kristallstadt an einer Dornenhecke zugezogen hatte, war verschwunden. Sie berichtete Shenzir davon und zeigte ihm ihren geheilten Handrücken.

"Ja, er hat tatsächlich erstaunliche Heilkräfte. Aquors Bruder hat schon viele Menschen geheilt und uns allen grossen Dienst erwiesen."

"Weisst Du woher all diese Kristalle stammen, Shenzir?," fragte Mahala.

"Ja, Hatora hat mir viel darüber berichtet, als sie mich mit der Verwaltung der Kristallkammer betraute. Vor dem ersten Zeitalter vor langer langer Zeit lebten Lichtwesen hier, welche diese Kristalle unter ihrer Obhut hatten. Sie waren keine Menschen aus Fleisch und Blut so wie Du und ich, sondern waren eher durchscheinend, verstehst Du? Im Laufe der Zeit jedoch verfestigten sie sich durch die Kräfte der Erde und dies fügte ihnen mehr und mehr Schaden zu. Sie beschlossen, die Erde zu verlassen und konnten die Kristalle nicht mit zurück nehmen, da sie sich unter den Einflüssen unserer Mutter Erde verändert hatten.

So suchten sie nun nach geeigneten Menschen, denen sie die Kristalle anvertrauen konnten. Sie wussten natürlich um die enormen Kräfte, welche ihnen innewohnen und waren darauf bedacht, dass sie nicht den falschen Menschen in die Hände kamen, denn ihnen war bewusst, dass man die Kräfte der Kristalle auch zu niederen Zwecken missbrauchen konnte und sie waren sehr friedliebende Wesen. Nach langer Suche fanden sie endlich eine alte Frau in den Wäldern, die ihnen sehr weise erschien. Ihr vertrauten ihr die Kristalle an und verlangten ihr das Versprechn ab, diese niemals zu niederen Zwecken zu missbrauchen.

Der Name dieser weisen Frau war Halora. Dies alles ist viele viele Jahre her.

Und Hatora steht nun am Ende dieser Ahnenreihe.....


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Bengolf bei den Harathen



Frischer Wind blies Bengolf ins Gesicht. Es roch nach Seeluft. Langsam kehrten seine Sinne zurück. Er fühlte sich schwach. Die Erinnerung holte ihn langsam ein. Die Harathen. Der Drakbär! Ein schwerer Kampf. Dann gingen die Lichter aus....

Er schlug die Augen auf. Langsam versuchte er sich unter Stöhnen aufzurichten. Sein ganzer Körper schmerzte fürchterlich. Man hatte ihm ein Lager auf dem Schiffsdeck bereitet. Bengolf sah nach oben den Schiffsmast hinauf. Ein roter Drache auf grünen Grund. Er erkannte die Flagge. Er war bei den Harathen! Sie mussten den Lärm gehört haben und zurückgekommen sein. So schwach wie er sich fühlte, musste er viel Blut verloren haben. Vielleicht war es sein Glück, dass sie ihn gefunden hatten. Oder...Schicksal? Bengolf liess sich vorsichtig wieder zurück auf sein Lager sinken. Er schloss die Augen und hörte auf die Wortfetzen der Männer auf dem Schiff. Bruchstückhaft konnte er sich noch an das alte Harathisch erinnern. Dann hörte er eine kräftige Männerstimme sagen:" Geh' und sieh nach dem Bärentötermann, ob es ihm schon besser geht. Und behandelt ihn alle anständig, wie es sich für einen grossen Krieger gehört, habt ihr das alle verstanden?"

Zustimmendes Gemurmel war aus allen Ecken des Schiffes zu hören. Der Mann musste ihr Anführer oder der Käpitän sein. Bengolf hörte, wie ein Mann sich ihm näherte. Er berührte seine Stirn, wohl um festzustellen, ob er Fieber hatte. Dann strich er ihm mit einem feuchten Tuch durch sein Gesicht. Bengolf genoss die wohltuende Frische, liess sich aber zunächst nicht anmerken, dass er wach war. Als der Mann sich wieder entfernte, blinzelte Bengolf vorsichtig mit einem Auge zu ihm hinüber. Der Mann sah fürchterlich aus. Unzählige Narben zierten sein wettergegerbtes Gesicht und ihm fehlte sein rechtes Ohr. Doch Bengolf wusste, dass viele Narben und Verwundungen bei den Harathen als grosse Ehre galten, denn sie waren ein stolzes Kriegervolk und er vermutete, dass sie ihm zunächst freundlich gesonnen sein würden, ob seines Sieges gegen den Drakbären.

Er fühlte sich nun etwas besser und richtete sich erneut auf. Der Krieger, der ihm durch sein Gesicht gewischt hatte bemerkte ihn und kam sofort strammen Schrittes auf ihn zu, blieb aber in respektvollem Abstand vor ihm stehen und sah ihn an. "Geht es Dir besser, Bärentötermann?"

Bengolf nickte nur.

"Du verstehst meine Sprache?"

Wieder nickte Bengolf nur. "Wo bin ich hier," fragte er dann.

"Du bist auf einem unserer Kriegsschiffe, Bärentötermann. Wir sind vom Volke der Harathen und auf dem Weg in den Krieg." Er grinste und der Gedanke schien ihm sichtlich Freude zu bereiten. "Du musst ein grosser Krieger sein. Einen Drakbären allein zu töten, dazu gehört schon etwas. Bring ihm seine Waffen," rief er einem vorbei gehenden Mann zu. "Ein Mann ohne seine Waffen ist nur ein halber Mann." Sein zum Lachen geöffneter Mund gab mehrere Zahnlücken preis. Kurz darauf erschien derselbe Mann und reichte dem Krieger Bengolfs Waffen. Schwert sowie Pfeil und Bogen. "Du führst eine edle Klinge Bärentötermann, woher hast Du diese Waffe?" Respektvoll legte er die Waffen neben Bengolfs Lager.

"Ich habe sie von einem Lichtkrieger der Kristallstadt," antwortete Bengolf wahrheitsgemäss.

Der Krieger lachte verwegen. "Du meinst, Du hast ihn getötet und ihm die Waffen dann abgenommen. Bengolf griste nur. Der Krieger verstand dies als ein eindeutiges Ja und sagte: "Bleibe bei uns. Männer wie Dich können wir immer gut brauchen. Bald wirst Du Gelegenheit haben, noch weitere Lichtkrieger zu töten. So könntest Du Deine Schuld abtragen - schliesslich haben wir Dir das Leben gerettet."

"Ich werde darüber nachdenken, wenn ich wieder genesen bin. Wohin geht denn die Reise?", fragte Bengolf.

"Wir sind auf dem Weg zum Sternenwald. Dort werden wir uns mit den Truppen von Rincobal und seinen Verbündeten vereinen und danach ist unser Ziel die Kristallstadt. Die Zeit von Hatora ist abgelaufen und Rincobal wird der neue Herrscher unserer Welt sein. Er hat viele Völker versammelt und gemeinsam werden wir die Kristallstadt vernichten."

"Woher kommt dies so plötzlich, hat sie euch angegriffen oder geschadet?, fragte Bengolf.

"Sie hat Artron, den Anführer der Askadier getötet. Die Askadier sind ein verbündetes Volk der Harathen und der Mann, der ihn getötet hat, steht ganz oben auf unserer Liste."

"Und eure Rache soll nun folgen,?" fragte Bengolf.

"So wird es sein, Bärentötermann. Morgen werden wir anlanden und den Rest des Weges zu Fuss zurücklegen. Tags darauf werden wir in Rincobals Lager ankommen und die Angriffspläne schmieden."

Der Krieger entfernte sich und liess Bengolf allein. Auf keinen Fall wollte Bengolf mit Rincobal zusammentreffen. Er musste sich etwas einfallen lassen, um dem zu entgehen. Als die Dämmerung hereinbrach, war Bengolf immer noch mit seinem Plan beschäftigt, wie er die wilden Harathen ungesehen verlassen könnte. Das kräftige Mahl am Abend hatte ihm gut getan und ihn gestärkt, aber er war sich nicht sicher, ob er schon grösseren Anstrengungen gewachsen war. Er hatte gehört, dass sie bereits am Morgen ihr Ziel erreichen würden und musste sich in der Dunkelheit der Nacht davonschleichen, auch wenn er noch schwach war. Ein Zusammentreffen mit Rincobal wäre zu gefährlich. Der schwarze Magier würde ihn wahrscheinlich erkennen, das wäre zu gefährlich und würde seinen Tod bedeuten. Er musste unbedingt Hatora berichten, damit sie Vorkehrungen treffen könnte.

Bengolf bat darum, sein Bett etwas näher an die Bordwand zu stellen. Er gab vor, dass ihm das Schaukeln des Schiffes Probleme bereitet und er sich so notfalls an der Schiffswand festhalten könne. Sofort wurde seiner Bitte Folge geleistet und zwei Männer nahmen sich seiner Lagerstatt an. Bengolf sah mit Zufriedenheit, dass er nun ausser Sichtweite des Steuermannes war. Nach einer Weile wurde es ruhiger an Bord. Dunkelheit hatte sich ausgebreitet. Kein Stern war zu sehen. Der Himmel war heute Nacht von Wolken überzogen und kurz darauf begann es zu regnen. Bengolf hatte seinen Bogen in einem herumliegenden Jutesack eingewickelt und festgezurrt. Er hatte damit begonnen, seine Glieder zu strecken und zu dehnen, um sie wieder geschmeidiger zu machen und um sich an den immer noch aufkommenden Schmerz zu gewöhnen.

Kurze Zeit später hörte er, wie der Steuermann Gesellschaft bekam. Die Männer unterhielten sich angeregt und lachten manchmal laut auf. Wein kam hinzu und es dauerte nicht lange, bis ihre Aufmerksamkeit nachgelassen hatte. Bengolf sah seine Zeit gekommen....

Langsam setzte er sich auf. Er nahm sein Jutebündel und bewegte sich die Bordwand entlang weiter, bis er zu einem dicken Tau kam, an dem das Beiboot befestigt war. Er sah sich um. Die beiden am Ruder waren weinseelig ins Gespräch vertieft. Niemand war zu sehen. Bengolf hob ein Bein über die Bordwand. Mit schmerzverzerrtem Gesicht packte er das Tau und zog das zweite Bein nach. Als sein Körpergewicht an seinen Händen zog und er am Seil hing, glaubte er für einen Moment abzustürzen. Der Schmerz war so heftig, dass er ein leichtes Stöhnen nicht unterdrücken konnte. Still verharrte er an der äusseren Bordwand. Doch niemand hatte ihn gehört. Langsam und unter grossen Schmerzen glitt er immer weiter hinab, bis er den Boden des kleinen Bootes unter seinen Füssen spürte. Er holte ein Messer hervor und schnitt das dicke Tau durch. Vorsichtig stiess Bengolf sich etwas von dem Schiffsrumpf ab. Sofort fiel das kleine Boot zurück und das Kriegsschiff der Harathen zog an ihm vorbei.

Bengolf legte sich flach auf den Boden des Bootes, um einer Entdeckung vorzubeugen. Nach ein paar Minuten war das Schiff ausser Sicht. Niemand hatte etwas bemerkt - bislang.....



H.A. - hier genannt Tolkien
 
Shergolahs dunkle Gänge


"Bleibt nur dicht zusammen, wie ich euch gesagt habe!"

Hatora hatte kein Wort gesprochen, doch alle hatten es gehört. Durch die mitgeführten Kristalle waren sie auf der gedanklichen Ebene verbunden. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Der wabernde Nebel wurde ein wenig durchlässiger und Mikkel erkannte schwach die Umrisse einer geräumigen Höhle. Wege und Treppen führten am Rand der Höhle in die Höhe und Mikkel glaubte kleine Höhlen zu erkennen, aus denen schwaches Licht drang. Die Kristalle leuchteten ihnen den Weg aus, allerdings war immer nur ein kurzes Stück voraus zu sehen, da ihre Leuchtkraft auch nicht besonders gross war. Hatora wollte nicht, dass sie allzusehr auffielen in der Welt der Geistwesen. Je weniger sie gesehen wurden, desto besser hatte sie alle ermahnt.

Mikkel wunderte sich über den weichen Boden auf dem sie liefen.

"Dunkelgras, hörte er Hatoras Stimme leise. Es wächst nirgends sonst auf der Welt und nährt sich von den Seelenanteilen der Geistwesen, welche sich hier oberhalb aufhalten. Es ist wie ein Reinigungsprozess."

Lichtfetzen schwebten an ihnen vorbei. Mikkel hatte das Gefühl, dass sie friedfertig waren und dass sie eine recht angenehme Energie verströmten. Dann nahm er in der Mitte der Höhle ein röhrenartiges Gebilde wahr.

"Die Stiege", erklärte Hatora. Zu bestimmten Zeiten werden gereinigte Seelen in die Stiege geführt. Die Öffnung oberhalb entlässt dann einige von ihnen in den Seelengarten. Dort schauen sie auf ihr gelebtes Leben und nach einer Weile werden sie dann wieder in die grosse Gemeinschaft der Seelen aufgenommen. Dann können sie wenn sie möchten eine neue Wahl treffen oder dort verweilen."

Sie erreichten eine Treppenanlage. Hatora blieb stehen. Ein Lichtschein drang aus der nahen Höhlenwand heraus. Es schien Mikkel eine Art Kontrolle zu sein. Hatora hielt einen Kristall gegen das Licht und es erlosch. Sie stiegen vorsichtig die Treppen hinab und erreichten eine kühle Halle. Mikkel spürte Holz unter sich auf dem Boden.

"Sternenbäume", erklärte Hatora. "Die einzigen von ihnen, welche mit ihrem Einverständniss zu diesem Zweck umgelegt wurden."

Beim Weitergehen bemerkte Mikkel auch hier einige der Lichtfetzen, allerdings wiesen sie dunkle Schatten auf und schienen rauherer Natur zu sein. Manche flogen ihn regelrecht an und wirkten angriffslustig. Je weiter sie fortschritten, desto wilder und heftiger wurden ihre Bewegungen. Mikkel hatte seine Hand an den Griff seines Schwertes gelegt. Ihm war unbehaglich zumute. Leise Stimmen waren plötzlich zu hören. Klagelaute. Es wurde mit jedem Schritt unangenehmer und grausiger. Alturin kam ein riesiger wabernder Kopf entgegen, dessen Augen und Mund weit aufgerissen war. Ein gruseliger Schauer überkam ihn.

"Eine Treppe haben wir noch vor uns," hörten sie Hatoras Stimme. Dann hielt sie an. Wieder hielt sie einen Kristall gegen das aus der Wand schimmernde Licht. Sie konnten weitergehen. Die folgende Treppe war wesentlich länger als die anderen zuvor und als sie den Grund der Höhle erreicht hatten, fühlten sie harten, nackten Stein unter ihren Füssen. Jeder ihrer Schritte war nun zu hören. Die Luft war feucht und es war bedeutend wärmer als in der vorigen Höhle. Die schwüle Luft trieb ihnen in kurzer Zeit den Schweiss aus ihren Körpern.

"Ein Stück noch, dann beginnt Deine Suche Mikkel. Komm zu mir nach vorn."

Mikkel schloss zu Hatora auf. Ein Dröhnen und Grollen durchzog die Höhle. Rufe und Schreie waren zu hören. Ihre Sinne waren mit jedem ihrer Schritte mehr und mehr gespannt. Es wurde immer lauter. Da! Etwas hatte Mikkel berührt!

"Ruhig bleiben!", hörte er Hatoras Stimme. Gib ihnen keine Macht. Kismedis. Halb Geist - halb körperlich. Sie erkennen den, der sich ängstigt und an ihm laben sie sich dann." Vorsichtig wischte sich Mikkel den Schweiss von der Stirn.

"Gleich sind wir da. An den Wänden entlang wirst Du viele traurige Gestalten sehen, Mikkel. Suche dann nach Deinen Eltern. Ich wünsche Dir Glück!"

Bald darauf entdeckte Mikkel zusammengekauert einen alten Mann. Er summte eine Melodie vor sich hin und bewegte dabei seine angezogenen Beine hin und her. Sein Blick ging ins Leere. Seinen Kopf hob er abwechselnd zum Boden und dann in die Höhe. Sein Geist schien völlig verwirrt zu sein. Ein Stück weiter bemerkte er eine Frau, die immer wieder mit ihren Armen wild herumzuckte. Ihre Haarfarbe ähnelte im Halbdunkel der seiner Mutter. Mikkel bückte sich etwas zu ihr herunter, um ihr ins Gesicht zu sehen. Als sie ihn sah, kreischte sie ohrenbetäubend und Blut quoll aus ihren Augen. Alturin erschauerte. Schnell gingen sie weiter.

Sie verbrachten Stunden hier unten und so manches arme Wesen hatte ihnen ob ihres jämmerlichen Zustandes Tränen des Mitleids entlockt. Hatora hatte keine Hoffnung mehr, dass Mikkels Eltern hier unten zu finden waren. Sie hatten den ganzenTrakt durchschritten. Entmutigt und völlig durchgeschwitzt wollten sie den Rückweg antreten. Mehrmals wurden sie von den angriffslustigen Kismedis angegangen. Dann lag die Treppe nach oben vor ihnen. Hatora machte die ersten Schritte nach oben. Doch Mikkel hielt plötzlich inne. Er hatte ein leises Wimmern vernommen. Es kam von unterhalb der Treppe. Langsam ging er zurück, um unter den Treppenabsatz zu schauen. Alturin folgte ihm. Hatora beschlich ein seltsames Gefühl. Ihre Körperspannung stieg an. Mikkel betrat die Kehre unter der Treppe.

Da! Ein Schuh schaute heraus! Er kannte ihn! Es war die Sandale seiner Mutter!

Rasch bewegte sich Mikkel weiter unter die Treppe. Er erkannte das Kleid seiner Mutter. Halb auf dem Boden liegend, den Kopf an die Wand gelehnt, sah er den zusammengesackten, völlig ausgemergelten Körper seiner Mutter. Sie war nur noch Haut und Knochen. War sie tot? Mikkel versuchte verzweifelt sich zu beherrschen und seine Tränen und Trauer zu unterdrücken. Neben seiner Mutter entdeckte er zusammengerollt seinen Vater am Boden liegend. Langsam erhob Mikkel seine Hand und berührte das Bein seiner geliebten Mutter. Ein toter, kalter, dünner Knochen....... sie musste tot sein. Sein Vater hatte die Augen geöffnet, doch sein Blick war leer....

Mikkels Blick ging zu Boden und grosse Trauer erfasste ihn. Er konnte seine Tränen nicht mehr halten, der Schmerz war zu gross. Alturin hatte sich neben ihn gehockt und Hatora legte dem bemitleidenswerten Mikkel liebevoll ihre Hand auf seine Schulter. Mikkel versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken. Es gelang ihm nicht. Er beugte sich etwas nach vorn, um seine Mutter aufzuheben. Er wollte beide mitnehmen. Doch dann zuckte er völlig überrascht zusammen.

Sie bewegte sich! Ein leises Stöhnen kam aus ihrem Mund. Mikkel riss die Augen auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Auch in den Körper seines Vaters kam plötzlich Leben. Hinter ihnen stand Hatora. Sie hatte einen Kristall auf seine Eltern gerichtet....

"Vater! Mutter!", rief Mikkel. Er zog seine Mutter unter der Treppe hervor. Alturin kümmerte sich um seinen Vater und bald lagen beide vor dem Treppenanstieg. Überglücklich nahm Mikkel seine Eltern abwechselnd in die Arme. "Ich nehme meine Mutter. Trage Du bitte meinen Vater nach oben, Alturin," bat Mikkel.

"Ich werde Deinen Vater nehmen, Mikkel", sagte Hatora.

"Aber?", kam es fragend aus Alturins Mund.

Hatora hob ihre Hand. "Du wirst Deine Hände frei haben müssen, Alturin. Wir brauchen Dein Schwert."

Gebrüll und Geschrei brandete plötzlich auf. Horden von Kismedis waren auf dem Weg zu ihnen. Sie waren auf sie aufmerksam geworden.....

Hektisch griff sich Mikkel seine Mutter und nahm sie auf den Arm. Alturin half Hatora, Mikkels Vater zu schultern und dann stiegen sie rasch die Treppenstufen empor. Die Hälfe der Treppe war noch nicht geschafft, als die ersten der Kismedis sie erreichten. Beissend, kratzend und schlagend droschen sie auf Alturin ein, der den Rückweg absichern sollte. Sie schrien aus Leibeskräften und fügten ihm mehrere Wunden zu, doch Alturin setzte sein Schwert geschickt ein und keiner von ihnen kam zu Mikkel und Hatora durch. Sie wollten sie zurück holen, um ihnen den Rest ihres Lebens auszusaugen.

Dann erreichten sie den letzten Treppenabsatz. Erneut brandete eine Welle der Kismedis auf Alturin. Er hatte grosse Mühe, sie alle abzuwehren. Hatora hielt mit Mikkels Vater auf ihren Schultern den Kristall gegen das schwache Licht in der Wand. Dann konnten sie endlich passieren. Schnell liefen sie in die zweite Halle. Der weitere Rückweg war weniger beschwerlich und schliesslich erreichten sie das letzte Tor. Doch ein unerwartetes Hindernis blockierte ihren Weg nach draussen...

Cerverik! Ein Wächter der Unterwelt!

"Er war vorhin noch nicht da," rief Mikkel. Er stand dem mächtigen Wolf mit seinen rotglühenden Augen gegenüber. Sein riesiges, geöffnetes Maul liess seine messerscharfen Zähne erkennen. Vorsichtig reichte Mikkel seine Mutter an Alturin weiter, der sie behutsam auf die Arme nahm. Mikkel zog sein Schwert und trat dem riesigen Wolf entgegen.

"Du musst mir das Losungswort nennen, sonst darf ich euch nicht durchlassen und muss euch in die unterste Kammer zu den Kismets bringen, " sagte der Wolf mit gespielter Höflichkeit. Mikkel nahm den Griff des Schwertes in die rechte Hand und legte die Spitze in seine linke Hand.

"Ich darf dieses Wort nicht aussprechen Torwächter, sagte Mikkel. Es ist mir verboten. Aber ich habe es auf meine Klinge eingravieren lassen, um Dich zu besänftigen. Komm und lies."

Langsam hielt er dem Wolf die Klinge etwas näher entgegen. Mikkel drehte ich leicht seitwärts, um den Eindruck zu erwecken, sich respektvoll ein wenig abwenden zu wollen. Der Wolf bewegte sich ein wenig nach vorn, um die Klinge anzusehen. Er konnte nichts erkennen. So kam er noch ein kleines Stück näher...

Blitzschnell liess Mikkel seine linke Hand vom Schwert los und schlug mit der rechten Hand zu. Der Kopf des Wolfes knallte laut auf den Boden und rollte ein paar Stufen hinab. Doch kein einziger Blutstropfen war zu sehen. Dennoch glaubte Mikkel, ihn besiegt zu haben. Doch dann stürzte sich der massige kopflose Körper nach vorne auf Mikkel zu.

"Sein Herz!", hörte Mikkel Hatoras Stimme.

Geschickt sprang Mikkel auf die Seite und stiess dem blutrünstigen Cerverik sein Schwert mitten ins Herz. Der Wolf jaulte laut vor Schmerz auf, sackte zu Boden und löste sich in Staub auf. Rasch ging Hatora zu dem schwach leuchtenden Licht und hielt den Kristall hinein. Die Zeit kam ihnen wie eine Ewigkeit vor, bis sich endlich das Tor öffnete und sie das erlösende Tageslicht erblickten.

Besorgten Blickes kamen ihnen die zurückgebliebenen Lichtkrieger entgegen. Alturin und Hatora legten Mikkels Eltern behutsam im weichen Gras ab. Erst jetzt im Tageslicht sah Mikkel den schlimmen Zustand seiner Eltern. Hätte er nicht selber das schwache Leben in ihnen gespürt, er hätte sie für tot gehalten.

"Werden sie es schaffen bis in die Stadt?", fragte Mikkel Hatora besorgt.

"Lasst uns darauf hoffen," antwortete Hatora.


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Bengolf bei den Harathen



Frischer Wind blies Bengolf ins Gesicht. Es roch nach Seeluft. Langsam kehrten seine Sinne zurück. Er fühlte sich schwach. Die Erinnerung holte ihn langsam ein. Die Harathen. Der Drakbär! Ein schwerer Kampf. Dann gingen die Lichter aus....

Er schlug die Augen auf. Langsam versuchte er sich unter Stöhnen aufzurichten. Sein ganzer Körper schmerzte fürchterlich. Man hatte ihm ein Lager auf dem Schiffsdeck bereitet. Bengolf sah nach oben den Schiffsmast hinauf. Ein roter Drache auf grünen Grund. Er erkannte die Flagge. Er war bei den Harathen! Sie mussten den Lärm gehört haben und zurückgekommen sein. So schwach wie er sich fühlte, musste er viel Blut verloren haben. Vielleicht war es sein Glück, dass sie ihn gefunden hatten. Oder...Schicksal? Bengolf liess sich vorsichtig wieder zurück auf sein Lager sinken. Er schloss die Augen und hörte auf die Wortfetzen der Männer auf dem Schiff. Bruchstückhaft konnte er sich noch an das alte Harathisch erinnern. Dann hörte er eine kräftige Männerstimme sagen:" Geh' und sieh nach dem Bärentötermann, ob es ihm schon besser geht. Und behandelt ihn alle anständig, wie es sich für einen grossen Krieger gehört, habt ihr das alle verstanden?"

Zustimmendes Gemurmel war aus allen Ecken des Schiffes zu hören. Der Mann musste ihr Anführer oder der Käpitän sein. Bengolf hörte, wie ein Mann sich ihm näherte. Er berührte seine Stirn, wohl um festzustellen, ob er Fieber hatte. Dann strich er ihm mit einem feuchten Tuch durch sein Gesicht. Bengolf genoss die wohltuende Frische, liess sich aber zunächst nicht anmerken, dass er wach war. Als der Mann sich wieder entfernte, blinzelte Bengolf vorsichtig mit einem Auge zu ihm hinüber. Der Mann sah fürchterlich aus. Unzählige Narben zierten sein wettergegerbtes Gesicht und ihm fehlte sein rechtes Ohr. Doch Bengolf wusste, dass viele Narben und Verwundungen bei den Harathen als grosse Ehre galten, denn sie waren ein stolzes Kriegervolk und er vermutete, dass sie ihm zunächst freundlich gesonnen sein würden, ob seines Sieges gegen den Drakbären.

Er fühlte sich nun etwas besser und richtete sich erneut auf. Der Krieger, der ihm durch sein Gesicht gewischt hatte bemerkte ihn und kam sofort strammen Schrittes auf ihn zu, blieb aber in respektvollem Abstand vor ihm stehen und sah ihn an. "Geht es Dir besser, Bärentötermann?"

Bengolf nickte nur.

"Du verstehst meine Sprache?"

Wieder nickte Bengolf nur. "Wo bin ich hier," fragte er dann.

"Du bist auf einem unserer Kriegsschiffe, Bärentötermann. Wir sind vom Volke der Harathen und auf dem Weg in den Krieg." Er grinste und der Gedanke schien ihm sichtlich Freude zu bereiten. "Du musst ein grosser Krieger sein. Einen Drakbären allein zu töten, dazu gehört schon etwas. Bring ihm seine Waffen," rief er einem vorbei gehenden Mann zu. "Ein Mann ohne seine Waffen ist nur ein halber Mann." Sein zum Lachen geöffneter Mund gab mehrere Zahnlücken preis. Kurz darauf erschien derselbe Mann und reichte dem Krieger Bengolfs Waffen. Schwert sowie Pfeil und Bogen. "Du führst eine edle Klinge Bärentötermann, woher hast Du diese Waffe?" Respektvoll legte er die Waffen neben Bengolfs Lager.

"Ich habe sie von einem Lichtkrieger der Kristallstadt," antwortete Bengolf wahrheitsgemäss.

Der Krieger lachte verwegen. "Du meinst, Du hast ihn getötet und ihm die Waffen dann abgenommen. Bengolf griste nur. Der Krieger verstand dies als ein eindeutiges Ja und sagte: "Bleibe bei uns. Männer wie Dich können wir immer gut brauchen. Bald wirst Du Gelegenheit haben, noch weitere Lichtkrieger zu töten. So könntest Du Deine Schuld abtragen - schliesslich haben wir Dir das Leben gerettet."

"Ich werde darüber nachdenken, wenn ich wieder genesen bin. Wohin geht denn die Reise?", fragte Bengolf.

"Wir sind auf dem Weg zum Sternenwald. Dort werden wir uns mit den Truppen von Rincobal und seinen Verbündeten vereinen und danach ist unser Ziel die Kristallstadt. Die Zeit von Hatora ist abgelaufen und Rincobal wird der neue Herrscher unserer Welt sein. Er hat viele Völker versammelt und gemeinsam werden wir die Kristallstadt vernichten."

"Woher kommt dies so plötzlich, hat sie euch angegriffen oder geschadet?, fragte Bengolf.

"Sie hat Artron, den Anführer der Askadier getötet. Die Askadier sind ein verbündetes Volk der Harathen und der Mann, der ihn getötet hat, steht ganz oben auf unserer Liste."

"Und eure Rache soll nun folgen,?" fragte Bengolf.

"So wird es sein, Bärentötermann. Morgen werden wir anlanden und den Rest des Weges zu Fuss zurücklegen. Tags darauf werden wir in Rincobals Lager ankommen und die Angriffspläne schmieden."

Der Krieger entfernte sich und liess Bengolf allein. Auf keinen Fall wollte Bengolf mit Rincobal zusammentreffen. Er musste sich etwas einfallen lassen, um dem zu entgehen. Als die Dämmerung hereinbrach, war Bengolf immer noch mit seinem Plan beschäftigt, wie er die wilden Harathen ungesehen verlassen könnte. Das kräftige Mahl am Abend hatte ihm gut getan und ihn gestärkt, aber er war sich nicht sicher, ob er schon grösseren Anstrengungen gewachsen war. Er hatte gehört, dass sie bereits am Morgen ihr Ziel erreichen würden und musste sich in der Dunkelheit der Nacht davonschleichen, auch wenn er noch schwach war. Ein Zusammentreffen mit Rincobal wäre zu gefährlich. Der schwarze Magier würde ihn wahrscheinlich erkennen, das wäre zu gefährlich und würde seinen Tod bedeuten. Er musste unbedingt Hatora berichten, damit sie Vorkehrungen treffen könnte.

Bengolf bat darum, sein Bett etwas näher an die Bordwand zu stellen. Er gab vor, dass ihm das Schaukeln des Schiffes Probleme bereitet und er sich so notfalls an der Schiffswand festhalten könne. Sofort wurde seiner Bitte Folge geleistet und zwei Männer nahmen sich seiner Lagerstatt an. Bengolf sah mit Zufriedenheit, dass er nun ausser Sichtweite des Steuermannes war. Nach einer Weile wurde es ruhiger an Bord. Dunkelheit hatte sich ausgebreitet. Kein Stern war zu sehen. Der Himmel war heute Nacht von Wolken überzogen und kurz darauf begann es zu regnen. Bengolf hatte seinen Bogen in einem herumliegenden Jutesack eingewickelt und festgezurrt. Er hatte damit begonnen, seine Glieder zu strecken und zu dehnen, um sie wieder geschmeidiger zu machen und um sich an den immer noch aufkommenden Schmerz zu gewöhnen.

Kurze Zeit später hörte er, wie der Steuermann Gesellschaft bekam. Die Männer unterhielten sich angeregt und lachten manchmal laut auf. Wein kam hinzu und es dauerte nicht lange, bis ihre Aufmerksamkeit nachgelassen hatte. Bengolf sah seine Zeit gekommen....

Langsam setzte er sich auf. Er nahm sein Jutebündel und bewegte sich die Bordwand entlang weiter, bis er zu einem dicken Tau kam, an dem das Beiboot befestigt war. Er sah sich um. Die beiden am Ruder waren weinseelig ins Gespräch vertieft. Niemand war zu sehen. Bengolf hob ein Bein über die Bordwand. Mit schmerzverzerrtem Gesicht packte er das Tau und zog das zweite Bein nach. Als sein Körpergewicht an seinen Händen zog und er am Seil hing, glaubte er für einen Moment abzustürzen. Der Schmerz war so heftig, dass er ein leichtes Stöhnen nicht unterdrücken konnte. Still verharrte er an der äusseren Bordwand. Doch niemand hatte ihn gehört. Langsam und unter grossen Schmerzen glitt er immer weiter hinab, bis er den Boden des kleinen Bootes unter seinen Füssen spürte. Er holte ein Messer hervor und schnitt das dicke Tau durch. Vorsichtig stiess Bengolf sich etwas von dem Schiffsrumpf ab. Sofort fiel das kleine Boot zurück und das Kriegsschiff der Harathen zog an ihm vorbei.

Bengolf legte sich flach auf den Boden des Bootes, um einer Entdeckung vorzubeugen. Nach ein paar Minuten war das Schiff ausser Sicht. Niemand hatte etwas bemerkt - bislang.....



H.A. - hier genannt Tolkien

manometer! da kommt ja einiges auf die kristallstadt, Bengolf, Alturin, Mikkel, Mahalla und Hatora zu...
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du verstehst es wirklich deine leser in spannung zu halten! :thumbup:
 
Die Waldbewohner



Bengolf hatte sich so lang treiben lassen, bis er das Schiff der Harathen nicht mehr ausmachen konnte. Er lenkte das kleine Boot ans Ufer und wollte aussteigen. Doch Schmerz durchzog stechend seinen Körper. Bengolf hielt einen Moment mit schmerzverzehrtem Gesicht inne. Dann nahm er den Jutesack und richtete sich langsam wieder auf. Vorsichtig hob er sein Bein über den Bootsrand. Dann das nächste Bein. Der Kies am Ufer knirschte unter seinen Füssen, als er sich in Richtung des Waldrandes in Bewegung setzte. Bengolf fühlte sich noch schwach und ihm war klar, dass er seine Kräfte gut einteilen musste. Er ging ein Stück in den Wald hinein und wandte sich dann nach Norden. Er wollte noch ein wenig weitergehen und sich dann ausruhen. Je grösser der Abstand zum Ufer war, desto besser. Das kleine Boot hatte er nicht verstecken können, dazu hatte ihm die Kraft gefehlt. Sobald sie sein Verschwinden bemerken und ihn suchen würden, würde das Boot am Ufer ihnen den Weg weisen.

Doch er musste sich ausruhen. Seine Wunden schmerzten sehr und Bengolf hatte das Gefühl, Fieber zu bekommen. Das Fühlen an seiner Stirn bestätigte seine Vermutung. Bengolf sah sich um. Er verwischte seine Spuren hinter sich und ging tiefer in den Wald hinein. Eine Gruppe von Büschen weckte seine Aufmerksamkeit. Es gab eine Art kleinen Durchgang in die Mitte der Buschgruppe. Bengolf trat hindurch und wurde von einem kleinen geschützten Raum empfangen, der ihm ausreichend Schutz zu bieten schien. Er entschied sich, hier niederzulassen und ein wenig auszuruhen. Den schmalen Eingang verschloss er geschickt mit einigen Ästen, welche er aus dem dichten Buschwerk entnahm und so die kleine Lücke schloss. Er richtete sich aus Gräsern, Blattwerk, Moos und kleinen Zweigen ein gemütliches Lager her und streckte sich aus.

Das Fieber holte ihn nun stärker ein und bald nach dem Einschlafen fand er sich in wilden Träumen.....

Die drei Waldsäumer hatten ihn schon länger beobachtet. Als sie bemerkten, dass Bengolf eingeschlafen war und zu träumen begann, schlichen sie sich langsam näher heran. Die friedfertigen kleinen Waldbewohner, die an Grösse kaum die Hüfte eines erwachsenen Mannes erreichten, betrachteten mitleidig den heftig träumenden Bengolf. Einer der Waldsäumer schickte einen seiner Begleiter fort, nachdem er ihm mit eindringlichen Worten leise etwas erklärt hatte. Sofort machte sich der kleine Mann auf den Weg. Als er sich etwas von Bengolfs Versteck entfernt hatte, begann er schnell zu rennen. Sein langer weisser Zopf flog dabei hin und her. Als er völlig ausser Sichtweite war, legte er seine wahre Stärke an den Tag. Der bereits schon sehr schnell laufende Waldsäumer verzehnfachte plötzlich noch einmal seine Geschwindigkeit und flog förmlich über den Waldboden. Innerhalb eines Augenblickes war er nicht mehr zu sehen.

Die beiden am Versteck zurückgebliebenen Waldsäumer hatten inzwischen Kräuter im Wald gesucht und zerkleinert. Einer der beiden hatte kunstvoll eine Art Stirnband geflochten, in welches die zerkleinerten Kräuter eingelegt und mit Wasser beträufelt wurden. Nun schlichen sie vorsichtig an Bengolf heran und legten ihm ohne das er etwas bemerkte das Band um seinen Kopf. Sie deckten ihn mit ausgesuchtem Blattwerk zu und zogen sich zurück. Dann kehrte der dritte Waldsäumer wieder zurück. Aus seiner geschulterten kleinen Tasche holte er weitere Kräuter hervor, die von allen Dreien rund um das Buschwerk verstreut wurden. Etwas wie feiner Nebeldunst stieg auf und legte eine Art Schutz um die Büsche, um dann wieder im Waldboden zu versinken.

Plötzlich hielten die kleinen Mannen inne. Geräusche! Jemand näherte sich. Schnell wie der Blitz zischten sie plötzlich davon. Einige Augenblicke später durchkämmten drei Harathen den Wald. Sie hatten Bengolfs Flucht bemerkt und waren ans Ufer gekommen. Das kleine Boot verriet ihnen, wo Bengolf angelandet war. Sie waren keine zwanzig Schritte mehr von seinem Versteck entfernt. Einer der Krieger steuerte schnurstracks auf die Buschgruppe zu, doch irgend etwas liess ihn stoppen und vor den Büschen abdrehen. Sie liefen vorbei....

Es kehrte Ruhe ein im Wald.

Zwischen den Buschblättern hindurch kitzelte ein erster Strahl der Morgensonne den verletzten Bengolf wach. Er blinzelte und richtete sich auf. Als er an seine Stirn fasste, bemerkte er den Kranz aus Blättern samt Inhalt. Der Griff an seine Stirn zeigte ihm, dass er kein Fieber mehr hatte. Was war das? Jemand der ihm wohlgesonnen war, hatte ihm scheinbar geholfen. Es roch wie ein Extrakt aus Sternblättern und hatte ihm während der Nacht sehr gut geholfen. Es ging ihm wesentlich besser heute früh. Bengolf packte seine Sachen zusammen und verliess sein nächtliches Versteck. Er wollte auf dem schnellsten Weg zurück. Er musste Hatora unbedingt warnen. Er fühlte sich beobachtet, hatte aber ein gutes Gefühl dabei.

Die fünf Augenpaare, die auf ihn gerichtet waren, blickten zufrieden auf ihr nächtliches Werk. Dem Fremden schien es viel besser zu gehen. Er machte den Eindruck eines guten Menschen auf sie und sie waren froh, dass sie ihm geholfen hatten. Vermutlich war er in einer wichtigen Mission unterwegs und sie überlegten, ob sie ihm vielleicht irgendwie helfen konnten. Ihr Führer fasste plötzlich einen Entschluss und zischte an Bengolf vorbei, um einige Pferdelängen vor ihm stehen zu bleiben. Überrascht blickte Bengolf ihn freundlich an. Dann ging er in die Hocke und sprach ihn an:" Ihr müsst ein recht kundiger Heiler sein lieber Freund. Ich bin Euch zu Dank verpflichtet" und er neigte etwas sein Haupt.

Der kleine Waldsäumer legte seinen Kopf auf die Seite und sah Bengolf an. "Ihr seid ein guter weiser Mann, Fremder. Gerne haben wir Euch geholfen. Ihr scheint in äusserst wichtigen Angelegenheiten unterwegs," sagte er mit fragendem Blick.

"Mein Name ist Bengolf und ich bin auf dem Wege in die Kristallstadt. Ich habe dringende und eilige Botschaft für Hatora, der Herrscherin dort. Sie muss gewarnt werden. Krieg zieht herauf."

"Oh, entgegnete der Waldsäumer mit besorgtem Blick. Das sind keine guten Nachrichten. Wir hörten viel Gutes von Hatora. Seit langer Zeit regiert sie dort friedlich und mit weiser Hand. Wann wollt Ihr dort sein, Bengolf?"

"Nun, antwortete Bengolf mit besorgter Miene, mein Pferd wurde getötet und ich bin nun zu Fuss unterwegs. Ich denke, sechs bis sieben Tage wird meine Reise dauern."

"Dies würde Euch weit zurückwerfen, oder?"

"Gewiss, antwortete Bengolf, ein Pferd wäre nun sehr hilfreich."

"Vielleicht kann ich Euch einen schnelleren Weg anbieten, sprach der Waldsäumer. Habt Ihr schon einmal von den Bukkis gehört?"

"Bukkis?, nein diesen Namen hörte ich noch nie, offen gestanden."

"Wenn Ihr möchtet, bieten wir Euch diese Reise an und Ihr werdet heute gegen Abend in der Kristallstadt sein."

Ungläubig sah Bengolf den Mann an. Ein schriller Pfiff durchschnitt die Ruhe des Waldes. Kurz darauf zischte ein schlittenähnliches Gefährt heran, gezogen von sechs......Bukkis.

Der freundliche Waldsäumer ging an den Schlitten heran und tätschelte die ungewöhnlichen Tiere im Vorbeigehen. Er zeigte auf einen Waldsäumer, der auf einer Art Kutschbock sass und die Zügel in der Hand hielt. "Dies ist Siewolt, unser bester Lenker. Er kann Euch bringen. Und ich bin Browand, der Anführer der Waldsäumer. Steigt ein, guter Bengolf und reist schnell, so wird Hatora heute noch die wichtigen Nachrichten erhalten."

Bengolf sah die seltsamen Tiere an. Wie halbwüchsige Rehe sahen sie aus. Allerdings hatten sie kräftigere Beine und die Kopfform von Pferden. Ihr Fell war grünbraun und ihre grossen Augen leuchteten. Ihre spitzen Ohren waren hoch aufgerichtet. Langsam ging Bengolf auf das Gefährt zu. Der Schlitten hatte eine hölzerne Umrandung und war mit bequemem Fell ausgeschlagen.

"Nehmt Platz guter Bengolf und lasst Euch bringen," sagte Browand mit einer einladenden Handbewegung.

Bengolf zögerte nun nicht mehr länger und nahm auf der Sitzbank Platz. Der Anführer der Waldsäumer neigte leicht seinen Kopf. Das war das Letzte, was Bengolf von ihm sah.

"Ziiiiiiiiieht", hörte Bengolf den Lenker rufen und mit einem Ruck flog der Schlitten durch den Wald. Das seltsame Gefährt schien durch die hohe Geschwindigkeit über dem Boden zu schweben. Es war Bengolf viel zu schnell und er schloss seine Augen. Dann schlief er ein.....

Bengolf wurde durch sanftes Rütteln an seiner Schulter geweckt. Als er die Augen aufschlug, erblickte er von der Anhöhe aus die Kristallstadt. Wunderschön glänzte sie in der Abenddämmerung. Erleichter war er, als er kurz darauf den Boden der Kristallstadt unter seinen Füssen spürte. Dieser Glanz. Diese Ruhe. Dieser Frieden.

Doch wie lange noch?......


H.A. - hier genannt Tolkien
 
Die Prophezeiung



"Ushadran?, fragte Hatora überrascht nach, ich glaubte ihn verloren." Shenzir hatte seiner Herrin nach ihrer Rückkehr sogleich von seinem Erlebnis in der Kristallkammer berichtet. Er hatte ihr beschrieben, wie sich die beiden Kristallhälften vereinigt hatten.

Alturin sah Hatora aufmerksam an. Er spürte, dass dies etwas zu bedeuten hatte, dass von grösserer Tragweite sein musste. Hatora schickte Shenzir, ihr den Kristall zu holen. Kurz darauf kehrte er mit dem in ein Tuch eingeschlagenen Kristall zurück und gab ihn Hatora. Sie nahm den Kristall in ihre Hand und schlug das Tuch zurück. Er war wunderschön! Sie hielt ihn gegen das Sonnenlicht. Er war wie aus einem Guss und kein Riss oder eine Stelle der Verschmelzung war zu sehen."Ushadran," flüsterte Hatora. Doch der Kristall zeigte keinerlei Reaktion. Er "sprach" nicht mit ihr.

"Lasse nach Mahala schicken, Shenzir. Sie soll sich sofort hierher zu mir begeben," wies sie ihn an.

"Ja Herrin," antwortete Shenzir und machte sich sogleich auf den Weg. Bald darauf erschien Mahala in der Tür und bat um Einlass.

"Komme zu uns Mahala. Wie geht es Mikkels Eltern?", fragte sie nach.

"Oh, sie sind noch sehr schwach Herrin. Mikkel will nicht von ihrer Seite weichen und lässt Euch grüssen, antwortete Mahala. Doch die Heilkräuter und das heilende Wasser des Brunnens zeigen erste Wirkung. Mikkels Mutter ist heute früh kurz aufgewacht und hat ein paar Worte gesprochen, dann schlief sie aber sofort wieder ein."

"Es wird noch dauern, bis sie wieder ganz sie selbst sind, aber ich bin guter Dinge, sagte Hatora. Sage mir Mahala, was hast Du gespürt, als die Kristallhälften sich vereinigten und dann um Deinen Hals hingen?"

Mahala überlegte einen kurzen Moment. "Ich habe mich ein wenig schuldig gefühlt, weil ich in der Kristallkammer so eine Verwirrung geschaffen habe."

"Das meine ich nicht, Mahala. Was hast Du gefühlt?", fragte Hatora nach.

Nach einem kurzen Moment des Überlegens sprach Mahala weiter. "Es war ein sonderbares Gefühl, Herrin. Ich glaubte mich an eine besondere Energie angeschlossen. Eine Energie die sehr stark ist und führt. Aber....

"Ja.?"

"Mir schien es, als ob sie sehr weise wäre und alles wüsste und auf jede Frage eine Antwort hätte."

Hatora nickte nur wissend. Sie hielt Mahala den Kristall entgegen. "Nimm' ihn und lege ihn an Mahala."

Zögernd streckte Mahala ihre Hand nach dem Kristall aus. Dann nahm sie ihn von Hatoras Hand und führte die Kette über ihren Kopf. Als Ushadran ihre Haut berührte, begann er zu leuchten. Mahala und Alturin bestaunten überrascht das Geschehen. Nur Hatora schien unbeeindruckt.

"Halte ihn in Ehren Mahala. Er wird Dir von grossem Nutzen sein, wenn Du ihn zum Wohle der Menschen einsetzt. Er wird Dich von jetzt an begleiten, bis an Dein Ende. Er gehört Dir. Komme morgen um die Mittagszeit zu mir, damit ich Dir alles über ihn erklären kann. Ich danke Dir Mahala. Gehe nun wieder zu Mikkel und seinen Eltern zurück. Er kann Deine Nähe im Moment ganz besonders gut gebrauchen."

"Ja, das mache ich Herrin," antwortete Mahala und verabschiedete sich mit einer kurzen Verbeugung.

Alturin sah Hatora an. Sie machte einen sehr nachdenklichen Eindruck auf ihn.

"Lasst Ihr mich an Euren Gedanken teilhaben, Hatora?", fragte er sie.

Hatora schaute ihn an. "Nun, begann sie nach einer kurzen Weile, es stehen grosse Veränderungen an, lieber Alturin. In der Prophezeiung wurde es vorausgesagt und bald wird es so eintreffen. Die Kristallstadt wird auf eine harte Probe gestellt werden und meine Zeit hier neigt sich dem Ende."

"Aber Herrin, davon stand nichts in der Prophezeiung so weit ich weiss," warf Alturin bestürzt ein.

"In dem Teil den Du kennst stand nichts davon, dass ist richtig. Allerdings ist die Prophezeiung noch umfangreicher und es gibt nur einen Menschen, der sie zur Gänze kennt und dieser Mensch bin ich."

Erstaunt blickte Alturin Hatora an.

"Teile der Prophezeiung sind nun schon eingetroffen. Mikkel ist erschienen. Er wird eine tragende Rolle spielen in der nächsten Zeit. Mahala ist auf den Plan getreten. Bei ihr fehlt mir nur noch eine Kleinigkeit zur Gewissheit. Sie könnte die neue Königin der Kristallstadt werden, wenn ich es richtig deute. Ein grosser Kriegszug steht bevor,..... so gross, wie ihn noch keiner erlebt hat. Sein Ende hängt von einigen Wenigen ab. Das Ende des Krieges wird auch mein Ende hier sein. Ich werde in die friedlichen Lande eingehen und meiner Seele Ruhe geben. Die Lichter der alten Knorreiche werden erlöschen. Sie werden entweder in neuem Glanz erstrahlen oder für immer dunkel bleiben."

"Doch über Eines bin ich froh, lieber treuer Freund. Ich weiss, dass wir uns einmal wieder begegnen werden und dies ist ein ermutigender Gedanke."

"Aber Herrin, warf Alturin ein, seid Ihr ganz sicher, dass es so eintreffen wird, ich meine......"

Hatora hob ihre Hand und unterbrach ihn. Sie wusste, dass er durch ihren Fortgang sehr leiden würde. Sie wusste, dass er sie liebte - auf seine Weise - und sie wusste auch, dass er dies niemals zum Ausdruck bringen würde - jedenfalls nicht in diesem Leben.

"Bei all' den Dingen, die passieren werden kannst Du darauf vertrauen, dass wir uns wiedersehen werden, Alturin. Auf den Verlauf hier haben wir nun weniger Einfluss. Es wird in anderen Händen liegen, wie die Dinge sich entwickeln. Achte auf Mikkel und stehe ihm zur Seite. Seine Eltern werden noch eine Weile brauchen, bis sie wieder bei Kräften sind und Herr ihrer Sinne. Es war ein starker Zauber. Sobald sie wieder ganz genesen sind, wird der Kampf bald entbrennen. Wir sollten gut vorbereitet sein und die Zeit gut nutzen. Sollte es schlecht ausgehen, müssen wir die Kristalle retten. Wenn sie Rincobal und seinen Schergen in die Hände fallen würden....nicht auszudenken!"

"Ich frage mich, wo Bengolf steckt, sagte Alturin, er würde uns eine grosse Hilfe bei den Vorbereitungen sein und bei einer Schlacht...... ich wäre froh, ihn an meiner Seite zu haben."

"Er wird bald hier sein Alturin, ich spüre es und ich glaube, dass er uns keine guten Nachrichten mitbringen wird. Ich träumte von harathischen Kriegsschiffen - aber warten wir es ab. Ich bitte Dich, unsere Nachbarn und Verbündeten aufzusuchen Alturin und die Kunde zu überbringen, dass wir auf einen grossen Krieg zusteuern. Wir können jede Hilfe brauchen."

"Gewiss Hatora, ich mache mich sogleich auf den Weg." Er verabschiedete sich von ihr, packte seine Sachen zusammen und kurze Zeit darauf ritt er durch das grosse Tor in die Ebene vor der Kristallstadt.

Am nächsten Morgen war Hatora früh auf den Beinen. Es gab nun viel zu tun und zur Mittagsstunde erwartete sie Mahala. Sie war sich nun recht sicher, dass sie ihre Nachfolgerin würde, es fehlte nur noch die besagte "Kleinigkeit"......

Als Mahala dann zum vereinbarten Zeitpunkt ihre Räume betrat, nahm Hatora die Veränderung sofort an ihr wahr. Innerlich war sie um Jahrzehnte gereift. Der Kristall leuchtete kaum wahrnehmbar unter ihrem Kleid hervor.

"Setze Dich zu mir Mahala und berichte, wie es Mikkel und seinen Eltern heute geht."

Mahala erzählte Hatora, dass nun auch Mikkels Vater kurze lichte Momente hatte und dass seine Mutter abermals aufgewacht ist und Mikkel erkannt hat. "Mikkel ist sehr glücklich und ich soll Euch seine Grüße und seinen Dank ausrichten, dass ihr dies alles für ihn und seine Eltern getan habt, Herrin."

"Dass ist sehr gern geschehen, richte es ihm bitte aus, wenn Du nachher wieder bei ihm bist. Und nun werde ich Dich in die Geheimnisse von Ushadran einweihen, Mahala und zum Abschluss vollziehen wir ein Ritual, welches Dich noch stärker mit ihm verbinden wird."

So sassen sie bis zur Abendstunde in Hatoras Gemächern und Mahala saugte das Wissen über Ushadran förmlich in sich auf. Sie war völlig still, hörte aufmerksam zu und hatte keine Fragen. Mahalas Verhalten erinnerte sie an die ersten Tage mit Mikkel. Auch er war ein sehr aufmerksamer Zuhörer gewesen. Dann bat Hatora Mahala aufzustehen und ihr gegenüber zu treten. Aus einer kleinen Schatulle holte sie einen kleinen Kristall hervor, den sie Mahala in die linke Hand gab.

"Nun konzentriere Dich auf Ushadran Mahala, schliesse Deine Augen und bleibe genau so stehen, bis wir fetrtig sind." Mahala nickte. Das Leuchten des Kristalles wurde immer intensiver, je mehr Mahala mit ihm Kontakt aufnahm. Hatora wies Mahala nun an, den Kristall in ihrer Hand an ihre Brust zu führen und dort zu belassen. Als ihre Hand mit dem kleinen Kristall darin auf Ushadran lag, veränderte sich seine Farbe und durchlief alle Farben des Regenbogens, um schlussendlich in einem wunderschönen silbernen Farbton zu erstrahlen. Plötzlich würde der gesamte Körper Mahalas von diesem Strahlen erfüllt und sie sah aus wie ein Engel. Hatora betrachtete sie zufrieden und wartete, bis das Leuchten wieder zu normaler Stärke abgenommen hatte. Ein leichtes Zittern durchlief den Körper von Mahala und sie öffnete ihre Augen. Lächelnd sah sie Hatora an.

"Es war wunderschön Herrin," sagte Mahala strahlend.

"Ja, das war es, Mahala." Hatora nahm ihre beiden Hände und sah Mahala an. "Ich habe eine Frage an Dich Mahala und ich bitte Dich um eine ehrliche Antwort. Ich frage dies nicht aus Neugier, sondern nur deshalb, weil es für Deinen.....Eueren weiteren Weg sehr wichtig ist. Auch für mich selber ist es sehr wichtig, um sicher sein zu können, dass eine alte Prophezeiung zutrifft."

"Habt ihr euch schon vereinigt, Du und Mikkel?"

Mahala war überrascht von der Frage. Sie war etwas verlegen, doch hielt sie dem Blick von Mahala stand.

Dann sagte sie: "Ja Herrin, das haben wir. Es geschah in Mikkels Elternhaus, als wir dort genächtigt haben. Vielleicht war es nicht recht, doch....."

Hatora hob ihre Hand und unterbrach Mahala. "Es ist alles gut, Mahala. Es ist nichts Unrechtes geschehen. Darf ich Deinen Bauch berühren?"

Mahala nickte etwas verunsichert und Hatora legte behutsam ihre Hand auf Mahalas Bauch. Sie schloss ihre Augen und fühlte. Und sie fand....

Sie fand die "Kleinigkeit" welche ihr zur Sicherheit der Prophezeiung noch fehlte.....

Mahala war in freudiger Erwartung.....

Hatora öffnete die Augen, trat einen Schritt zurück und verbeugte sich leicht vor Mahala, die augenblicklich wusste, was Hatora gerade erfahren hatte.

Dann nahmen sich die beiden Frauen in die Arme....


H.A. - hier genannt Tolkien
 
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Der Ruf der Trommeln


Rincobal war zufrieden. Sein Plan schien aufzugehen. Seine Macht war sehr gewachsen. Viele hatte er zusammengerufen und nun nahte der Tag, sie alle auf ihn einzuschwören. Abordnungen der einzelnen Völker hatten sich versammelt und erfüllten den Sternenwald. Zwischen den Erdlöchern der Gnomm hatten sie ihre Zelte aufgeschlagen. Viele von Ihnen waren im Wald unterwegs und sahen sich um und alle Blicke blieben an einem Wesen hängen, dass einigen Männern einen kalten Schauer über den Rücken laufen liess.

Grandalk....

Auf einer kleinen Lichtung sass der Fürst der Unterwelt vor einem übergrossen Lagerfeuer und starrte geistesabwesend in die Flammen. Respektvoll hielten alle Abstand von ihm, doch Rincobal hatte ihn fest unter seiner Kontrolle. Sein eigener Wille war ausgeschaltet und er gehorchte nur einem Mann: Rincobal, seinem neuen Herrn und Meister.

Die Abordnung der Harathen interessierte sich sehr für ihn. Sie sprachen angeregt darüber, wie man dieses übermächtige Wesen wohl am besten bezwingen könnte. Je länger sie ihn beobachteten, desto mehr verloren sie ihre Angst und Scheu und wagten sich immer näher an ihn heran. Einer von ihnen nahm schliesslich einen kleinen Stein auf, um ihn auf den Riesen zu werfen. Er holte aus...

Grandalk hob nur seinen Kopf und sah ihn an. Langsam liess der Krieger den Arm mit dem Stein sinken und entfernte sich langsam. Die anderen taten es ihm gleich. Sie waren mutig, aber nicht verrückt. Grandalk liess seinen Kopf wieder sinken und stocherte mit einem mannsdicken Baumstamm im Feuer herum. Bald würde sein Herr ihn rufen.....

Je mehr die Dunkelheit Besitz vom Wald ergriff, desto lauter wurde es rings um die Lagerfeuer vor den Zelten. Der Gerstensaft zeigte erste Wirkung. Die Stimmung unter den Männern lockerte zusehends auf. Schallendes Gelächter war zu hören und an einem Lagerfeuer brandete plötzlich lautes Geschrei auf. Zwei der Männer am Feuer hatten Streit bekommen und gingen aufeinander los. Blitzschnell zogen sie ihre Waffen und schlugen aufeinander ein. Plötzlich zuckte ein gleissend heller Blitz durch die Nacht und traf die beiden Männer. Wie zur Salzssäule erstarrt hielten sie in ihrer Bewegung inne. Rincobal war auf den Plan getreten und hatte dem Kampf mit seinem Zauber ein schnelles Ende gemacht. Er holte die beiden Männer ins Leben zurück.

"Ihr Narren!, schrie er sie an. Wir haben uns hier versammelt, um uns zu vereinen. Und was macht ihr? Ihr entzweit uns und wollt euch gegenseitig den Schädel einschlagen. Schluss damit! Legt euch nieder und schlaft euren Rausch aus. Morgen früh beginnt die Zeremonie." Noch etwas benommen zogen sich die Männer respektvoll in ihre Zelte zurück. Rincobal duldete keinen Widerspruch. Kurze Zeit später herrschte nächtliche Ruhe im Wald. Nur Grandalk schlief nicht.

Er schlief nie...

Rincobal zog sich in sein Haus zurück. Er sass in seinem Sessel und hatte die Augen geschlossen. Eine Traumvision erreichte seinen Geist. Im dichten Nebel durchschritt er den Sternenwald. Schemenhaft waren am Wegesrand Gestalten zu erkennen. Es waren seine Eltern! Sein Vater Ragodon stand aufrecht mit seinem Zauberstab in der Hand leuchtend vor einem Sternenbaum. Daneben...seine Mutter Filine. Blass war sie. Er hatte sie nie kennen gelernt. Sie war bei seiner Geburt gestorben und er konnte ihr Gesicht nicht erkennen. Nur ihr schönes lockiges blondes Haar war zu erkennen. Danach schritt er an seinen Grosseltern vorbei. Ein mahnender Blick des grauhaarigen alten Mannes traf ihn. Rincobal sah weg und schritt weiter voran. Er schritt seine Ahnenreihe ab...ein langer Weg an dessen Ende eine Weggabelung war. Ein Weg war hell und einer dunkel. Auf dem hellen Weg waren Spuren zu sehen. Die Spuren, die seine Ahnen hinterlassen hatten. Plötzlich wurde er zurückgezogen und stand abermals vor einer Weggabelung. Es war sein Weg, dies wusste er.

Sein Vater stand vor ihm. "Mein Sohn. Kehre um ins Licht. Du bist auf dem falschen Weg!"

"Ich bin der letzte unserer Reihe, antwortete Rincobal. Was hat uns Dein Weg beschert? Deine Frau - meine Mutter - sie hat Dich früh verlassen. Ich habe sie nicht einmal gekannt. Sie liess Dich einsam zurück. Meine Frau und mein Kind......sind tot. Mein Kind habe ich nicht einmal gekannt. Mein kleines Glück war viel zu kurz. Sie liessen mich einsam zurück. Das Licht hat mir kein Glück gebracht, Vater."

Er wandte sich ab und wachte auf. Die Morgendämmerung zog herauf....

Die Männer waren alle auf den Beinen. Rincobal hatte angeordnet, sie kurz vor dem Morgengrauen allesamt zu wecken. Eine überdimensionale grosse Trommel stand auf einer Lichtung. Davor.... ein überdimensionaler Trommler.

Grandalk.

Die Abordnungen der einzelnen Volksstämme waren mit ihren Fahnenträgern vorne weg allesamt angetreten. In Reih und Glied standen sie auf der Lichtung und sahen Rincobal entgegen, der hoheitsvoll die Lichtung betrat. Er baute sich vor ihnen auf.

"Krieger der neuen Zeit, heute ist der Tag, an den wir uns alle vereinen, um dem heuchlerischen Getue der Kristallstädter ein Ende zu machen. Wir werden die Stadt niedermachen und uns ihre mächtigen Waffen greifen, um gemeinsam zu herrschen." Jubel und Geschrei brandete auf. Die Männer reckten ihre Waffen in die Höhe.

Rincobal sah zu Grandalk herüber, der augenblicklich damit begann, die Trommel zu schlagen. Donnernd trafen die Trommelstöcke auf den dreifach bespannten Körper der Trommel. Der Rhytmus erfasste die Männer, die sich bald darauf zum Klang der Trommel hin und her wiegten. Wie in Trance schwangen sie sich ein auf ihren monotonen Klang. Ihre Blicke waren ausdruckslos. Grandalk hatte sie eingefangen. Dann erhob er zu einem letzten Schlag die Trommelstöcke und liess sie mit dem letzten Ton auf der Trommel liegen. Der Rhytmus erstarb. Die Männer kamen zu sich. Gefüllte Becher wurden ausgeteilt und herumgereicht. Jeder der Männer bekam einen. Auch Rincobal.

Vor den Männern stehend erhob er seinen Becher. "Mit diesem Trank ist unser Verbund unauslöschlich besiegelt. Tod! Tod der Kristallstadt!"

"Tod der Kristallstadt!", brüllten die Krieger wie von Sinnen.

Dann führte Rincobal den Becher zum Mund und alle taten es ihm gleich. Wie Rincobal leerten sie ihren Becher in einem Zug. Ein Feuer leuchtete in ihren Augen. Alle hatten sie getrunken. Alle....ausser Grandalk. In seinen Augen brannte schon genug Feuer.

Rincobal wandte sich erneut an die Krieger: "Einen Tag, bevor der Neumond das zweite Mal am Himmel erscheint, treffen wir uns am verabredeten Platz. In der Ebene von Julgat. Sie bietet all unseren Heerscharen genug Platz. Doch merkt euch - lasst alles unversehrt auf eurem Weg dorthin. Jeder der mordet oder brandschatzt in den Dörfern, bekommt meinen Zorn zu spüren. Spart euch die Kräftr für die Schlacht auf. Nun packt eure Habseeligkeiten und geht zurück in eure Heimat. Bereitet alles gut vor. Bereitet euch selbst gut vor. Und seid zeitig dort in Julgat. Und nun geht." Er hob seine Arme in die Höhe. "Schärft eure Waffen. Schärft euren Körper und schärft euren Geist!"

Lautes Gejohle und Gebrüll erhob sich. Dann brachen die Krieger auf. Bald würde es beginnen. Der Tag stand nun fest.....


H.A. - hier genannt Tolkien
 
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