12 Lichter

Tolkien

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Die Usha-Lichtung


Der kleine Mikkel war aus dem Häuschen. Es war so weit. Heute durfte er wieder mit seinen Eltern zur Lichtung raus. Er war in diesem Jahr 3 Jahre alt geworden und ungewöhnlich gross gewachsen. Sein langes blondes Haar hing ihm stets wirr ins Gesicht und wenn er es sich herausstrich, kamen seine tiefblauen Augen zum Vorschein. Seinen linken Handrücken zierte ein seltsames Mal. Es stellte eine Sonne dar, um die herum zwölf Punkte silbern leuchteten. Dieses Zeichen wies ihn, genau wie seine Eltern, als "Lichtmagier" aus. Jedes Jahr wurde in einer festlichen Zeremonie vom Ältestenrat ermittelt, ob es neue Lichtmagier unter ihnen gab. In diesem speziellen Ritual wurde immer zur Sommersonnenwende geschaut, ob es einen neuen Schüler mit den richtigen Anlagen gab. War dem so, erschien auf dem linken Handrücken des Kindes das Mal. In ihrem Dorf waren seine Eltern sehr geachtete Leute, weil sie mit ihrer magischen Arbeit und ihrem alten Wissen um Lichtenergie und Heilung schon vielen Dorfbewohnern geholfen hatten. Mit ihren Fähigkeiten hatten sie schon oft Schaden vom Dorf und ihren Bewohnern abgewendet und einen magischen Schutzkreis um das Dorfrund gelegt.

Im Dorf lebten etwa einhundert Menschen in einfachen Holzhäusern, die sie alle selbst erbaut hatten. Direkt am Waldrand gelegen, lebten die meisten Menschen des Dorfes von Ackerbau und Viehzucht und von den Dingen, die der Wald gab. Ein friedliches Miteinander, von gegenseitiger Hilfe getragen, sicherte ihnen allen hier ein recht zufriedenes Leben. Es gab einen Ältestenrat, nach dessen Empfehlungen sich die Leute meist richteten, aber dennoch war jederman frei in seinen Entscheidungen und konnte tun und lassen was er wollte, solange die Gemeinschaft keinen Schaden hierdurch erlitt. Grössere Veränderungen wurden gemeinsam beraten und umgesetzt. So herrschte schon lange Zeit ein friedvolles Nebeneinander im Dorf und das war gut so. Doch etwas trübte die Stimmung seit einiger Zeit. Seinen Eltern war aufgefallen, dass das leuchtende Lichtzeichen am Baum der Weisheit auf der Usha-Lichtung langsam verblasste und dies war kein gutes Zeichen. Mikkel hatte die Besorgnis seiner Eltern gespürt und seine Mutter beim letzten Besuch der Lichtung gefragt, worüber sie sich solche Sorgen machten. Doch seine Mutter hatte ihn nur an seine Pflichten erinnert, die er auf der Lichtung zu erfüllen hatte und ihm gesagt, dass sie es ihm später erklären würde.


Sie machten sich heute auf den Weg zur Lichtung, wo sie drei Tage und drei Nächte bleiben wollten um zu ergründen, was es mit dem verblassen der Lichter auf sich hatte. Der Weg zur Lichtung würde ungefähr drei Stunden dauern und Mikkel hatte sich fest vorgenommen, seine Mutter wieder auf die Sache anzusprechen, wenn sie dort waren. Auf dem Weg dorthin wollte er sich die richtige Strategie zurecht legen. Nun verliessen sie ihr Haus und gingen über den Dorfplatz. Unterwegs wurden sie von vielen Menschen freundlich gegrüsst. Sie wünschten ihnen viel Glück, Erfolg und eine sichere Rückkehr. Am Brunnen auf dem Dorfplatz sah Mikkel die kleine Mahala stehen. Sie lächelte ihm zu. Die beide mochten sich sehr und waren oft gemeinsam unterwegs. Sie wusste, dass er nun drei Tage nicht da sein würde und winkte ihn zu sich heran. Mikkel lief zu ihr herüber und sie drückte ihm zum Abschied ein Tuch in die Hand, in das etwas eingeschlagen war. "Du darfst aber erst reinschauen, wenn ihr auf der Lichtung seid," verlangte sie. "In Ordnung - versprochen," antwortete Mikkel und sie verabschiedeten sich voneinander.

Kurz darauf hatten sie den Rand des naheliegenden Waldes erreicht. Mikkel hatte seinen kleinen Rucksack geschultert. Seine Eltern trugen jeweils einen grösseren Rucksack mit all den Dingen, die sie während der drei Tage und für ihre Arbeit dort brauchen würden. Als sie auf der Hälfe der Strecke eine Rast einlegten, fragte Mikkel seine Mutter nach dem Grund für ihre Sorge. Doch seine Mutter vertröstete ihn abermals, versprach ihm aber nach getaner Arbeit auf der Lichtung den Rückweg dazu zu nutzen, ihn einzuweihen. Zunächst müsste er aber seinen Teil der Arbeit auf der Lichtung erfüllen. Schon wieder musste er warten! Aber die Aussicht auf Erklärung nach den drei Tagen liess ihn hoffen und sofort drängte er auf den Weitermarsch. Die zweite Hälfte des Weges kam Mikkel so endlos lang vor, aber dann hatten sie sie endlich erreicht. Es war eine besondere Stimmung hier, die ihn jedesmal aufs Neue faszinierte. Die alten Eichen und Buchen waren schon mehrere hundert Jahre alt und die alte Knorreiche, an der das Lichtsiegel hing, war schon über eintausend Jahre alt, hatte ihm seine Mutter erzählt.

In der Mitte der Lichtung stand ein alter Eichenbaumstumpf, um den herum sie ihre Sachen abstellten. Danach gingen sie alle drei zuerst zur Knorreiche, verbeugten sich vor ihr und legten ihre linke Hand mit dem Handrücken gegen das Siegel. Ein wohliges Brummen war aus der Eiche zu hören drei Blätter fielen herab zu ihren Füssen. Dies war das Zeichen, dass die Eiche sie erkannt hatte und ihnen Zutritt zur Lichtung und für ihre Arbeit gewährte. Die Eiche legte einen kaum wahrnehmbaren Schleier um die gesamte Lichtung und sorgte so für Schutz in den drei Tagen, die sie hier sein würden. Den Rest des ersten Tages nutzen sie immer für ihre Vorbereitungen, bauten alles auf und zum Schluss wurde ein schönes Lagerfeuer entfacht, an dem sie assen und redeten, bis zum Schlafengehen. "Warum heisst diese Lichtung eigentlich Usha-Lichtung, Mutter"?, fragte Mikkel. "Es geht die Legende, dass hier an dieser Stelle vor tausenden von Jahren einst eine mächtige Festung stand. Das friedliebende Volk der Usher soll hier gelebt haben und ihr König hiess Usha." "Und warum ist sie jetzt weg?", fragte Mikkel. "Nun, es gab einen grossen Krieg mit einem benachbarten kriegerischen Volk, dass sich die Niewa nannte und da die Usher diesen Krieg verloren, wurde alles dem Erdboden gleichgemacht und die Festung vernichtet." "Warum haben diese Menschen denn die Usher angegriffen?" "Ja weisst Du Mikkel, nicht alle Menschen sind so friedfertig wie wir." Gerade wollte Mikkel die nächste Frage stellen, als seine Mutter die Hand hob.


"Wir wissen beide nur zu gut, wohin das jetzt führen würde mein lieber Sohn. Es ist nun Zeit für Dich schlafen zu gehen. Deine Schlafstelle ist hergerichtet, also mache Dich fertig und dann ab ins Bett." Mikkel wusste, dass er keine Chance hatte und bereitete sich auf's Schlafengehen vor. Er ging zur alten Knorreiche und legte seinen linken Handrücken an den Baum. Dann verabschiedete er sich von seinen Eltern mit einem "Gute Nacht" und legte sich auf den Boden in sein Bett. Einen Moment dachte er noch nach, doch dann übermannte ihn die Müdigkeit und er schlief ein. Ein Traum bemächtigte sich seiner, der ihn diese Nacht unruhig schlafen liess. Er träumte von König Usha, von einem schönen Land, von einer grossen Schlacht und einer verheerenden Niederlage......und von sehr sehr dunkelen Mächten.​




H.A. - hier genannt Tolkien
 
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Allein


Mikkel war schon früh wach geworden. Er hatte wüst geträumt. Dass er geträumt hatte verwunderte ihn nicht, weil er hier immer und besonders intensiv träumte, aber diesmal war er sogar mehrfach in der Nacht wach geworden. Traumfetzen gingen ihm noch immer im Kopf herum. Er hatte eine riesige Festung gesehen, vor dem ein erbitterter Kampft tobte. Dann zerbarst die ganze Festung in einem riesigen Blitz zu Staub. Als seine Mutter wach war, erzählte Mikkel ihr den Traum. "Ich denke ich werde mir in Zukunft besser überlegen müssen, was ich Dir vor dem Schlafengehen erzähle, mein Lieber. Du hast von dem Endkampf der Usher geträumt, der hier stattgefunden hat. Nicht gerade die beste Gutenachtgeschichte." Mikkel war immer noch ein wenig verstört durch den Traum. Er ging zur alten Eiche und hielt seinen Handrücken an das Siegel. Dann stzte er sich wieder auf sein Bett.​

  • Sein Vater war aufgestanden und ging zuerst zur Eiche, um ebenfalls seinen Handrücken anzuhalten. "Eira, rief er, hast Du es gesehen?" Seine Mutter ging sofort zu ihm hinüber. "Oh Joohn, dass es schon so schlimm ist, hätte ich nicht gedacht," sagte sie leise, damit Mikkel es nicht hörte. Auch sie hielt nun ihren Handrücken gegen die Eiche. "Wir müssen sofort beginnen," sagte sein Vater laut und Mikkel wurde aus seinen Gedanken gerissen. Das Siegel hatte deutlich an Leuchtkraft abgenommen und zwei der Sternenlichter waren erheblich schwächer geworden. Die alte Eiche gab plötzlich einen Brummton ab. Alle Drei schauten nach oben in die mächtige Krone. Zwei Blätter schwebten herab. Braun und angewelkt. Das war recht ungewöhnlich für Mittsommer. "Schnell, sagte sein Vater, beeilen wir uns." Der alte Baumstumpf in der Mitte der Lichtung wurde zum Altar.


    Joohn holte einige magische Steine aus dem Rucksack und legte sie dort aus. Eira legte behutsam spezielles Kräuterwerk am Rand aus. Dann begann sie damit, magische Formeln zu rezitieren und hob dabei abwechselnd ihre Arme in den Himmel und wieder zurück auf den Altar. Mikkels Vater nahm einen brennenden Ast aus der Feuerstelle und entzündete die Kräuter. Mit einem frisch abgeschnittenen Zweig verwedelte Eira den Rauch. Wieder sprach sie einige Formeln. Nun nahm sein Vater einen speziellen Kristall aus seiner Hosentasche, um ihn zum Abschluss des ersten Rituals in die Mitte zu legen. Mikkel hatte sich inzwischen zu einem Erdloch begeben, um dort gelagertes Holz für das Feuer zu holen. Er war gerade im Begriff dort hinabzusteigen, als ein greller Blitz und ein ohrenbetäubender Knall die Lichtung erfüllten. Eine Druckwelle schleuderte Mikkel in das Erdloch hinein. Er fiel auf einen Stein und war sofort bewusstlos. Bäume, Äste und Erde flogen durch die Luft und verdunkelten die Lichtung. Viele Bäume der Lichtung wurden entwurzelt. Der Altar war ausgerissen und lag mit den Wurzeln zuoberst meterweit entfernt. Die Steine und der Kristall waren über die gesamte Lichtung verstreut.


    Die alte Eiche war erschüttert, aber sie stand immer noch. Doch der Ton den sie nun abgab, erinnerte eher an ein klägliches Wimmern, als an ein Brummen. Etwas an ihr hatte sich dennoch verändert..... die Sonne im Siegel leuchtete nun schwächer und zwei der Sterne waren erloschen. Joohn und Eira waren verschwunden. Sie waren paralysiert worden! Irgendetwas hatte den kleinen Mikkel im Handumdrehen zum Waisenkind gemacht. Es vergingen die Minuten und langsam legte sich der Staub, der die Lichtung erfüllt hatte. Mikkel war immer noch bewusslos und lag mit einer Platzwunde am Kopf in dem Erdloch. Er bekam nicht mit, dass sich auf der Lichtung etwas rührte. Ein alter Mann mit einem Bart und einem sonderbaren Hut hatte die Lichtung betreten. Er ging als erstes auf die Knorreiche zu und legte seinen Handrücken an die Borke. Danach ging er zu dem Erdloch und sah nach Mikkel. Er suchte die ganze Lichtung ab, bis er alle Steine und den Kristall eingesammelt und in seine Tasche gepackt hatte. Dann hob er Mikkel behutsam auf und trug ihn fort. Er legte seinen Handrücken an die alte Eiche und sagte: " Wir werden eine Weile fort sein, mein alter Freund" und verliess mit Mikkel die Lichtung.


    Einige hundert Meter weiter hatte der Alte sein Pferd angebunden. Hinter Sträuchern war es völlig versteckt und fast unsichtbar. Als er sich den Sträuchern näherte, hob er nur seine Hand und die Pflanzen machten ihm den Durchgang frei und neigten sich zur Seite. Er legte Mikkel auf dem Rücken des Pferdes ab und band es los. Dann stieg er auf und ritt davon. Die Lichtung lag still. Die alte Eiche war erschöpft. Es war ein schlimmer Tag für die Welt. Doch es gab noch Hoffnung. Aber es würde Zeit brauchen......
 
  • Der Alte



    Alturins Ritt war scharf. Er musste so schnell wie möglich in die Kristallstadt. Die ersten zwei Tage würde er durch den Wald reiten, danach musste er die Ebene von Tulur durchqueren, um dann an der Küste entlang bis zum lächelnden Berg zu gelangen. Der lächelnde Berg hatte seinen Namen in alter Zeit von Usha bekommen, weil seine Nordseite wie ein lächelndes Gesicht aussah. Seine alte Freundin und Wegbegleiterin Undra flog voraus und erkundete das Gelände. Die alte Eule hatte Alturin vor ewigen Zeiten lebenslange Treue geschworen, weil er ihr im Kampf gegen einen Zohr das Leben gerettet hatte. Diese Drachenart war aber mittlerweile ausgestorben, glücklicherweise.


    Alturin wollte bis Sonnenuntergang weiter reiten und dann das Nachtlager aufschlagen. Der Junge schlief immer noch. Irgendwie war er froh darüber. Er würde Fragen stellen. Fragen, die er nur sehr ungern beantworten würde, doch letztlich musste er ihm sagen, was passiert war. Auch wenn er noch so jung war, er musste ihm die Wahrheit sagen. Doch konnte er jetzt schon spüren, wie es ihn selbst schmerzen würde. Undra hatte ihm von dem unglückseeligen Vorfall auf der Lichtung berichtet. Sie hatte alles auf einem ihrer Erkundungsflüge gesehen und war sofort zu Alturin zurück geflogen. Gut für den Jungen, dass sie in der Nähe waren. Ein Zug des Schicksals, dachte er. Er hatte das Zeichen auf dem Handrücken des Kindes gesehen. Er wollte ihn in der Kristallstadt Hatora übergeben, dann würde man weiter sehen. Sie war die weiseste Frau, der er jemals begegnet war. Wunderschön, trotz ihres hohen Alters und mit weiser Hand lenkte sie seit ewiger Zeit die Geschicke der Kristallstadt. Er verehrte sie und hatte grossen Respekt vor ihren Kräften.


    Der Junge regte sich und schien bald aufzuwachen. Alturin sah sich nach einer geeigneten Stelle für das Nachtlager um. Es dämmerte bereits. Er steuerte eine kleine Baumgruppe an und hielt an. Behutsam wie einen Schatz nahm er den Jungen vom Pferd und legte ihn auf dem weichen Waldboden ab. Ein kleiner Bachlauf war in der Nähe und Alturin führte sein Pferd dort hin, damit es sich am Wasser erfrischen konnte. Er sammelte Holz und entzündete ein Lagerfeuer. Ein leichtes Rauschen erfüllte die Luft. Undra schwebte heran und sezte sich auf einen der unteren Äste einer Buche. Ihr Abendessen hatte sie sich bereits mitgebracht. Ein kleines Mäuschen baumelte in ihrem scharfen Schnabel. Sie nickte eifrig mit dem Kopf und bedeutete Alturin damit, dass die Luft rein wäre. Sie hielt ihren Kopf ganz schräg und betrachtete den Jungen auf dem Boden. Mikkel wurde unruhiger, aber er schlief noch weiter. Alturin hatte etwas zu Essen bereitet und setze sich neben den Jungen. Dann öffnete Mikkel seine Augen.


    Erschrocken sah er Alturin an und richtete sich auf. "Was ist passiert, wo bin ich, wer bist Du und wo sind meine Eltern," polterte er heraus. "Eine Menge Fragen für den Anfang, junger Freund, antwortete Alturin. Ich fange mal mit meinem Namen an. Ich bin Alturin. Ich habe Dich auf einer Lichtung gefunden. Du lagst in einem Erdloch und warst bewusstlos. Die Wunde an Deinem Kopf habe ich versorgt so gut ich konnte. Du bist auf dem Wege in die Kristallstadt, falls Dir das etwas sagt, mein kleiner Freund. Und was passiert ist, kann ich Dir nicht genau sagen. Ich weiss nur, dass die Lichtung auf der ich Dich fand ziemlich übel aussah. Es war viel zerstört. Was Deine Eltern angeht...... ich fürchte wir müssen davon ausgehen, dass sie nicht mehr leben." Er sah den Jungen an. Er gefiel ihm. So aufgeregt, wie er anfangs war, hatte er nun ruhig zugehört und ihn ausreden lassen. Er schien eine gute Erziehung egnossen zu haben. Auch seine Kleidung machte einen ordentlichen Eindruck. Naja, bis auf den Dreck. Er lag schliesslich auf dem Waldboden und war in ein Erdloch gefallen. Er hatte Alturin immer direkt angesehen, als er erzählte und immer wieder strich er sich seine schönen langen blonden Haare aus dem Gesicht.


    Mikkel spürte dass der Alte die Wahrheit sagte. Er wurde sehr traurig. Was würde er nun tun? Allein. Tränen stiegen ihm in die Augen. Alturin legte dem Kleinen seine Hand auf die Schulter und fragte: "Wie ist Dein Name? Wo kommst Du her und an was kannst Du Dich erinnern?" Dicke Tränen kullerten über Mikkels Wangen und diesmal senkte er kurz den Kopf. Doch schon kurz darauf hob er ihn wieder an und antwortete mit dicken Augen: "Auch Du stellst viele Fragen, alter Mann! Ich bin Mikkel aus dem Dorf Ushinum. Ich war mit meinem Vater Joohn und meiner Mutter Eira auf dieser Lichtung. Sie hielten dort ein Ritual ab, um die Energie zu stärken. Meine Eltern sind Lichtmagier in unserem Dorf. Plötzlich gab es einen Riesenknall und einen Blitz. Ich fiel in das Erdloch und danach weiss ich nichts mehr. Hast Du meine Eltern gesehen?" Der Kleine gefiel Alturin. Er war seinem Alter weit voraus, das merkte er sofort, vom Geist und von seiner Grösse her. Und er war ein angehender Lichtmagier.


    "Nein Mikkel, Deine Eltern habe ich leider nicht gesehen. In zwei Tagen werden wir die Kristallstadt erreichen und ich werde Dich an Hatora übergeben. Sie ist eine liebe weise Frau und lenkt die Geschicke der Stadt. Sie wird sich um Dich kümmern und Du kannst ihr vertrauen, ich kenne sie schon sehr sehr lange." "Was ist die Kristallstadt," fragte Mikkel. "Ich will Dir nur so viel sagen, dass dort eine ganz hohe Energie gegenwärtig ist sehr viel Weisheit und Liebe. Diese Stadt und seine Bewohner sind ein Seegen für die Menschen. Aber Du wirst es bald selbst erleben. Und nun ist es Zeit zu schlafen." Alturin wunderte sich über den Gehorsam des Jungen, der bereitwillig trotz der schlimmen Dinge, die er erlebt hatte seine Anweisungen ohne zu murren befolgte. Sie assen noch etwas und legten sich dann schlafen. Es lagen noch zwei Tage anstrengenden Rittes vor ihnen, bevor der Junge in Sicherheit war. Kurz darauf schliefen die beiden und Alturin setzte sich ans Feuer. Flügelschlag war zu hören und kurz darauf sass Undra auf seinem linken Knie.


    Die alte weise Eule war zu einer wichtigen Verbündeten für ihn geworden und gemeinsam hatten sie schon etliche Abenteuer erlebt. Mit ihren grossen Augen sah sie Alturin an und wippte ganz leicht von links nach rechts hin und her. "Nun erzähl' schon Undra, was ist los?", sagte Alturin. Genau wie Mikkel war auch Undra gut erzogen. Sie wartete stets, bis sie zum Reden aufgefordert wurde, es sei denn die Situation erforderte gerade etwas Anderes. Sie bewegte ihre Flügel und ihr braunes Federkleid raschelte. Ihr hübsches Gesicht zierte eine längliche Narbe unter ihren rechten Auge. Eine alte Erinnerung an einen Kampf mit einem Drachen, bei dem ihr Alturin beigesprungen war und ihr das Leben gerettet hatte. "Hmm, ....er gefällt Dir nicht wahr?, fragte sie. Du hast ihn in Dein Herz geschlossen, oder? Ich merke es." "Was wäre falsch daran Undra?", fragte Alturin. "Garnichts, antwortete Undra, im Gegenteil! Es steckt etwas Besonderes in ihm, das habe ich gleich gespürt. Er ist ein angehender Lichtmagier und wenn er seine Ausbildung bei Hatora erhält, dann wird er ein grosser Lichtmagier werden. Ich bin noch einmal zur Lichtung zurück geflogen, um nachzusehen, ob ich noch etwas finde." "Und?", hakte Alturin nach.


    "In der Mitte der Lichtung stand ein alter Eichenbaumstumpf, der den Magiern als Altar diente, fuhr sie fort. Es muss eine heftige Explosion gegeben haben, die den Baumstumpf ausgerissen hat. Die Steine und die Kräuter haben bei dem Ritual auf dem Baumstumpf gelegen, aber es lag noch etwas anderes dabei, von dem seine Eltern nichts gewusst haben dürften. Ich habe Reste davon gefunden." Nun schwieg Undra und wippte wieder ganz leicht hin und her. Alturin wurde ungeduldig. Er kannte dieses Ritual. "Und wann gedenkst Du nun mir zu sagen, was es war? Wird es noch in diesem Leben sein Undra, oder müssen wir uns für eine weitere Inkarnation verabreden, in der Du Dein Geheimnis preisgibst?" Alturin glaubte ein leichtes Lächeln in ihren Augen zu erkennen. "Nein, so lange kann ich Dich nicht im Ungewissen lassen, ich möchte ja auch nicht, dass Du vor Neugier platzt.... in diesem Leben.....an diesem schönen Ort.....und vor dem Jungen." "Undra!", zischte Alturin sie an. "Schon gut, schon gut alter Mann, obwohl....eigentlich hätte ich Dir in Deinem Alter mehr Geduld zugetraut, Alturin." Alturin senkte entnervt den Kopf. Undra hatte ihren Spass. Doch dann kam ein Wort aus ihrem Schnabel, das Alturins Kopf rasch in die Höhe schnellen liess. " Oarkraut!" "Oarkraut?, rief Alturin entsetzt. Aber, das kann nicht sein Undra. Nach der letzten Schlacht gegen die Oar ist alles von diesem unseeligen Zeug vernichtet worden und keiner der Oar hat überlebt, sie wurden alle nieder gemacht und das ist bald ein ganzes Zeitalter her." "Ich weiss, was ich gerochen habe Alturin, meiner Nase kann ich immer noch vertrauen, obwohl es fast geruchloch ist und deshalb haben seine Eltern es vermutlich auch nicht bemerkt."


    Alturin war verwirrt. Oarkraut? Wo sollte es herkommen? Er hatte das Gefühl, dass sie unruhigen Zeiten entgegen gingen. Undra wünschte eine gute Nacht - sie würde Wache halten. Alturin ging zu seinem Nachtlager und streckte sich aus. Der kleine Mikkel schlief, wenn auch recht unruhig. Er hatte eine Menge zu verarbeiten. Der lange Ritt machte sich nun bei Alturin bemerkbar. Er streckte sich und rollte sich dann in seine Decke ein. Es war etwas frisch heute Nacht. Er schlief recht schnell ein und der Traum erreichte ihn alsbald. Die Schlacht......lange her. Die Oar waren zahlreich gewesen. Immer wieder rannten sie in Wellen gegen sie an. Die Verluste waren riesig. Sein Schwert. Blutverschmiert. Dann stand der Anführer der Oar vor ihm. Ein langer erbitterter Kampf. Doch dann.... der alles entscheidende Streich.....
H.A. - hier genannt Tolkien

 
Die Kristallstadt



Nach unruhigem Schlaf erwachte Alturin als Erster. Er sah sich um. Undra sass auf dem Buchenzweig, hatte ein Auge geschlossen und raschelte mit ihren Flügen, als sie sah, dass Alturin sich aufrichtete. Der Junge schlief noch. Alturin stand auf, schürte das Feuer neu an und machte alles für einen Tee bereit. Undra hob von ihrem Ast ab und wollte sich ein Frühstück besorgen. Das kleine Mäuschen gestern war ein wenig dürftig gewesen. Als Alturin ein paar kleine Äste für das Feuer brach, wurde der kleine Mikkel durch das Knacken wach. "Guten Morgen junger Freund, begrüsste er ihn lächelnd. Gerade rechtzeitig. Komm' steh' auf, es gibt guten Tee und getrockneten Schinken zum Frühstück. Speise gut, wir haben einen langen Ritt vor uns." Mikkel erhob sich. "Guten Morgen Alturin." Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und ging zum Bachlauf, um sich zu waschen. Alturin staunte über den Jungen. Er wirkte auf ihn eher wie dreizehn als wie drei Jahre alt. Und seine Grösse. Mikkel war bestimmt schon weit der Grösse eines dreijährigen voraus.


Als Mikkel zurück kam, reichte ihm Alturin einen Becher mit Tee und etwas von dem getrockneten Schinken. Der Junge hatte grossen Hunger und langte ordentlich zu. Als sie mit dem Essen fertig waren und zusammen gepackt hatten, überraschte er Alturin. Er sagte: "Ich glaube nicht, dass meine Eltern tot sind, Alturin." Alturin zögerte einen Moment und sah ihn an. "Ich wünschte es wäre so, mein lieber Junge," entgegnete er. Gedankenversunken stiegen sie auf's Pferd. Den Jungen setzte Alturin vor sich. Undra schwebte heran und setzte sich kurz auf den Ast der Buche. Sie bewegte ihren Kopf rauf und runter. Die Luft war rein. Es konnte losgehen. Undra flog voraus und Alturin setzte das Pferd in Bewegung.


Die Ebene von Tulur erreichten sie eine Stunde später. Der sandige Boden würde seinem Pferd alles abverlangen. Es war heiss und windig hier. Ein unangenehmer Ritt. Doch bewältigten sie die Strecke ohne Zwischenfälle und Probleme und mit der Dämmerung erreichten sie die Ausläufer eines kleinen Waldstückes. Ein kleiner Bachlauf bot sich wieder an und sie schlugen ihr Lager in der Nähe auf. Es war sicher hier, Undra hatte alles erkundet. Am nächsten Morgen folgte nach dem Frühstück erneut ein scharfer Ritt, denn Alturin wollte spätestens am Nachmittag in der Stadt sein. Er wollte dem Jungen unbedingt den Blick bei Tageslicht auf die Stadt ermöglichen. Ihre Schönheit und ihr Glanz würden ihn sehr beeindrucken, dessen war er sich sicher.


Der Ritt an der Küste entlang gefiel dem kleinen Mikkel sehr. Es war recht warm, aber der frische Wind vom Meer her machte die Sache sehr angenehm. Die langen blonden Haare des Jungen wehten Alturin immer wieder ins Gesicht. "Kannst Du Reiten," fragte er ihn. "Nein, warum,?" fragte er zurück. "Jetzt musst Du aber das letzte Stück übernehmen. Bei dem Wind sehe ich vor lauter blonden Haaren garnichts mehr." Er drückte Mikkel die Zügel in die Hand und etwas erschrocken über die plötzliche Verantwortung nahm er sie an. Mit jeden Stück des Weges wurde er sicherer in der Führung des Pferdes und Alturin staunte über die schnelle Auffassungsgabe des Jungen. Sie querten einen Fluss, der hier ins Meer floss und ritten danach links in das Landesinnere. Es ging eine kleine leicht bewaldete Anhöhe hinauf. "Nun werde langsamer und oben auf dem Hügel hälst Du an," sagte Alturin zu ihm. "Sind wir da?," fragte Mikkel. Alturin griff sanft in die Zügel, um das Pferd sachte zum Stehen zu bringen. "Und nun schaue nach links und erblicke den Glanz und die Schönheit der Kristallstadt," sagte er. Leicht bewegte er sein Pferd in die richtige Richtung. "Oooh,!" war das Einzige was der Junge hervorzubringen vermochte. Alturin beugte sich etwas vor zu ihm. Überwältigt vom Anblick der Stadt glaubte Alturin in seinem Gesicht ein Lächeln zu sehen.


Das Sonnenlicht liess die Kristallstadt in einem ganz besonderen Glanz erscheinen. Es strahlte, aber es blendete nicht. Es war ein wärmender Glanz der alle faszinierte, die sie erblickten. Am Auslauf einer kleinen Ebene lag die Stadt und war halb in einen angerenzenden Berg gebaut. Man konnte kleine Strassen erkennen und etliche Türmchen zierten die hellen Häuser. Etwas oberhalb des Teiles, der auf dem Berg lag, befand sich die "Glasburg", das Herz des Reiches. Hier befand sich der Sitz von Hatora, der Hüterin der Kristallstadt. Manche nannten sie die Königin der Kristallstadt, aber dies gefiel ihr nicht. Sie mochte keine Könige. Um die Kristallstadt herum zog sich eine hohe wehrhafte Mauer, die Sicherheit und Schutz bot und in ihrer Mitte sah Mikkel ein weit geöffnetes, mächtiges Eingangstor. Alturin liess Mikkel noch einen Moment, um die Schönheit der Stadt zu schauen, dann liess er das Pferd wieder antraben und sie ritten hinunter zur Stadt.



Nach kurzer Zeit erreichten sie das Haupttor. Mikkel erkannte wie ungeheuer dick die Mauer waren, welche die Stadt umfasste. Er schätze, dass zwei erwachsene Männer, wenn sie sich hintereinander auf den Boden legten, nicht ausreichen würden, um die Stärke der Mauer zu erreichen und ihre Höhe entsprach ganz bestimmt der Höhe der alten Knorreiche auf der Lichtung bei ihm zuhause. Ein grosser Platz auf dem reges Treiben herrschte, schloss sich dem Tordurchgang an. Viele Menschen waren hier unterwegs und grüssten sie freundlich. Körbe und Kisten wurden hin und her getragen und einige Pferdewagen waren unterwegs. Alturin lenkte das Pferd langsam durch die Strassen die Anhöhe hinauf in Richtung der Glasburg. Hatora würde wissen, dass er eingetroffen ist. Nicht weil man es ihr gemeldet hätte, nein, sie hatte die Gabe der Vorraussicht. Mikkel bestaunte die schönen aber einfachen Häuser und den seltsamen Glanz, der von ihnen ausging. Dann bogen sie um eine Ecke und ein Vorplatz war zu sehen, der den Blick auf die Glasburg frei gab.


Noch heller als die anderen Häuser strahlte sie und Mikkel war völlig gefangen von der Schönheit. Er sagte kein einziges Wort. Kurz vor dem Eingang kam ihnen ein Wachposten entgegen, der sie freundlich begrüsste und die Zügel des Pferdes entgegen nahm. "Sei gegrüsst Alturin! Geht nur hinein, Hatora erwartet euch bereits." Alturin wusste, dass sie wusste und er hatte das Gefühl, dass sie ihn heute mit noch mehr Neuigkeiten überraschen würde. Er hoffte, dass es gute Neuigkeiten sein würden. Sie stiegen ab und gingen die Steintreppen hinauf, die zum Eingang führten. Ein Mann mit einer silbernen Rüstung hielt den beiden Besuchern die Eingangstür auf. Sie betraten eine grosse Halle, in deren Mitte ein Brunnen stand, aus dessen Mitte ein Wasserstrahl in die Höhe sprang. Es war kein gewöhnliches Wasser, dies war Mikkel sofort aufgefallen. Es hatte einen seltsamen silbernen Glanz.

Ein Stück weiter vorn stand eine kunstvoll verzierte Holzbank, auf der sie Platz nahmen und auf Hatora warteten. "Es ist so friedlich hier," bemerkte Mikkel. "Ja, so ist es und so war es immer hier," antwortete Alturin. "Was hat es mit dem Wasser dieses Brunnens auf sich Alturin, mir scheint es ist kein gewöhnliches Wasser, wie wir es kennen," fragte Mikkel. Gerade als Alturin antworten wollte, ertönte von der rechten Seite eine weibliche Stimme: "Es ist Kristallwasser und es ist einzigartig". Beide erschraken. Sie hatten Hatora nicht kommen hören. Alturin und Mikkel standen sofort auf und als Alturin sich vor Hatora verbeugte, tat Mikkel es ihm gleich. "Willkommen in der Glasburg, Alturin und auch Dir mein Willkommen, junger Lichtmagier." Längst hatte sie das Mal auf seinem Handrücken gesehen. Dann stellte sich Hatora mit lächelndem Gesicht vor Mikkel hin und sah ihm tief in die Augen. Sie legte ihre rechte Hand auf seine Schulter. Ein Schauer durchfuhr ihn und er spürte, dass sie ihm bis auf die Seele sah....

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Hatora



Hatoras Blick ging tief. So tief, dass Mikkel von einem leichten Schwindel erfasst wurde. Alturin merkte, dass sie von dem Jungen sehr angetan war, dafür kannte er sie lang genug. "Du bist ein sehr interessanter junger Mann Mikkel, sagte Hatora und mit einer guten Ausbildung werden wir sicher einen stattlichen Mann aus Dir machen können. Darf ich Dich einladen, noch ein paar Tage zu bleiben, Alturin? Du kennst Dich hier aus und könntest Mikkel in den ersten Tagen die Stadt zeigen. Wir könnten in der Zwischenzeit alles für den Jungen her richten und einen Plan für seine Ausbildung erstellen. Oder hast Du andere Pläne?" "Oh, ähm ich würde mich sehr freuen, noch ein paar Tage hier bleiben zu können und dem Jungen alles zu zeigen. So hat er auch noch eine Bezugsperson, gewissermassen, bis er sich hier etwas eingelebt hat."


"Du bist ein weiser Mann, Alturin." Hatora sah ihn an und lächelte. Alturin nickte und lächelte zurück. "Ein weiser Mann zu Gast bei einer sehr weisen Frau, die entgegen meiner eigenen Entwicklung immer jünger und schöner zu werden scheint," entgegnete er. "Du verstehst es, einer Frau zu schmeicheln, lieber Alturin, vielen Dank. So nun ist es Zeit, euer Quartier zu beziehen. Ich schicke euch jemanden, der euch zum Zimmer führt und danach habt ihr vier Tage Zeit, um euch alles anzusehen. Danach nehme ich Dich unter meine Fittiche und Deine Ausbildung beginnt." Nachdem sich Mikkel bei Hatora bedankt hatte, verabschiedeten sie sich und kurz darauf befanden sie sich in einem schönen Zimmer in einem Haus vor der Glasburg mit Blick auf die Kristallstadt. Alturin und Mikkel standen auf dem Balkon und betrachteten das Treiben in den Strassen.


"Warum heisst die Kristallstadt eigentlich so," fragte Mikkel. "Das ist eine lange Geschichte Mikkel, aber sei's drum." Alturin setzte sich auf einen bequemen Sessel, der auf dem Balkon stand und wies Mikkel an, es ihm gleich zu tun. "Mache es Dir bequem, es wird etwas länger dauern." Er stopfte sich ein Kurzpfeifchen und bat Mikkel für sie beide ein Glas Wasser zu holen. Er trank einen Schluck, machte einen langen Zug und begann..


"Wie Du vielleicht schon weisst, leben wir heute im fünften Sonnenzeitalter. Jedes Sonnenzeitalter hat 1500 Sonnenjahre. Bereits im ersten Zeitalter wird die Kristallstadt namentlich erwähnt. Damals kamen Menschen aus einem fernen Land in diese Gegend und liessen sich hier nieder. Sie brachten grosses Wissen mit und gründeten die Kristallstadt und bauten sie aus. Ihr Wissen und ihre Magie bestand darin, dass sie ihre mitgebrachten Kristalle in Verbindung mit der Natur einsetzten und so sehr zum Wohle aller Menschen hier beitrugen. Seit dem die Kristalle in der Stadt sind, strahlt sie einen wunderbaren Glanz aus, schon alle Zeitalter hindurch. Der Kristall, der in der Glasburg von Hatora in dem Brunnen versenkt wurde, machte das Wasser des Brunnens zu einer Heilquelle, die schon sehr vielen Kranken geholfen hat. Das Kristallwasser. Hatora, die Hüterin der Kristallstadt, ist seit dem dritten Zeitalter dort und leitet die Geschicke der Stadt und der Menschen dort."


Alturin blickte kurz zu Mikkel herüber. Er sah ihn an und hörte ihm aufmerksam zu. "Du stellst gar keine Fragen,? wunderte er sich. "Nein, ich kann mir jedes Wort das Du sagst merken und wenn ich Fragen habe, so stelle ich sie wenn Du geendet hast, so habe ich es gelernt." Alturin lächelte ihn liebevoll an und strich ihm über den Kopf. Dann erzählte er weiter. "Nun, die Stadt und die Menschen hier entwickelten sich prächtig und wurden weithin bekannt. Über drei Zeitalter hinweg herrschte Frieden und Eintracht mit den Nachbarvölkern und man trieb Handel miteinander und tauschte sich in allen Bereichen aus. Mit dem Beginn des vierten Zeitalters jedoch begab es sich, dass sich im Osten das Volk der Oar erhob. Ihr König, der machtgierige Grundur hatte sich mit dunklen Mächten verbunden und wollte die Welt unterjochen. Mit seinem Nachbarland, dem schönen Land der Usher, wollte er beginnen. Er verbündete sich mit dem kriegerischen Volk der Niewa und griff König Usha an. Ein erbitterter Kampf begann und die Usher wehrten sich tapfer. Aber am Ende konnten sie der Übermacht der beiden kriegerischen Völker nicht mehr standhalten. Das Land wurde von ihnen erobert, Usha wurde getötet und Ushas Burg in den Wäldern wurde dem Erdboden gleich gemacht. Kein Stein blieb auf dem anderen."


Alturin blickte leicht zur Seite. Mikkel schaute ihn mit grossen Augen an und zog die Augenbrauen hoch. Alturin trank einen Schluck Wasser und sprach weiter. "Nach einiger Zeit machte sich Grundur daran, gemeinsam mit den Niewa die Kristallstadt zu erobern. Sie wussten um die mächtigen Kristalle an diesem Ort und wollten sie für sich, um damit ihre Herrschaft noch besser und schneller voranzutreiben. Sie versammelten ein grosses Heer und setzten sich in Richtung Kristallstadt in Bewegung. Doch Hatora besitzt die Gabe der Voraussicht und ahnte, was geschehen sollte. Als sie angegriffen wurden, waren sie gerüstet und konnten den Angriff abwehren. Vor den Toren der Kristallstadt wurde das feindliche Heer geschlagen und zog sich zurück.


Eine Zeit lang herrschte wieder Frieden, doch Hatora bemerkte, dass die Feinde sich bereits neu formierten und einen zweiten Angriff planten. Sie kam ihnen zuvor und griff ihr Lager in den Wäldern an. Eine sehr gut ausgebildete und bewaffnete Truppe von Lichtkriegern streckte die Gegner nieder und beendete die freudlose Zeit. Einige Oar konnten fliehen, doch die meisten von ihnen wurden nieder gemacht. An dem Platz des Sieges über die Feinde liess Hatora eine Eiche pflanzen. Dies ist die alte Knorreiche, die Du von der Lichtung kennst."


Alturin griff erneut zu seinem Glas und blickte etwas verstohlen zu Mikkel hinüber. Er blickte ihn immer noch mit grossen Augen an und zog die Augenbrauen hoch. "Hatora bildete zwölf Menschen in der Kristallstadt aus und setzte sie überall in den Landen als Lichtmagier in den Stand eines Mitglieds des Rates der jeweiligen Stadt oder eines Dorfes. An der alten Knorreiche brachte sie ein Symbol an, dass eine Sonne darstellte und zwölf leuchtende Sternkristalle im Kreis um sie herum, für jeden Lichtmagier eines. Solange sie lebten, leuchteten die kleinen Sterne und die Sonne erstrahlte. Erlosch ihr Lebenslicht, so erlosch auch ein Stern auf dem Symbol. Zu bestimmten Zeitpunkten wurde ein Ritual abgehalten, in dem neue Lichtmagier ermittelt werden sollten. Gab es einen solchen neuen jungen Lichtmagier, erschien auf seinem linken Handrücken ein Mal, welches ihn als solchen auswies. Auf diese Weise sollte der Kreis der Zwölf immer erhalten bleiben."


Leichte Schlafgeräusche liessen Alturin seine Erzählung unterbrechen. Er sah zu Mikkel herüber. Er war in seinem Sessel eingeschlafen und sein Kopf mit dem bloden Haarschopf war zur Seite gekippt. Es dämmerte inzwischen und Alturin nahm den Jungen auf und legte ihn in sein Bett. Er war froh, dass er schlief. Erstens tat es ihm gut - er hatte sehr viel Schlimmes erlebt in den letzten Tagen und Zweitens.... Alturin hatte schön länger nicht mehr so viel geredet. Ein leichtes Rauschen war zu hören und kurz darauf sass Undra mit zwei kleinen Mäuschen im Schnabel auf der Balkonbrüstung. Sie wippte mit dem Kopf rauf und herunter. "Sei gegrüsst, alte Freundin," sagte Alturin leise, um den Jungen nicht aufzuwecken. Undra sah auf und schaute auf Mikkel in seinem Bett. "Er ist ein besonderer Junge," sagte Alturin. "Ja, ein besonderer Junge in einer besonderen Zeit mit einer besonderen Aufgabe," entgegnete Undra. "Hast Du ihn Hatora schon vorgestellt, Alturin?" Doch sie bekam keine Antwort.

Alturin war im Sessel eingeschlafen.....


H.A. - hier genannt Tolkien
 
Alturins Reise

Am nächsten Morgen stand Mikkel bereits auf dem Balkon als Alturin erwachte und schaute herunter auf das Treiben in der Stadt. Alturin hob leicht den Kopf und betrachtete Mikkel. Er sah aus wie ein Zehnjähriger. Die langen blonden Haare fielen über seine Schulter und er hatte schon ein stattliches und recht breites Kreuz für einen Zehnjährigen. Ach nein, er war ja erst Drei! Ein normal gewachsener Dreijähriger hätte nicht einmal über die Brüstung schauen können, ohne einen Hocker zur Hilfe zu nehmen. Es war erstaunlich. Hatora hatte gestern für ihn neue Kleidung bringen lassen und Mikkel hatte sich für eine graue Stoffhose und ein weisses Hemd entschieden. Am meisten hatte sich Mikkel aber über den schönen Gürtel gefreut, der durch die Hosenschlaufen gezogen war. Die kunstvoll gefertigte silberne Schnalle stellte eine Szene dar, in der eine Frau einen Eichensetzling pflanzte.


Alturin richtete sich auf. "Guten Morgen. Schon so früh auf den Beinen, junger Lichtmagier?" Mikkel fuhr herum und strahlte Alturin an. "Ja, ich bin so aufgeregt. Wann gehen wir die Stadt ansehen? Ach und guten Morgen Alturin." Er strich sich das Haar aus dem Gesicht. "Geduld mein Lieber. Zuerst wird gefrühstückt und dann sehen wir weiter." Eine halbe Stunde später waren sie auf dem Weg durch die Stadt. Alturin zeigte dem jungen Mikkel alles Sehenswerte und alle wichtigen Orte in der Kristallstadt und am frühen Nachmittag gingen sie zurück in Richtung ihres Quartiers. Hatora erwartete ihn und Mikkel bereits vor der Glasburg. "Ich habe noch etwas für Dich junger Mikkel, dass ich Dir gerne zeigen möchte." Mit einer einladenden Handbewegung forderte sie ihn und Alturin auf, ihr zu folgen. Über mehrere Treppen gelangten sie in die unteren Kellergewölbe. Eine schwere Eichentüre stoppte ihren Weitergang. Hatora fasste in die Tasche ihres Umhanges und holte einen Schlüssel hervor. Er schien aus Kristall zu sein. Was wohl hinter dieser Türe sein mochte, überlegte Mikkel. Dann führte Hatora den Kristallschlüssel ins Schloss. Der Schlüssel begann zu leuchten und ohne ihn zu drehen oder eine Klinke zu drücken, schwang die schwere Eichentür auf und gab den Blick in das Innere frei.


Mikkels Unterkiefer klappte nach unten. Langsam schritten alle nach vorne und betraten den Raum. Kein einziges Licht, keine Kerze und keine Fackel waren in dem Raum und trotzdem leuchtete es hell. Der Raum war angefüllt mit Kristallen. Hatora ging in die Mitte des Raumes, hob ihre Hände und drehte sich einmal um sich selbst. "Dies mein lieber Mikkel ist die Kristallschatzkammer unserer Stadt. Es gibt einige Menschen, die alles dafür geben würden, diese Schätze ihr Eigen nennen zu können. Mögen sie immer in den richtigen Händen liegen, die als Erstes das Wohl der Menschen im Auge haben. Und nun Mikkel, gehe durch die Reihen. Schliesse Deine Augen. Dann bleibe vor genau dem Kristall stehen, der Dich am meisten anspricht. Dann öffne Deine Augen und zeige uns, welcher es ist. Mikkel war sehr egriffen von der Schönheit des Raumes und der Kristalle. Wortlos tat er, wie Hatora ihm gesagt hatte. Er ging durch die Reihen, schloss seine Augen und fühlte. Ein paar Schritte weiter blieb er stehen. Er drehte sich nach links, öffnete seine Augen und ergriff einen kleinen Kristall.


Mikkel drehte sich zu Hatora und Alturin um und sah, dass Hatora Tränen über die Wangen liefen. "Warum weinst Du, Hatora?," fragte er. Hatora ging auf Mikkel zu und strich ihm über den Kopf. "Ich hatte gehofft, dass Du einen anderen Kristall ergreifen würdest, Mikkel. Jeder der Auserwählten die hier wählen dürfen, wählt mit dem Kristall auch den weiteren Weg seines Lebens aus. Du hast Dir einen Kristall ausgesucht, der einst von einem Mann des vierten Zeitalters ausgesucht und getragen wurde. Sein Name war Usha.... Der Kristall trägt den Namen "Lic-Tac", was soviel bedeutet wie Leben oder Tod." "Und warum weinst Du nun, Hatora," fragte Mikkel abermals. "Weil er keinen schönen Tod fand. Aber dies ist eine alte Geschichte und wir wollen sie nun nicht weiter ausschmücken. Gib mir den Kristall Mikkel. Ich werde ihn für Dich umarbeiten lassen und wenn nun Deine Ausbildung beginnt, wirst Du ihn ab diesem Tage tragen. Und nun lasst uns gehen."


Sie verliessen das Gewölbe und begaben sich in die obere Etage der Glasburg zurück. Hatora bat Alturin zu sich und stellte Mikkel eine junge Dame zur Seite, die ihn hier herumführte. Sie schloss die Türe des Zimmers hinter sich und wandte sich Alturin zu. "Er hat nicht den leichtesten Weg gewählt. Ich muss Dich um Deine Hilfe bitten, lieber Freund. Reite zurück in Mikkels Dorf und höre Dich um, womit sich seine Eltern zuletzt beschäftigt haben. Frage die Ältesten und die Dorfbewohner. Bringe alles in Erfahrung und berichte es mir. Jede Kleinigkeit kann wichtig sein. Und Alturin....... breche bitte sofort auf. Etwas tut sich im Osten und ich möchte nicht, dass uns irgendwann die Zeit knapp wird. Wenn Du zurück bist, weihe ich Dich ein und wir beraten uns. Stelle jetzt bitte keine Fragen." Alturins Gesicht hatte einen sorgenvollen Ausdruck bekommen. Er stand auf, deutete eine Verbeugung vor Hatora an und wandte sich zur Tür. "Ich verabschiede mich nur noch von Mikkel und breche dann sofort auf. Lebe wohl Hatora." "Lebe wohl Alturin und.......gib Acht auf Dich und halte Deine Sinne scharf."


Alturin sprach kurz mit Mikkel und erklärte ihm, dass er dringend etwas erledigen müsste. Hatora würde sich seiner annehmen und sie würden sich bald wieder sehen. Er liess einen überraschten Jungen zurück, der seinem gerade neu gewonnenem väterlichen Freund traurig hinterher sah. Rasch ging Alturin auf ihr Zimmer, packte seine Sachen und fünf Minuten später passierte er das Tor der Kristallstadt. Kurz darauf vernahm er ein leises Rauschen neben sich und sah Undra an sich vorbeischweben. Er durchquerte die Flussmündung und ritt an der Küste entlang, den Weg, den sie gekommen waren. Es war schon sehr dunkel, als er das erste Lager aufschlug. Undra flog ein paar Runden und landete kurz darauf auf einem tief hängenden Buchenast. Ihr Kopf bewegte sich hoch und runter und somit war die Luft rein. Sie sprachen kein Wort an diesem Abend und Alturin legte sich schnell schlafen.


Zwei Tage später erreichten Alturin und Undra die Lichtung. Aufmerksam suchten sie alles ab, doch fanden sie nichts, was ihre Aufmerksamkeit erregt hätte. Sie setzten ihren Weg fort und erreichten bald das Dorf, in dem Mikkel mit seinen Eltern wohnte. Alturin hielt direkt auf das Haus des Dorfältesten zu, den er schon länger kannte. Er band sein Pferd an, ging die Stufe hoch und klopfte an die Tür. Der Dorfälteste selbst öffnete die Tür und blickte ihn überrascht an. "Alturin!", welche Freude!" Er bat Alturin freundlich herein.


Bei einer Tasse Tee sassen sie an einem kleinen Tisch in der gemütlich eingerichteten Wohnstube. "Wir kennen uns nun schon so lange Andana und ich will nicht lange um den heissen Brei herum reden. Ich komme zu Dir, weil ich Dir vertraue. Hatora schickt mich um heraus zu finden, was auf der Lichtung geschehen ist. Sie macht sich grosse Sorgen, dass hier etwas Schlimmes im Gange ist, dass wir uns aber noch nicht erklären können. Ich muss wissen, womit sich Joohn und Eira beschäftigt haben und was genau sie auf der Lichtung für ein Ritual abhalten wollten. Ausserdem möchte ich mich in ihrem Haus umsehen dürfen, um zu schauen ob dort etwas Ungewöhnliches ist." "Dies sei Dir natürlich gewährt Alturin," antwortete der Dorfälteste. Andana sah sehr nachdenklich aus. Seine feingliedrigen Finger spielten mit dem Teebecher. Als er ihn anhob, um einen Schluck zu trinken, bemerkte Alturin das leichte Zittern seiner Hand. Er sah ihn an. Andanas schulterlanges weisses Haar fiel weich über seine Schultern. Er hatte ein schmales Gesicht und eine hohe Denkerstirn. Seit über 100 Jahren war er der Dorfälteste und sein weiser Rat wurde gern gehört - und auch meist angenommen. Alturin hatte sich immer schon in seiner Gesellschaft sehr wohl gefühlt. Er war ein sehr feinsinniger Mensch, der mehr mitbekam, als die meisten seiner Mitmenschen.


"Eira hat sich immer gut mit meiner Frau Shaila verstanden und sie gingen oft gemeinsam in den Wald, um verschiedene Kräuter zu sammeln. Shaila berichtete mir, dass Eira an einer Krautmixtur gearbeitet hat, welche die Hellsicht und Vorausschau fördern und stärken sollte. Sie wollte so den Menschen ermöglichen, ihr Leben in die richtigen Bahnen zu lenken und so versuchen, den Menschen ihr Leben etwas zu erleichtern. Joohn hatte zuerst bemerkt, dass das Licht der alten Knorreiche etwas verblasst war und er wollte deshalb sofort etwas unternehmen, deshalb sind sie zur Lichtung gegangen.......und nun sind sie einfach nicht mehr da. Der arme Mikkel - ich hoffe, es geht ihm gut." "Der Verlust seiner Eltern ist natürlich ein heftiger Schlag für ihn gewesen," antwortete Alturin, "aber sei ohne Sorge, Hatora hat ihn bei sich aufgenommen. Er wird eine vorzügliche Ausbildung erhalten." "Das ist gut zu wissen, es wird schwer genug für ihn werden," meinte Andana. Er fragte Alturin, ob er diese Nacht sein Gast sein und in einem vernünftigen Bett schlafen wollte. Die Aussicht auf ein weiches Bett gefiel Alturin gut und er willigte gerne ein. Am nächsten Morgen wollte er zum Nachbardorf weiter reiten. Anzum war einen guten Tagesritt entfernt und er würde durch die Ebene von Julgat reiten. Es würde ein angenehmer Ritt werden.

So hatte er es jedenfalls geplant.....




H.A. - hier genannt Tolkien
 
Alturins Reise

Am nächsten Morgen stand Mikkel bereits auf dem Balkon als Alturin erwachte und schaute herunter auf das Treiben in der Stadt. Alturin hob leicht den Kopf und betrachtete Mikkel. Er sah aus wie ein Zehnjähriger. Die langen blonden Haare fielen über seine Schulter und er hatte schon ein stattliches und recht breites Kreuz für einen Zehnjährigen. Ach nein, er war ja erst Drei! Ein normal gewachsener Dreijähriger hätte nicht einmal über die Brüstung schauen können, ohne einen Hocker zur Hilfe zu nehmen. Es war erstaunlich. Hatora hatte gestern für ihn neue Kleidung bringen lassen und Mikkel hatte sich für eine graue Stoffhose und ein weisses Hemd entschieden. Am meisten hatte sich Mikkel aber über den schönen Gürtel gefreut, der durch die Hosenschlaufen gezogen war. Die kunstvoll gefertigte silberne Schnalle stellte eine Szene dar, in der eine Frau einen Eichensetzling pflanzte.


Alturin richtete sich auf. "Guten Morgen. Schon so früh auf den Beinen, junger Lichtmagier?" Mikkel fuhr herum und strahlte Alturin an. "Ja, ich bin so aufgeregt. Wann gehen wir die Stadt ansehen? Ach und guten Morgen Alturin." Er strich sich das Haar aus dem Gesicht. "Geduld mein Lieber. Zuerst wird gefrühstückt und dann sehen wir weiter." Eine halbe Stunde später waren sie auf dem Weg durch die Stadt. Alturin zeigte dem jungen Mikkel alles Sehenswerte und alle wichtigen Orte in der Kristallstadt und am frühen Nachmittag gingen sie zurück in Richtung ihres Quartiers. Hatora erwartete ihn und Mikkel bereits vor der Glasburg. "Ich habe noch etwas für Dich junger Mikkel, dass ich Dir gerne zeigen möchte." Mit einer einladenden Handbewegung forderte sie ihn und Alturin auf, ihr zu folgen. Über mehrere Treppen gelangten sie in die unteren Kellergewölbe. Eine schwere Eichentüre stoppte ihren Weitergang. Hatora fasste in die Tasche ihres Umhanges und holte einen Schlüssel hervor. Er schien aus Kristall zu sein. Was wohl hinter dieser Türe sein mochte, überlegte Mikkel. Dann führte Hatora den Kristallschlüssel ins Schloss. Der Schlüssel begann zu leuchten und ohne ihn zu drehen oder eine Klinke zu drücken, schwang die schwere Eichentür auf und gab den Blick in das Innere frei.


Mikkels Unterkiefer klappte nach unten. Langsam schritten alle nach vorne und betraten den Raum. Kein einziges Licht, keine Kerze und keine Fackel waren in dem Raum und trotzdem leuchtete es hell. Der Raum war angefüllt mit Kristallen. Hatora ging in die Mitte des Raumes, hob ihre Hände und drehte sich einmal um sich selbst. "Dies mein lieber Mikkel ist die Kristallschatzkammer unserer Stadt. Es gibt einige Menschen, die alles dafür geben würden, diese Schätze ihr Eigen nennen zu können. Mögen sie immer in den richtigen Händen liegen, die als Erstes das Wohl der Menschen im Auge haben. Und nun Mikkel, gehe durch die Reihen. Schliesse Deine Augen. Dann bleibe vor genau dem Kristall stehen, der Dich am meisten anspricht. Dann öffne Deine Augen und zeige uns, welcher es ist. Mikkel war sehr egriffen von der Schönheit des Raumes und der Kristalle. Wortlos tat er, wie Hatora ihm gesagt hatte. Er ging durch die Reihen, schloss seine Augen und fühlte. Ein paar Schritte weiter blieb er stehen. Er drehte sich nach links, öffnete seine Augen und ergriff einen kleinen Kristall.


Mikkel drehte sich zu Hatora und Alturin um und sah, dass Hatora Tränen über die Wangen liefen. "Warum weinst Du, Hatora?," fragte er. Hatora ging auf Mikkel zu und strich ihm über den Kopf. "Ich hatte gehofft, dass Du einen anderen Kristall ergreifen würdest, Mikkel. Jeder der Auserwählten die hier wählen dürfen, wählt mit dem Kristall auch den weiteren Weg seines Lebens aus. Du hast Dir einen Kristall ausgesucht, der einst von einem Mann des vierten Zeitalters ausgesucht und getragen wurde. Sein Name war Usha.... Der Kristall trägt den Namen "Lic-Tac", was soviel bedeutet wie Leben oder Tod." "Und warum weinst Du nun, Hatora," fragte Mikkel abermals. "Weil er keinen schönen Tod fand. Aber dies ist eine alte Geschichte und wir wollen sie nun nicht weiter ausschmücken. Gib mir den Kristall Mikkel. Ich werde ihn für Dich umarbeiten lassen und wenn nun Deine Ausbildung beginnt, wirst Du ihn ab diesem Tage tragen. Und nun lasst uns gehen."


Sie verliessen das Gewölbe und begaben sich in die obere Etage der Glasburg zurück. Hatora bat Alturin zu sich und stellte Mikkel eine junge Dame zur Seite, die ihn hier herumführte. Sie schloss die Türe des Zimmers hinter sich und wandte sich Alturin zu. "Er hat nicht den leichtesten Weg gewählt. Ich muss Dich um Deine Hilfe bitten, lieber Freund. Reite zurück in Mikkels Dorf und höre Dich um, womit sich seine Eltern zuletzt beschäftigt haben. Frage die Ältesten und die Dorfbewohner. Bringe alles in Erfahrung und berichte es mir. Jede Kleinigkeit kann wichtig sein. Und Alturin....... breche bitte sofort auf. Etwas tut sich im Osten und ich möchte nicht, dass uns irgendwann die Zeit knapp wird. Wenn Du zurück bist, weihe ich Dich ein und wir beraten uns. Stelle jetzt bitte keine Fragen." Alturins Gesicht hatte einen sorgenvollen Ausdruck bekommen. Er stand auf, deutete eine Verbeugung vor Hatora an und wandte sich zur Tür. "Ich verabschiede mich nur noch von Mikkel und breche dann sofort auf. Lebe wohl Hatora." "Lebe wohl Alturin und.......gib Acht auf Dich und halte Deine Sinne scharf."


Alturin sprach kurz mit Mikkel und erklärte ihm, dass er dringend etwas erledigen müsste. Hatora würde sich seiner annehmen und sie würden sich bald wieder sehen. Er liess einen überraschten Jungen zurück, der seinem gerade neu gewonnenem väterlichen Freund traurig hinterher sah. Rasch ging Alturin auf ihr Zimmer, packte seine Sachen und fünf Minuten später passierte er das Tor der Kristallstadt. Kurz darauf vernahm er ein leises Rauschen neben sich und sah Undra an sich vorbeischweben. Er durchquerte die Flussmündung und ritt an der Küste entlang, den Weg, den sie gekommen waren. Es war schon sehr dunkel, als er das erste Lager aufschlug. Undra flog ein paar Runden und landete kurz darauf auf einem tief hängenden Buchenast. Ihr Kopf bewegte sich hoch und runter und somit war die Luft rein. Sie sprachen kein Wort an diesem Abend und Alturin legte sich schnell schlafen.


Zwei Tage später erreichten Alturin und Undra die Lichtung. Aufmerksam suchten sie alles ab, doch fanden sie nichts, was ihre Aufmerksamkeit erregt hätte. Sie setzten ihren Weg fort und erreichten bald das Dorf, in dem Mikkel mit seinen Eltern wohnte. Alturin hielt direkt auf das Haus des Dorfältesten zu, den er schon länger kannte. Er band sein Pferd an, ging die Stufe hoch und klopfte an die Tür. Der Dorfälteste selbst öffnete die Tür und blickte ihn überrascht an. "Alturin!", welche Freude!" Er bat Alturin freundlich herein.


Bei einer Tasse Tee sassen sie an einem kleinen Tisch in der gemütlich eingerichteten Wohnstube. "Wir kennen uns nun schon so lange Andana und ich will nicht lange um den heissen Brei herum reden. Ich komme zu Dir, weil ich Dir vertraue. Hatora schickt mich um heraus zu finden, was auf der Lichtung geschehen ist. Sie macht sich grosse Sorgen, dass hier etwas Schlimmes im Gange ist, dass wir uns aber noch nicht erklären können. Ich muss wissen, womit sich Joohn und Eira beschäftigt haben und was genau sie auf der Lichtung für ein Ritual abhalten wollten. Ausserdem möchte ich mich in ihrem Haus umsehen dürfen, um zu schauen ob dort etwas Ungewöhnliches ist." "Dies sei Dir natürlich gewährt Alturin," antwortete der Dorfälteste. Andana sah sehr nachdenklich aus. Seine feingliedrigen Finger spielten mit dem Teebecher. Als er ihn anhob, um einen Schluck zu trinken, bemerkte Alturin das leichte Zittern seiner Hand. Er sah ihn an. Andanas schulterlanges weisses Haar fiel weich über seine Schultern. Er hatte ein schmales Gesicht und eine hohe Denkerstirn. Seit über 100 Jahren war er der Dorfälteste und sein weiser Rat wurde gern gehört - und auch meist angenommen. Alturin hatte sich immer schon in seiner Gesellschaft sehr wohl gefühlt. Er war ein sehr feinsinniger Mensch, der mehr mitbekam, als die meisten seiner Mitmenschen.


"Eira hat sich immer gut mit meiner Frau Shaila verstanden und sie gingen oft gemeinsam in den Wald, um verschiedene Kräuter zu sammeln. Shaila berichtete mir, dass Eira an einer Krautmixtur gearbeitet hat, welche die Hellsicht und Vorausschau fördern und stärken sollte. Sie wollte so den Menschen ermöglichen, ihr Leben in die richtigen Bahnen zu lenken und so versuchen, den Menschen ihr Leben etwas zu erleichtern. Joohn hatte zuerst bemerkt, dass das Licht der alten Knorreiche etwas verblasst war und er wollte deshalb sofort etwas unternehmen, deshalb sind sie zur Lichtung gegangen.......und nun sind sie einfach nicht mehr da. Der arme Mikkel - ich hoffe, es geht ihm gut." "Der Verlust seiner Eltern ist natürlich ein heftiger Schlag für ihn gewesen," antwortete Alturin, "aber sei ohne Sorge, Hatora hat ihn bei sich aufgenommen. Er wird eine vorzügliche Ausbildung erhalten." "Das ist gut zu wissen, es wird schwer genug für ihn werden," meinte Andana. Er fragte Alturin, ob er diese Nacht sein Gast sein und in einem vernünftigen Bett schlafen wollte. Die Aussicht auf ein weiches Bett gefiel Alturin gut und er willigte gerne ein. Am nächsten Morgen wollte er zum Nachbardorf weiter reiten. Anzum war einen guten Tagesritt entfernt und er würde durch die Ebene von Julgat reiten. Es würde ein angenehmer Ritt werden.

So hatte er es jedenfalls geplant.....




H.A. - hier genannt Tolkien

Wunderschön!!!
 
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